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taten ihr Bestes, um Zweifel an den Berichten der Augenzeugen zu säen. Sie stellten infrage, ob die Augenzeugen überhaupt die Möglichkeit gehabt hatten zu beobachten, was vor sich ging. Doch sie scheiterten. Sie versuchten, Unstimmigkeiten in den Geschichten zu finden, doch die Berichte stimmten in den wesentlichen Punkten überein. Sie verlangten weitere Beweise, aber es waren eindeutig keine weiteren Beweise nötig.

      Sie stellten den Charakter der Augenzeugen infrage, aber das Opfer und die Zeugen waren gesetzestreue Jugendliche ohne Vorstrafen. Sie fragten, ob der eine Zeuge, ein neunjähriger Junge, alt genug sei, um zu verstehen, was es bedeutet, die Wahrheit unter Eid zu sagen, doch es war für alle klar ersichtlich, dass er es sehr wohl verstand.

      Die Anwälte der Verteidigung haben eine schwere Aufgabe: Sie müssen Fragen stellen, um Zweifel zu säen und um die unklaren und empfindlichen Punkte einer Zeugenaussage zu überprüfen. Dazu unterziehen sie die Aussage einer Reihe von Tests. Der dahinter stehende Gedanke ist, dass eine aufrichtige und genaue Aussage einer Überprüfung standhält, während falsche, übertreibende oder irreführende Aussagen identifiziert werden können.

      In Michaels Fall siegte die Gerechtigkeit, weil die Geschworenen sagen konnten, dass Opfer und Augenzeugen aufrichtig und präzise schilderten, was sie erlebt hatten.

      Kehren wir zu unserer Untersuchung der historischen Beweise für Jesu Existenz zurück. Es war an der Zeit, Blombergs Aussagen Tests zu unterziehen, die ihre Schwächen offenbaren oder sie untermauern würden. Viele dieser Tests wurden auch vor vielen Jahren in Michaels Fall angewendet.

      „Ich möchte mit Ihnen acht verschiedene Tests durchführen“, sagte ich zu Blomberg, als wir uns nach einer Pause von 15 Minuten wieder gesetzt hatten.

      Blomberg nahm eine frische Tasse mit dampfendem schwarzen Kaffee und lehnte sich zurück. Ich war mir nicht ganz sicher, aber es schien, als ob er sich auf die Herausforderung freute.

      „Fangen Sie an“, sagte er.

      1. Die Frage nach der Absicht

      Ziel dieses Testes ist es zu bestimmen, ob es die erklärte oder indirekte Absicht der Autoren war, Geschichte exakt wiederzugeben oder zu bewahren. „Waren diese Autoren des ersten Jahrhunderts überhaupt daran interessiert, genau zu berichten, was damals geschehen ist?“, fragte ich.

      Blomberg nickte. „Ja“, sagte er. „Das können Sie am Anfang des Lukas-Evangeliums sehen, der sich genau so liest wie andere anerkannte historische und biografische Werke der Antike.“

      Er nahm seine Bibel zur Hand und las die ersten Verse des Lukas-Evangeliums.

      „Schon viele haben es unternommen, einen Bericht über all das abzufassen, was sich unter uns ereignet und erfüllt hat. Dabei hielten sie sich an die Überlieferung derer, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes waren. Nun habe auch ich mich entschlossen, allem von Grund auf sorgfältig nachzugehen, um es für dich, hochverehrter Theophilus, der Reihe nach aufzuschreiben. So kannst du dich von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen, in der du unterwiesen wurdest“ (Lukas 1,1–4).

      „Wie Sie sehen“, fuhr Blomberg fort, „lässt Lukas von vornherein keinen Zweifel daran, dass es seine Absicht ist, präzise über die Dinge zu berichten, die er untersucht hat und die durch verschiedene Zeugen gestützt werden.“

      „Und was ist mit den anderen Evangelien?“, fragte ich. „Sie fangen nicht mit ähnlichen Absichtserklärungen an. Bedeutet das, dass die Autoren nicht dieselbe Absicht verfolgt haben?“

      „Es stimmt, dass bei Markus und Matthäus diese konkrete Erklärung fehlt“, antwortete Blomberg. „Doch sind sie, was das literarische Genre anbelangt, Lukas sehr ähnlich und man kann annehmen, dass Lukas’ historische Absicht ihre Absicht spiegelt.“

      „Und Johannes?“, fragte ich.

