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er selbst zu se­hen schi­en.

      Trotz Aga­thes Auf­for­de­rung er­zähl­te er nichts von sei­ner Rei­se; was er drü­ben ge­tan und er­lebt habe, in­ter­es­sie­re sie ja doch nicht, sag­te er. Auch ver­such­te er kei­ne je­ner Ne­cke­rei­en, mit de­nen er sie sonst oft grau­sam zu quä­len pfleg­te – be­müh­te sich so­gar, freund­lich ge­gen sie zu sein. Aber die Ver­su­che ver­san­ken im­mer wie­der in ei­ner großen Gleich­gül­tig­keit, die sei­ne Hal­tung, jede sei­ner Be­we­gun­gen und vor al­lem sei­ne Stim­me be­herrsch­te. So schlepp­te sich das Ge­spräch trü­be und ge­zwun­gen, durch Pau­sen völ­li­gen Schwei­gens un­ter­bro­chen, wäh­rend des lan­gen Di­ners hin. Wie fremd sie sich ge­wor­den wa­ren, die sich doch einst so lieb ge­habt!

      Al­les ging wäh­rend des gan­zen Fest­ta­ges glatt und gut von stat­ten. Nur ein­mal hör­te die Tisch­ge­sell­schaft Frau Wu­trow von der Kü­che her mit dem Lohn­die­ner we­gen des großen Wein­ver­brauchs zan­ken. Ihr Ge­sicht trug, als sie wie­der her­ein­kam, vor Är­ger fast die Far­be ih­res rot und blau chan­gie­ren­den Sei­den­klei­des. Aber, wie ge­sagt, mit Aus­nah­me die­ses klei­nen Zwi­schen­falls war es eine idea­le Hoch­zeit.

      Die grü­ne Myr­ten­kro­ne saß Eu­ge­nie ta­del­los auf dem blon­den Kopf, der Braut­schlei­er fiel wohl zwei und einen hal­b­en Me­ter lang über die kö­nig­li­che Schlep­pe; Bei der Trau­ung hat­te er auch ihr Ant­litz ver­hüllt – das fand man so poe­tisch!

      Sie war fast die Mun­ters­te un­ter ih­ren Gäs­ten. Wal­ter da­ge­gen schi­en be­wegt und still.

      Nach dem Di­ner nahm Eu­ge­nie ih­ren Kranz vom Haupt und setz­te ihn On­kel Gu­stav auf. Die meis­ten fan­den die­sen Scherz sehr an­stö­ßig. Mit ei­nem Myr­ten­kran­ze spaßt man nicht. Der di­cke ro­sen­ro­te On­kel sah au­ßer­or­dent­lich ko­misch in dem un­er­war­te­ten Schmu­cke aus. Es war das ein­zi­ge Mal, dass Gref­fin­ger in ein lau­tes La­chen ver­fiel. Eu­ge­nie blick­te aus ih­ren Schlei­er­fal­ten wie aus leich­tem Ge­wölk zu ihm hin­über. Mit der rau­schen­den milch­wei­ßen Schlep­pe, das Cham­pa­gner­glas in der Hand, ging sie um den Tisch und stieß mit ihm an. Ihre Li­der wa­ren ge­senkt, und die gol­di­gen Wim­pern zit­ter­ten ein we­nig, wie die ei­nes Kin­des, das um Ver­zei­hung bit­ten möch­te. Sie hob sie zö­gernd, in ih­ren Au­gen lag eine sanf­te Bit­te. Aga­the hör­te, wie sie lei­se zu ihm sprach: »Auf gute Freund­schaft!« Er mach­te ihr eine tie­fe stei­fe Ver­beu­gung.

      Aga­the be­glei­te­te sie hin­aus, ihr beim Um­klei­den zu hel­fen, sie war auf­ge­reg­ter als die küh­le Braut, wel­che um­sich­tig die letz­ten An­ord­nun­gen für die Rei­se traf.

      Nach­dem das jun­ge Paar ab­ge­fah­ren war, zog sich Aga­the in Eu­ge­nies Schlaf­zim­mer zu­rück und blieb dort mit dem aus­ge­dien­ten Hoch­zeits­staat, der auf den Stüh­len um­her­lag, al­lein. Sie schluchz­te recht von Her­zen. End­lich trock­ne­te sie ihre Au­gen, wusch sich das Ge­sicht und ging wie­der in die un­te­re Eta­ge hin­ab.

      Die Ge­sell­schaft hat­te sich zer­streut, die Frem­de­ren wa­ren ver­schwun­den. Im Sa­lon fand Aga­the ihre El­tern und den al­ten Wu­trow müde und ein­sil­big zwi­schen ei­nem großen Krei­se von Ver­wand­ten sit­zen. Frau Wu­trow teil­te un­ter ihre Leu­te Ku­chen aus und be­gann das Sil­ber fort­zu­schlie­ßen. In dem Er­ker des Ess­saa­l­es hat­ten sich Cou­si­ne Mimi von Bär mit ih­rem Bru­der, Lis­beth Wend­ha­gen, die drit­te Braut­jung­fer, On­kel Gu­stav und der Pro­ku­rist des Ge­schäf­tes um einen Rest Bow­le ver­sam­melt. Jen­seits des lan­gen Kor­ri­dors, nach dem Gar­ten hin­aus lag Eu­ge­nies Bou­doir. Sie hat­te, als sie in den Wa­gen stieg, Aga­the ge­be­ten, dort ih­ren Schreib­tisch zu­zu­schlie­ßen und den Schlüs­sel in Ver­wah­rung zu neh­men. »Mama kramt sonst in al­len Schub­la­den her­um – Du bist dis­kre­ter, das weiß ich.«

      Mü­den, lei­sen Schrit­tes ging Aga­the, ihr Ver­spre­chen zu er­fül­len. Sie hob den Vor­hang. Da stand Gref­fin­ger, dem Ein­gang den Rücken wen­dend, ne­ben dem klei­nen Sofa, wo er oft mit den bei­den Mäd­chen ge­ses­sen und ver­gnüg­ten Un­sinn ge­schwatzt – er hat­te den Kopf in die wol­le­ne Fens­ter­gar­di­ne ge­wühlt – sei­ne brei­ten Schul­tern zuck­ten, Aga­the hör­te sein stoß­wei­ses rö­cheln­des Wei­nen. Be­stürzt stand sie vor die­sem Schmerz – zum ers­ten Mal sah sie die Lei­den­schaft, die ihre ei­ge­ne Ge­sund­heit still und rast­los un­ter­grub, bei ei­nem kräf­ti­gen Man­ne aus­bre­chen. Sie mach­te eine Be­we­gung – sie hät­te ihn gern in den Arm ge­nom­men und mit ihm ge­weint, ihn ge­strei­chelt und ge­trös­tet. In ih­rer Schwä­che fühl­te sie sich jetzt stär­ker als er – ein sol­ches Elend pass­te bes­ser zu ihr, als zu dem der­ben Gref­fin­ger.

      Aber sie wag­te nicht, ih­rem Wun­sche nach­zu­ge­ben und schlich vor­sich­tig zu­rück. Er hat­te sie nicht be­merkt.

      *

      Nach der Hoch­zeits­rei­se zo­gen die jun­gen Heid­lings in die obe­re Eta­ge des Wu­trow’­schen Hau­ses, die für sie mit mo­der­nen Ta­pe­ten, alt­deut­schen Öfen und Par­quet­fuß­bö­den neu her­ge­rich­tet wor­den war.

      Eu­ge­nie spiel­te nun ein rei­zen­des Haus­müt­ter­chen. Wal­ters Ka­me­ra­den fei­er­ten sie als das Mus­ter der deut­schen Of­fi­ziers­frau. Es bil­de­te sich ein Sport bei den jun­gen Her­ren aus: Heid­ling zum Dienst ab­zu­ho­len, nur um in der frü­hen Mor­gen­stun­de Eu­ge­nie in den neu­en Neg­ligés und dem ko­ket­ten Spit­zen­häub­chen an der Kaf­fee­ma­schi­ne zu se­hen und eine von ih­ren ge­schick­ten Hän­den schnell be­rei­te­te Tas­se Mok­ka im Ste­hen her­un­ter­zu­stür­zen.

      Abends konn­te man re­gel­mä­ßig ein bis zwei Lieu­ten­ants, auch wohl einen un­ver­hei­ra­te­ten Haupt­mann bei Heid­lings fin­den.

      Der fröh­li­che Ju­gend­ver­kehr zog nach Wal­ters Hei­rat ganz na­tür­lich zu den jun­gen Leu­ten hin­über. Man be­kam hier ein eben so gu­tes Abendes­sen und durf­te sich doch un­ge­nier­ter ge­hen las­sen, als un­ter den Au­gen des Re­gie­rungs­ra­tes.

      Aga­the war zwar von Eu­ge­nie ein für al­le­mal ein­ge­la­den, aber sie moch­te die El­tern nicht viel al­lein las­sen. Papa hat­te es gern, wenn sie vor­las. Manch­mal frei­lich war er auch zum Hö­ren zu an­ge­grif­fen und saß schweig­sam, ver­stimmt mit sei­ner Zi­gar­re in der So­fae­cke. Oder er muss­te auch noch ar­bei­ten und lieb­te es dann, von sei­nen Ak­ten auf­bli­ckend, durch die ge­öff­ne­te Tür ih­ren brau­nen lo­cki­gen Kopf un­ter dem Lam­pen­licht zu se­hen, wie sie der Mama half Wä­sche stop­fen. Das wa­ren ein­tö­ni­ge Aben­de. Aga­the konn­te die Ein­sam­keit, in der sie frü­her end­lo­sen, glück­li­chen Träu­me­rei­en nach­hing, nicht mehr gut er­tra­gen.

      Die El­tern hat­ten mit Wu­trows und den jun­gen Leu­ten zu­sam­men im Thea­ter abon­niert. Das Bil­let kam nur sel­ten an Aga­the – es war je­des Mal ein auf­re­gen­des Er­eig­nis. Frü­her hat­te sie nur Sinn und Be­geis­te­rung für Tra­gö­di­en ge­zeigt – das hat­te sich nun ge­än­dert. In den großen Dra­men gab es sel­ten Rol­len für die Nai­ve. Und nur wenn die Da­niel auf­trat, war Aga­the si­cher, Lutz im Thea­ter zu fin­den.

      Eu­ge­nie wuss­te das frei­lich ganz ge­nau, aber sie und ihr Mann zo­gen auch Lust­spie­le und Pos­sen vor, und bit­ten konn­te Aga­the nicht um ein Bil­let – nein – es war furcht­bar, wie sie sich schäm­te und fürch­te­te, um die­ser un­glück­se­li­gen Lie­be wil­len.

      Lutz

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