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hat­ten sei­ne Lei­che zum Fest­land hin­über­ge­ru­dert … »Das Meer glänz­te still im frü­hen Mor­gen­licht wie so eine kost­ba­re Perl­mut­ter­scha­le – und auf der grau­en Flur trieb ein großer Strauß blass­ro­ter Ro­sen an uns vor­über – wir sa­hen sie im­mer auf- und nie­der­schwan­ken, mit der Be­we­gung der Wel­len. Und der schwar­ze Sarg im Boot war ganz be­deckt mit Ro­sen …«

      *

      Aga­the lag lan­ge wach auf dem un­ge­wohn­ten La­ger, in dem ihr noch frem­den Raum.

      Sie hör­te das Mur­ren der Wo­gen zwi­schen Ca­pri und Nea­pel – sie sah die Ro­sen auf der sil­ber­nen Flut … Blut­ro­ter Sam­met ström­te über den Hochal­tar, En­gels­köp­fe um­gau­kel­ten sie … Und ein Sturm­wind vom Him­mel schau­er­te durch ihre See­le.

      *

      »Das Kind soll die alte Haupt­mann Gärt­ner be­su­chen, ihre Mut­ter kennt sie von frü­her. Ich will Mit­tag mit ihr hin­ge­hen. Du könn­test ’mal bei Lutz vor­spre­chen, Kas. Wir tref­fen uns dann.« So be­stimm­te Frau von Wo­szens­ka das Pro­gramm des Ta­ges.

      Aga­the ver­spür­te Lust, sich zu put­zen. Sie nahm ih­ren neu­en Rem­brand­tut aus dem Kof­fer. Der Hut stand ihr rei­zend. Papa hat­te ihn zu auf­fal­lend ge­fun­den, aber Mama hat ge­meint, für die Künst­ler­stadt wäre so et­was ge­ra­de das Rich­ti­ge. Doch Frau von Wo­szens­ka trug sich sehr ein­fach – bei­na­he schä­big sah sie aus in ih­rer schwar­zen Tri­kot­blu­se.

      Nein – Aga­the ge­nier­te sich … Frau von Wo­szens­ka wür­de sie für eine ober­fläch­li­che, eit­le Flie­ge hal­ten. Und man zog auch sei­ne bes­ten Sa­chen nicht so mir nichts dir nichts an, wenn man ge­ra­de ver­gnügt war, son­dern wenn die Ge­le­gen­heit es for­der­te. Die An­schau­ung war Aga­the nun ein­mal in Fleisch und Blut über­ge­gan­gen. Es tau­te über­dies und das Was­ser klatsch­te in großen Trop­fen von den schnee­be­deck­ten Dä­chern. Der Rem­brand­tut wan­der­te in den Kof­fer zu­rück und die Pelz­müt­ze wur­de auf­ge­setzt. Ganz nett sah sie ja so auch aus – wenn sie ein­mal nicht geist­reich und be­deu­tend sein konn­te, so war es doch recht an­ge­nehm, dass sie we­nigs­tens so ein hüb­sches Ge­sicht­chen hat­te. Frau von Wo­szens­ka tausch­te beim Früh­stück mit ih­rem Man­ne ganz bei­fäl­li­ge Be­mer­kun­gen über sie, ei­gent­lich ein biss­chen als wäre sie ein Bild, nicht ein le­ben­di­ger Mensch, der ei­tel wer­den konn­te. – – Merk­wür­dig lau war die Luft, ihre Win­ter­ja­cke wur­de Aga­the viel zu warm. Sie knöpf­te sie auf, denn sie hat­te schon so eine Freu­de, dass man sich hier in dem stil­len al­ten Städt­chen und bei Wo­szens­kis mehr ge­hen las­sen konn­te als zu Haus, wo man fort­wäh­rend Rück­sicht auf Pa­pas Stel­lung neh­men muss­te.

      Wäh­rend des Be­su­ches saß sie nach ei­ni­gen von ihr be­ant­wor­te­ten Fra­gen still und hör­te auf Frau von Wo­szens­kas Ge­spräch mit der al­ten Dame. Al­les, was Frau von Wo­szens­ka sag­te, war Aga­the span­nend und merk­wür­dig, wenn sie auch nur, wie eben jetzt, von Dienst­bo­ten sprach.

      »… Ja – ich woll­te mal ’ne So­li­de ha­ben. … Eine So­li­de!! sage ich zu Kas. Da neh­men wir eine, die ’n Kropf hat …«

      Das »R« wur­de mit Lei­den­schaft ge­schnarrt. »Und een’ Bu­ckel! Ei­nen or­dent­li­chen Bu­ckel! – So. – Am ers­ten Sonn­tag kommt das Frau­en­zim­mer: ist zum Mau­rer­ball ein­ge­la­den. Willst Du nicht vor­her es­sen? fra­ge ich. Da stellt sie sich vor mich hin und sagt so ganz von oben – von oben her­ab – über den Kropf weg: Ich dan­ke – die Her­ren trak­tie­ren! – Nun habe ich aber eine Schö­ne! Die kann ich doch zum Mo­dell brau­chen!« Laut und tri­um­phie­rend schlug sie auf den Tisch.

      Die Haupt­mann Gärt­ner mach­te ein Ge­sicht, als tue man ihr weh. Sie be­merk­te mit schwa­chem Lä­cheln, eine be­son­de­re Schön­heit kön­ne sie an Wo­szens­kis jet­zi­ger Kö­chin nicht fin­den – aber Künst­ler wä­ren in al­lem so ori­gi­nell.

      Frau von Wo­szens­ka grins­te mit der lus­ti­gen Moh­ren­frat­ze zu Aga­the hin­über. Sie ver­ab­schie­de­te sich höf­lich und ver­si­cher­te, ihr Mann war­te schon un­ten auf sie.

      Er kam aus der hö­he­ren Eta­ge und traf mit ih­nen auf der Trep­pe zu­sam­men.

      »Da hab’ ich ja nicht ’mal ge­lo­gen!« rief die Ma­le­rin.

      »Kommt doch einen Au­gen­blick her­auf, Lutz möch­te Dir sein Bild zei­gen. Das Ate­lier wird Fräu­lein Aga­the auch in­ter­es­sie­ren«, sag­te Wo­szen­ski.

      »Sie wird sich doch nicht ver­lie­ben?« flüs­ter­te Frau von Wo­szens­ka und mach­te stren­ge Au­gen. »Kind – lass das lie­ber – der da oben ist nichts für Dich.«

      Aga­the lä­chel­te, sie dach­te an Lord By­ron.

      Ein jun­ger Mann hielt den Vor­hang, durch den sie ein­tre­ten soll­ten, zu­rück und nahm den Hut ab. Er war schon zum Fort­ge­hen ge­rüs­tet und trug Über­schu­he, die für sei­ne schma­le, dürf­ti­ge Fi­gur viel zu groß und plump er­schie­nen. Die Be­we­gung, mit der er grüß­te und hin­ter sei­nen drei Gäs­ten den al­ten Go­be­lin fal­len ließ, war von ei­gen­tüm­lich zar­ter, lie­bens­wür­di­ger An­mut.

      X.

      Als Aga­the in ihr Gast­zim­mer­chen bei Wo­szens­kis zu­rück­kehr­te, schloss sie ei­lig die Tür hin­ter sich.

      Sie blieb einen Au­gen­blick ste­hen, sah er­staunt und ver­wirrt um­her. Plötz­lich fiel sie vor dem Bett auf die Knie, drück­te ih­ren Kopf in die Arme und blieb so eine lan­ge Wei­le, das Ge­sicht in den wei­ßen De­cken ver­bor­gen, ohne sich zu re­gen. Sie wein­te nicht. Ein hef­ti­ges, an­hal­ten­des Zit­tern lief durch ih­ren Kör­per. Dann war es, als ob die Luft ihr feh­le. Sie warf den Kopf in den Na­cken und blick­te mit ge­öff­ne­ten, be­ben­den Lip­pen em­por.

      »Ach Gott! Ach Gott – ach mein lie­ber Gott!«

      Un­ge­dul­dig zerr­te sie die Hand­schu­he ab, sprang auf, schleu­der­te ihre Müt­ze, ihre Ja­cke von sich und lief plan­los, die Au­gen mit Trä­nen ge­füllt, in dem en­gen Raum um­her.

      Sie blieb ste­hen …

      … Wie eine Er­schei­nung sah sie das Pro­fil – die Li­ni­en sei­nes Kop­fes vor sich in der Luft.

      All­mäh­lich er­blüh­te aus der Qual in ih­rem Ant­litz ein Lä­cheln, ein trun­ke­nes Leuch­ten der Au­gen. Tief aus der Brust rang sich seuf­zend der Atem, die Trä­nen quol­len und ran­nen klar über die glut­hei­ßen Wan­gen. Das Mäd­chen fal­te­te die Hän­de und sprach lei­se, fei­er­lich:

      »Ich lie­be ihn.«

      Er­schöpft saß sie auf dem Rand ih­res La­gers, press­te die ge­fal­te­ten Hän­de ge­gen die Brust und wie­der­hol­te ent­zückt:

      »Ich hab’ ihn lieb – ich hab’ ihn lieb …«

      So ver­sank sie in Träu­me. Wie war nur al­les ge­we­sen? – sie er­in­ner­te sich nicht mehr, was er mit ihr ge­spro­chen … Wie er den klei­nen schwar­zen Hut von dem hel­len Kopf ge­nom­men und ihr sei­nen Blick zu­ge­wandt – das wuss­te sie noch. Ja – hell und zart – mit sei­nen schlan­ken For­men, ein we­nig blass und müde um die Au­gen – so trat sei­ne Er­schei­nung wie hin­ter einen leich­ten Ne­bel, der al­les nur un­deut­lich er­ken­nen ließ, vor ihre Fan­ta­sie.

      Sie hat­ten we­ni­ge

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