      „Die einzige andere Absichtserklärung in den Evangelien findet sich im Johannes-Evangelium, Kapitel 20, Vers 31: ‚Diese [die Zeichen] aber sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Messias ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen.‘“

      „Aber das“, wandte ich ein, „klingt eher nach einer theologischen Aussage als nach einer historischen.“

      „Da gebe ich Ihnen recht“, erwiderte Blomberg. „Aber wenn Sie überzeugt genug sein wollen, um zu glauben, dann muss die Theologie einer akkuraten Geschichtsschreibung entspringen. Davon abgesehen gibt es hier einen wichtigen indirekten Beweis, den man nicht übersehen darf. Denken Sie daran, wie die Evangelien geschrieben sind – sehr schlicht und seriös, mit genauen Details, mit offensichtlicher Sorgfalt und Genauigkeit. Ihnen fehlen die eigenwilligen Ausschmückungen und offensichtlichen Mythologisierungen, die man in vielen anderen antiken Schriften findet.

      Und wohin führt uns das?“, fragte er, um seine Frage gleich darauf selbst zu beantworten: „Es scheint, dass die Autoren der Evangelien die klare Absicht hatten, das aufzuzeichnen, was tatsächlich passiert war.“

      Einwände

      Doch was ist wirklich passiert? Es gibt einige Kritiker, die ein ganz anderes und widersprüchliches Bild zeichnen.

      Sie vertreten die Ansicht, dass die ersten Christen überzeugt waren, dass Christus zu ihren Lebzeiten wiederkommen würde, um die Geschichte zu vollenden. Deshalb war es für sie nicht notwendig, irgendwelche historischen Berichte über sein Leben oder seine Lehren zu bewahren. Warum sich darum kümmern, wenn er sowieso jederzeit kommen und der Welt ein Ende machen konnte?

      „Als es also“, sagte ich, „Jahre später offensichtlich wurde, dass Jesus doch nicht so bald kommen würde, merkten sie, dass sie kein genaues historisches Material hatten, auf das sie sich beim Schreiben der Evangelien stützen konnten. Es gab keine Aufzeichnungen zu historischen Zwecken. Kann es nicht so gewesen sein?“

      „Es gibt sicher Sekten und Gruppen, auch religiöse Gruppen, bei denen dieses Argument zutrifft. Aber nicht bei den ersten Christen“, antwortete Blomberg.

      „Warum nicht?“, wollte ich wissen. „Was war bei den ersten Christen so anders?“

      „Erstens denke ich, dass die Grundvoraussetzung etwas übertrieben ist. In der überwiegenden Zahl der Lehren Jesu ist von einer längeren Zeitspanne bis zum Ende der Welt die Rede“, erklärte er. „Aber zweitens, selbst wenn einige der Nachfolger Jesu dachten, er würde sehr schnell wiederkommen, darf man trotzdem nicht vergessen, dass das Christentum aus dem Judentum heraus entstanden ist.

      Acht Jahrhunderte lang lebten die Juden mit der Spannung zwischen den Ankündigungen der Propheten, dass der Tag des Herrn nahe war, und der Tatsache, dass die Geschichte des Volkes Israel weiterging. Und selbst die Nachfolger der Propheten sammelten, bewerteten und bewahrten die Worte der Propheten. Wenn man davon ausgeht, dass die Nachfolger Jesu ihn für mehr als einen bloßen Propheten hielten, scheint es nur vernünftig zu sein, dass sie es genauso machen würden.“

      Auch wenn dies einleuchtend schien, hatten einige Wissenschaftler einen weiteren Einwand erhoben, mit dem ich Blomberg konfrontieren wollte. „Man sagt, dass die ersten Christen häufig glaubten, dass der körperlich gestorbene Jesus durch sie mit Botschaften oder ‚Prophetien‘ zu ihrer Kirche sprach“, sagte ich. „Da diesen Prophetien genauso viel Autorität zugebilligt wurde wie Jesu eigenen Worte, die er zu seinen Lebzeiten auf der Erde gesprochen hatte, unterschieden die ersten Christen nicht zwischen diesen neuen Botschaften und den echten Worten des historischen Jesus. Das Ergebnis war, dass die Evangelien diese zwei Arten von Material mischten und wir heute nicht mehr genau unterscheiden können, was auf den historischen Jesus zurückgeht und was nicht. Das ist für viele Leute ein nicht unerheblicher Anklagepunkt. Was sagen Sie dazu?“

      „Dieses Argument hat noch weniger historischen Rückhalt als das erste“,

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