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war die einzige, auf die Anneka in diesem Moment reagierte.

      »Wenn ich damit zwei Menschen wieder glücklich machen kann, dann will ich es wenigstens versuchen«, erklärte sie im Brustton der Überzeugung. »Aber die machen mich alle voll nervös.« Danny, Tatjana und Oliver redeten immer noch wild durcheinander. »Kannst du ihnen nicht was zur Beruhigung geben?«

      »Tut mir leid, das ist nicht erlaubt«, lachte Fee, als sie durch die Glastür hindurch sah, wie Natascha in Richtung ihres Büros ging. »Es geht los!«, erklärte sie leise, und schlagartig verstummten die aufgeregt schnatternden Stimmen.

      Wie auf Kommando sank Anneka in die Kissen und schnitt eine schmerzverzerrte Grimasse.

      »Au, aua«, wimmerte sie so überzeugend, dass sogar Danny staunte.

      »Alle Achtung. Dieses schauspielerische Talent hatte ich dir gar nicht zugetraut.«

      Vergnügt zwinkerte Anneka ihm zu, ehe Fee das Bett mit ihrer Tochter anschob.

      »Ich hab solche Schmerzen. Bitte helfen Sie mir!«, fuhr Anneka auf dem Flur der Pädiatrie mit ihrer Leidenstirade fort. Wie geplant steckte Natascha fast sofort den Kopf aus ihrem Zimmer.

      »Ach, Kollegin Nitz, gut, dass Sie hier sind«, rief Fee ihr schon von Weitem zu. »Diese junge Patientin leidet offenbar unter Herzbeschwerden.«

      Sofort war Natascha zur Stelle. Fee zwinkerte ihrer Tochter noch einmal zu, ehe sie sie an die Kollegin übergab.

      »Sie sind ja hier die Spezialistin. Vielleicht können Sie sich das mal ansehen«, bat sie Natascha engelsgleich lächelnd und trat zur Seite.

      »Natürlich«, stimmte die ahnungslose Kinderärztin zu und beugte sich über Anneka. »Wo tut’s denn weh?«

      »Hier. In der Brust. Es sticht so furchtbar«, jammerte Anneka, sodass sogar Natascha alarmiert war.

      »Wir bringen sie in Behandlungsraum 2. Blutdruck, Blutprobe und EKG«, ordnete sie die nötigen Untersuchungen an und lief neben Annekas Bett her.

      »Ich hole schnell die nötigen Sachen«, entschuldigte sich Fee und schloss die Tür hinter sich. Unvermittelt waren Natascha und Anneka allein.

      »Dann erzähl mal, wie das alles angefangen hat«, nutzte die Ärztin die Gelegenheit zu einer gründlichen Anamnese.

      Anneka konzentrierte sich und dachte an etwas Trauriges. Tatsächlich schimmerten gleich darauf Tränen in ihren Augen.

      »Mein Freund hat heute Mittag mit mir Schluss gemacht«, schluchzte sie so verzweifelt auf, dass Natascha keinen Zweifel an der Aufrichtigkeit ihrer Worte hatte. »Da ging es auf einmal los. Plötzlich hatte ich ganz furchbare Brustschmerzen und hab keine Luft mehr bekommen.«

      Ungläubig schüttelte Natascha den Kopf.

      »Das klingt ganz nach einem Broken-Heart-Syndrom«, murmelte sie vor sich hin. »Aber bist du dafür nicht noch ein bisschen zu jung?«

      »Broken-Heart-Syndrom … Das hat der Arzt in der Notaufnahme auch gesagt«, fuhr Anneka mit vor Aufregung wirklich wild schlagendem Herzen fort. Es lief alles nach Plan. Natascha reagierte genauso, wie Oliver es vorausgesehen hatte.

      »Kennt dieser Kollege diese Erkrankung denn?«, erkundigte sich die Ärztin sichtlich verwundert, während sie alle Utensilien für eine Blutabnahme bereitlegte. Es kam nicht allzu häufig vor, dass ein Patient mit dieser spontan einsetzenden, stressbedingten Funktionsstörung des Herzmuskels eingeliefert wurde. Obwohl diese Störung oft ohne bleibende Schäden wieder verschwand, war die Gefahr ernster Komplikationen in den ersten Stunden hoch.

      »Ausgerechnet heute wurde ein Mann hier in die Klinik eingeliefert. Der hatte gestern eine Panikattacke und hat seine Braut vor dem Standesamt stehen gelassen hat«, keuchte Anneka so glaubwürdig wie möglich. »Ich bekomme so schlecht Luft … Der Arzt hat bei ihm genau dieses Syndrom festgestellt. Und dann bin auch noch ich gekommen. Er hat sich ganz schön gewundert über diesen Zufall … aua, es tut so weh …«

      Natascha, die Anneka den Rücken zugewandt hatte, erstarrte unter ihren Worten. Anneka bemerkte es mit einer Mischung aus Mitgefühl und Genugtuung. Es fehlte nicht mehr viel, und sie hatte ihr Ziel erreicht.

