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ist.«

      Marikas Augen weiteten sich vor Schreck.

      »Muss ich operiert werden?«, hauchte sie tonlos. Ihr Gesicht war fast so weiß wie das Kissen, auf dem ihr Kopf lag.

      »Nein!« Diesmal war es Danny, der auch einmal mit seinem Wissen glänzen wollte. »Bei der perkutanen Leberbiopsie wird der rechte Leberlappen nach lokaler Betäubung von Haut, Bauchfell und Leberkapsel punktiert. Davon merkst du so gut wie gar nichts«, erklärte er wie aus der Pistole geschossen. Jenny und Daniel tauschten überraschte Blicke, als er fortfuhr: »Im Übrigen erfolgt die Punktion in Rückenlage. