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zu dem Haus, das ihnen Geborgenheit

      gab.

      Am nächsten Tag zeigte sich der Himmel bewölkt, und es war regnerisch, auf dem Meer tanzten silbrige Schaumkronen. Kein Wetter für den Strand! Maria kam wie jeden Tag pünktlich, um bei ›ihrer‹ Familie nach dem Rechten zu sehen. Benjamin entschied sich dafür, mit ihr einkaufen zu gehen, denn Maria hatte einen großen Schirm.

      »Kommste mit?« fragte er seinen Freund. »Vielleicht treffen wir Manuel und Lucia.«

      »Nö«, machte Florian, der sich offensichtlich langweilte, »ich bleib lieber hier.« Er stemmte seine Arme auf die niedrige Fensterbank und sah verdrossen in das ungewohnte Grau. Daß es auch hier so sein konnte, paßte ihm gar nicht. »Zu dumm, daß ich hier im Fernsehen nix sehen kann«, murrte er. Und nach einer Pause: »Wenn wir doch den Olli hätten mitnehmen können!« Schwer seufzte er auf. Das hätte zuviel Umstände mit der Fliegerei gemacht, hatte man ihm erklärt. Mathias hatte ihn zu den Leuten gebracht, wo er ihn hergeholt hatte, die wollten ihn mit versorgen.

      »Florian«, verwies ihn seine Mutter, »jetzt ist es heute zum ersten Mal nicht schön draußen, da mußt du doch nicht gleich unzufrieden sein. Sei lieb, Schatz.«

      »Ich bin lieb«, behauptete Florian. Er wandte sich vom Fenster und setzte sich zu ihr, sah zu, wie sie an einer kurzen Hose nähte, die er sich bei Kletterübungen eingerissen hatte. Sie hörten Mathias am Haus arbeiten, er spaltete Holzscheite für den Kamin, falls es am Abend kühl werden würde. »Mama«, begann Florian, nachdem er eine Weile auf ihre flinken Hände geschaut hatte. »Wie wird denn das nun, wenn wir nächste Woche wieder heimfliegen? Bin ich dann nicht mehr bei dir?«

      »Nein, Florian, dann bist du wieder bei deinem Vater, und alles wird sein wie vorher«, gab seine Mutter mit schwacher Stimme zurück.

      »Hm, das find’ ich aber gar nicht so gut«, sagte der Junge mit gekrauster Stirn und zog an seinem T-Shirt.

      Julia ließ ihre Näharbeit sinken, sie sah ihn an. »Du bist aber doch gern bei deinem Vater, oder etwa nicht?«

      »Doch, schon«, antwortete Florian gedehnt. Er zögerte, bevor er fortfuhr: »Aber wenn Papa aus Kanada zurückkommt, dann heiratet er doch die Jennifer, und wie das wird, das weiß ich nicht genau. Dann muß ich sicher öfter bei der Oma sein, und die faßt sich immer an die Stirn oder ans Herz und ich soll leise sein.«

      »Deine Großmutter ist nicht ganz gesund, weißt du«, warf seine Mama ein.

      »Ja, sie ist ja auch schon alt«, nickte Florian.

      »Annick ist doch den ganzen Tag für dich da«, bemerkte Julia, die sich fragte, worauf ihr Söhnchen hinauswollte. Sie kannte ihn kaum so nachdenklich. Es blieb doch sonst alles mehr an der Oberfläche bei ihm.

      »Hmhm«, machte Florian wieder, »aber jetzt ist sie doch in Ferien bei ihren Leuten in Frankreich, und mal hat sie zu mir gesagt, daß sie gern da bleiben würde. Wenn sie das nun tut?«

      Julia räusperte sich. »Dann wird sich dein Vater nach einem anderen Kindermädchen für dich umsehen.«

      »Nö, will ich nicht«, sagte Florian kurz. Er rieb seinen Kopf an Julias Schulter. »Ich will überhaupt lieber immer bei dir sein, Mami. Das war jetzt so super mit dir und mit Mathias und Benjamin. Aber der geht ja wieder zu seinen Eltern, da kann er sich darauf freun.« Treuherzig schlug er seine Augen zu ihr auf. »Könntest du nicht den Mathias heiraten, Mama? Ihr habt euch doch lieb, das kann man sehen. Und dann hätte ich auch wieder Eltern.«

      In Julia war bei den Worten ihres Kindes eine tiefe Freude lebendig geworden. Sie dachte an ihre Unterhaltung mit Mathias gestern abend, und daß sie um Florian kämpfen wollten. Plötzlich vermochte sie an den Erfolg zu glauben. Der Weg vor Gericht erschien ihr nicht mehr gar so schrecklich.

