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Strei­fen durch­zo­gen. Sie war auf dem Bil­de wie­der­ge­ge­ben, ein bron­ze­ner Amor sprang aus ih­ren Fal­ten.

      Aga­the wag­te zu sa­gen, sie möge Still­le­ben nicht lei­den – aber die­se Idee wäre lus­tig.

      Da sah er sie noch ein­mal schnell und flüch­tig an. »Ja? – Mei­nen Sie? Ich den­ke auch.«

      Sie hör­te, dass er Herrn von Wo­szen­ski »mein Freund Ham­let« nann­te und ihm riet, nach Mün­chen zu zie­hen. Hier wür­de er kein Mo­dell zu der Non­ne fin­den. »Das Nai­ve ist hier im­mer gleich roh!«

      Schüch­tern hat­te Aga­the sich in dem Ate­lier um­ge­se­hen. Eine klei­ne Chai­se­longue mit blau­em Sei­den­plüsch be­zo­gen – Kis­sen von ver­blass­tem, blu­men­durch­wirk­tem Da­mast auf gra­zi­ös ge­schweif­ten Stüh­len – al­les an­de­re war ein Ge­wirr von wei­chen, ein­schmei­cheln­den Far­ben – For­men – Stof­fen – Dun­kel­hei­ten, die durch alte Ra­die­run­gen und Bron­zen in die lich­te Ele­ganz ge­bracht wur­den. Die Ein­rich­tung un­ter­schied sich stark von dem her­ben Künstl­er­ge­schmack, der bei Wo­szen­ski herrsch­te.

      Nie­mals hat­te Aga­the der­glei­chen ge­se­hen. Aber in ihr tauch­te eine Erin­ne­rung auf, als habe sie da­von ge­träumt – als habe sie das al­les un­be­wusst ge­sucht.

      *

      Sie hob ihre Hand, die der Ma­ler beim Ab­schied flüch­tig ge­drückt – ein sü­ßes, lie­bes Ge­fühl war ihr in den Ner­ven ge­blie­ben. Zit­ternd nä­her­te sie sie den Lip­pen – es war kein Kuss, nur ein lei­ses, be­hut­sa­mes Ru­hen des Mun­des auf der Stel­le, die er be­rührt hat­te. –

      Ihr Stau­nen, von der längst er­war­te­ten, ge­fürch­te­ten, er­hoff­ten Ge­walt be­rührt, er­grif­fen, ein­gehüllt und ge­fan­gen zu sein, wich mehr und mehr ei­ner schel­mi­schen Neu­gier auf al­les, was nun fol­gen muss­te.

      Und die Fan­ta­sie mit ih­ren trü­ge­ri­schen Spie­ge­lun­gen ließ sie im Stich.

      Es gab für Aga­the nur noch zwei Men­schen auf der Welt. Sie muss­ten sich ver­ei­ni­gen, und das Ge­heim­nis der Ve­rei­ni­gung muss­te ihr ent­hüllt wer­den. Die Neu­gier wich auch von ihr. Sie war Ent­wei­hung.

      Das Mäd­chen stand mit­ten im Al­ler­hei­ligs­ten des Ge­fühls – sie war be­reit – wie Ju­lia be­reit war für den Ge­lieb­ten.

      *

      Wäh­rend des Mit­tags­mah­les streif­te Frau von Wo­szens­ka ih­ren Gast zu­wei­len mit auf­merk­sa­mem Blick. Aga­the aß kaum et­was. Auch am Abend nicht. Sie war sehr schweig­sam. Doch ein er­höh­tes Wohl­ge­fühl vi­brier­te in ihr. Das Blut klopf­te ihr mit stär­ke­rem Puls­schlag in den Adern, es schim­mer­te röt­li­cher, ge­sun­der durch die fei­ne Haut der Wan­gen. Ihr Gang hat­te et­was Frei­es, Leich­tes, sie trug den Kopf stol­zer und die brau­nen Haar­löck­chen flat­ter­ten keck um die Schlä­fe – um die klei­nen hei­ßen Ohren. Wenn das Mäd­chen ir­gend eine gleich­gül­ti­ge Ant­wort ge­ben soll­te, lä­chel­te sie den Fra­gen­den mit ei­nem schö­nen fro­hen Aus­druck an. Ju­gend und Le­ben spra­chen be­weg­lich aus ih­ren feucht­glän­zen­den Au­gen.

      *

      … Nein – das war ja nicht mög­lich Herr von Lutz konn­te sich nicht in dunk­ler Nacht aus himm­li­schen Hö­hen zu ihr nie­der­sen­ken, wie Amor die be­ben­de Psy­che fand … Auf der Trep­pe, die zu Wo­szens­kis Woh­nung führ­te, mach­te Aga­the es sich mit in­ni­ger Hei­ter­keit klar, dass Lutz die­sel­ben Stu­fen em­por­stei­gen müs­se, wenn er sie wie­der­se­hen wol­le. Da­bei be­schlich sie die ers­te ban­ge Fra­ge, ob das je ge­sche­hen wür­de.

      *

      Das Ge­dächt­nis für die­se Zeit ih­res Le­bens war spä­ter fast in ihr er­lo­schen. Sie hat­te kei­ne Erin­ne­rung mehr, wann das trun­ke­ne Glück sich in Ver­wun­de­rung, wann die Ver­wun­de­rung sich zu Angst und die Angst zu dump­fem, quä­len­dem Kum­mer sich wan­del­te.

      Es ge­sch­ah al­les nicht so, wie sie er­war­tet hat­te. Er kam nicht. Doch sie muss­ten sich ja wie­der­fin­den. Er war­te­te wohl auf eine Be­geg­nung, die ihm der Zu­fall brin­gen soll­te.

      Zwei­fel an dem Ein­druck, den sie emp­fan­gen hat­te, ka­men Aga­the nicht.

      Sie lieb­te ihn.

      All­mäh­lich be­gann sie zu ah­nen, dass Lie­be für ge­wis­se Na­tu­ren nicht Glück, son­dern Lei­den ist, und wenn sie nicht zum Hö­he­punk­te ge­sun­den Le­bens führt, zur Krank­heit wird, an der die Ju­gend zu Tode welkt.

      *

      In ei­nem Kon­zert sah Aga­the ihn un­er­war­tet dicht vor sich sit­zen. Sie hat­te ihn nicht ein­mal gleich er­kannt; dar­über war sie sehr er­schro­cken.

      Er trug den Kopf ein we­nig ge­neigt. Zu­wei­len wand­te er ihn mit der An­mut, die ge­ra­de die­se Be­we­gung bei ihm aus­zeich­ne­te, zu der Dame an sei­ner Sei­te und sprach ein lei­ses Wort.

      Aga­the war­te­te in er­sti­cken­der Span­nung, ob er sich aus sei­nem Stuhl um­dre­hen und ob sein Blick dann auf sie fal­len wer­de. Er tat es nicht. Er schi­en sehr hin­ge­nom­men von dem lei­sen, aber leb­haf­ten Ge­spräch, das er in den Pau­sen mit sei­ner Nach­ba­rin führ­te.

      Ein un­ge­mein zier­li­ches klei­nes We­sen war sie und trug ein schwar­zes Kleid mit win­zi­gen Per­len be­stickt, die leicht glit­zer­ten, so­bald sie sich be­weg­te. Dazu ein brau­nes Hüt­chen mit weißem Krepp.

      In der Form ih­res Kop­fes lag eine ge­wis­se Ähn­lich­keit mit der des Ma­lers, und auch in der Fär­bung ih­rer Haut, die nichts von dem ro­si­gen An­hauch ei­nes Blon­di­nen-Teints be­saß, son­dern an den mat­ten Ton des El­fen­beins er­in­ner­te.

      Aber Lutz hat­te ein rich­ti­ges Mär­chen­prin­zen­pro­fil – und sie zeig­te am Ende des Kon­zer­tes Aga­the ein drol­li­ges Näs­chen und einen brei­ten Mund.

      Nun er­kann­te Aga­the sie. Es war die Schau­spie­le­rin, die sie vor ein paar Ta­gen in ei­ner Kna­ben­rol­le be­wun­dert hat­te. Ihre af­fek­tier­te Gra­zie war die ei­ner klei­nen Ro­ko­ko­fi­gur aus ei­nem Fä­cher, des­sen Far­ben schon ein we­nig ver­blasst sind.

      Frau von Wo­szens­ka hat­te kei­nen Platz ne­ben Aga­the be­kom­men und saß meh­re­re Rei­hen wei­ter nach vorn. Als Aga­the beim Hin­aus­ge­hen nur noch durch ei­ni­ge Per­so­nen von ihr ge­trennt war, sah sie, wie Lutz zu ihr trat, um sie zu be­grü­ßen. Sein fei­nes ner­vö­ses Ge­sicht nahm einen lie­bens­wür­di­gen Aus­druck von Güte, ja von Ehr­furcht an. Wäh­rend er der Schau­spie­le­rin folg­te, be­merk­te er auch Aga­the und lüf­te­te noch ein­mal leicht den Hut. Er lä­chel­te, sei­ne Au­gen wa­ren träu­me­risch, die Erin­ne­rung der Mu­sik lag noch dar­in.

      »Ist Fräu­lein Da­niel mit Herrn von Lutz ver­wandt?« frag­te Aga­the Frau von Wo­szens­ka.

      »Nein – ich weiß nichts da­von – ich glau­be durch­aus nicht … Wa­rum?«

      »Weil sie sich ähn­lich se­hen.«

      »Ja – Du hast recht! Das ist doch när­risch! Sie ist sei­ne Freun­din. Ein ge­scheid­tes Frau­en­zim­mer!«

      *

      Wo­szen­ski zeich­ne­te Aga­the meh­re­re Male als Stu­die zu sei­ner No­vi­ze. Lutz habe ihn auf den Ge­dan­ken

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