      »Stimmt es, dass man an so einem Syndrom sterben kann?«, fragte sie kläglich. »Das hat der Arzt nämlich auch noch gesagt. Aber ich will doch noch nicht sterben.«

      In diesem Augenblick öffnete sich die Tür, und Mario kam wie abgesprochen herein.

      »Frau Dr. Norden hat mich informiert. Kann ich irgendwie helfen?«

      Natascha fuhr herum und starrte ihren Chef an. Die Gedanken in ihrem Kopf überschlugen sich. Der Mann, der eingeliefert worden war, konnte nur Oliver sein. Plötzlich war die Sache sonnenklar. Worauf wartete sie eigentlich noch?

      »Können Sie hier übernehmen? Wir brauchen ein EKG und ein Blutbild«, fragte sie hastig und streifte die Handschuhe von den schlanken Fingern. »Ich muss mich um einen dringenden Notfall kümmern. Bin in zehn Minuten wieder hier.«

      Natascha wartete gar nicht erst auf eine Reaktion von Mario, sondern stürzte an ihm vorbei aus dem Behandlungsraum. Als sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, stieß Anneka einen Stoßseufzer der Erleichterung aus.

      »Puh!« Sie hob den Arm und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. »Ich dachte gar nicht, dass krank sein so anstrengend ist.«

      Mario lachte belustigt auf.

      »Dann sieh zu, dass du immer gut auf dich aufpasst und dir die richtigen Männer aussuchst, die dir keine Herzschmerzen verursachen.« Doch schon wanderten seine Gedanken weiter. »Aber jetzt sollten wir Oliver die Daumen drücken. Hoffentlich geht sein Plan auf.«

      *

      Atemlos stürzte Natascha über den Flur. Auf diesen Moment hatten Tatjana und Danny nur gewartet und traten aus der Nische hinaus auf den Gang. Keuchend hielt die Ärztin inne.

      »Tatjana? Was machst du denn hier?«, fragte sie verdutzt.

      »Es geht um Oliver.«

      »Dann weißt du auch schon, dass er hier ist?« Natascha wirkte so verzweifelt, dass Tatjana augenblicklich ein schlechtes Gewissen hatte.

      »Ja, ich weiß, dass er hier ist. Und er muss unbedingt mit dir sprechen.« Zum Glück war wenigstens das keine Lüge.

      »Ich verzeihe ihm«, entfuhr es Natascha. »Die Sache mit der Hochzeit … ich meine … ist ja kein Wunder, dass er Angst hatte vor so einem einschneidenden Schritt. Ehrlich gesagt war mir auch mulmig zumute. Natürlich war es blöd für mich, dass er davongelaufen ist. Aber es ist kein Grund für mich, Schluss mit ihm zu machen. Er ist doch immer noch der Mann, den ich über alles liebe. Mit dem ich mein Leben verbringen will. Wenn er nur nicht stirbt …« Hilflos brach Natascha ab. Tränen standen ihr in den Augen, und ihr Blick war verschwommen, sodass sie den Mann, der hinter Tatjana und Danny auftauchte, nicht recht erkennen konnte.

      »Von Sterben kann keine Rede sein«, erklärte Oliver mit vor Aufregung heiserer Stimme. »Jetzt nicht mehr. Jetzt, da ich weiß, dass du mir verziehen hast. Natascha, das war die schönste Liebeserklärung, die du mir machen konntest. Willst du meine Frau werden?«

      Es dauerte einen Moment, bis Natascha begriff, wer da leibhaftig vor ihr stand.

      »Oliver?« Mit einem leisen Aufschrei stürzte sie in seine Arme und klammerte sich an ihn wie eine Ertrinkende. Als er sie küsste, seufzte sie leise und gab sich ganz diesem für immer verloren geglaubten Gefühl hin.

      Doch der magische Moment verging, und nach einer Weile lösten sie sich voneinander. Natascha fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. Dass dabei ihr Make-up verwischte, kümmerte sie in diesem Moment überhaupt nicht. Wie erwartet und von Tatjana und Danny befürchtet, tauchten die ersten Fragen auf. »Aber … aber was tust du hier? Solltest du nicht im Bett liegen?«, fragte sie skeptisch.

      »Keine Angst. Mir geht es schon viel besser«, versicherte Oliver, als ihr ein

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