      »Wir wollen auch heiraten, Florian«, sagte sie bewegt. »Und Mathias möchte das auch gern, daß du dann bei uns lebst. Aber da gibt es erst einige Schwierigkeiten zu überwinden. Dein Vater wird dich nicht so einfach hergeben. Er hat dich sehr lieb. Und du hast ihn doch auch lieb, nicht?«

      »Ja, weil er doch mein Papa ist«, antwortete Florian einfach. »Aber kann man nicht zwei Papas haben?«

      Julia nickte mit feuchten Augen. Sie zog ihren Kleinen an sich und legte das Gesicht gegen sein weiches Haar.

      So fand sie Mathias, als er von draußen hereinkam. »Habt ihr gesehen«, sagte er und rieb sich die Hände, an denen er die ihm ungewohnte Arbeit spürte, »der Himmel hellte sich schon wieder auf. Hier geht das oft schnell.«

      »Ja, es wird heller«, bestätigte Julia, und sie meinte es doppelsinnig.

      »Mathias!« Florian hatte sich von seiner Mutter gelöst. »Wir haben grad besprochen, daß wir zusammenbleiben wollen, nicht nur in Ferien. Wär’ doch ganz schön, ne?«

      Mathias wechselte einen Blick mit Julia, dann sah er auf den Jungen, der große Worte so unbefangen aussprach.

      »Ja, Florian, das wäre schön. Wollen wir hoffen, daß es wirklich so wird.« Dabei lächelte er auf den Kleinen hernieder.

      »Du machst das schon«, sagte Florian vertrauensvoll.

      Bald kam auch Maria mit Benjamin zurück, die Einkaufstasche gefüllt mit Obst und Gemüse vom Markt. »Kann ich sonst noch was tun?« fragte die gute Frau.

      Julia schüttelte den Kopf. »Nein, danke, Maria, es ist alles in Ordnung. Das sind ja lauter gute Sachen, die Sie uns da mitgebracht haben!«

      Sie begab sich in die Küche, um das Mittagessen zu bereiten. Da vernahm sie, wie Florian seinem Freund voller Wichtigkeit mitteilte, daß seine Mama den Mathias heiraten wollte.

      Benjamin schien darüber nicht besonders beeindruckt zu sein. »Meine Mutti hat das schon lange gesagt«, meinte er überlegen. »Sie weiß immer schon alles vorher.«

      Mathias trat zu Julia, die eine Salatsoße anrührte. »Es wundert mich, Liebes, daß du mit Florian schon darüber gesprochen hast«, bemerkte er. »Er fing von sich aus an, Mathias«, gab Julia lebhaft zurück. »Könntest du nicht Mathias heiraten, sagte er, dann hätte ich wieder Eltern. Er möchte lieber bei uns sein als bei seinem Vater und dessen neuer Frau.«

      Mathias lächelte erstaunt. »Obwohl er doch offenbar sehr an seinem Vater hängt?«

      »Er meint, man könnte doch zwei Papas haben. Du hast Florian in diesen vierzehn Tagen schon endgültig für dich gewonnen. Ist das nicht schön?« Mit leuchtenden Augen sah sie den geliebten Mann an.

      »Ja.« Er legte den Arm um ihre schlanke Taille. »Ich will ihn nicht enttäuschen, falls wir das Sorgerecht bekommen. Bist du jetzt auch davon überzeugt, daß wir darum kämpfen sollten?«

      »Ja«, antwortete Julia fest. »Wir haben Florian auf unserer Seite, das wird bei den Richtern ins Gewicht fallen. Und ich«, ein schelmisches Lächeln huschte um ihren Mund, »ich werde Dr. Walden als Anwalt haben. Was kann mir da noch passieren?«

      »Dein Wort in Gottes Ohr«, sagte Mathias und gab ihr einen Kuß auf die Wange, bevor er sie mit ihrer hausfraulichen Tätigkeit alleinließ.

      So trübte kein Schatten die letzte Ferienwoche, und als sie schließlich wieder im Flugzeug saßen, das sonnenbeglänzte Meer tief unter ihnen lag und sie Kurs Richtung Heimat nahmen, waren sich alle einig darin, daß es eine wunderschöne Zeit gewesen war.

      *

      »Was fällt dir ein«, wehrte Agnes Rodenbach entrüstet ab. »Laß das bloß deinen Vater nicht hören.«

      »Dem Papa sag ich das gleich morgen, wenn er kommt.« Furchtlos sah der kleine Junge zu seiner Oma empor, die in drohender Haltung aufgerichtet vor ihm stand.

      »Das wirst du nicht tun!« erhob sie ihre Stimme. »Soll er sich bei seiner Heimkehr gleich ärgern müssen? Du gehörst zu uns, und alles andere schlag dir aus dem Kopf.«

      »Tu ich aber nicht! Hab ich alles schon mit meiner Mama besprochen!« rief Florian, der feuerrote Wangen bekommen hatte.

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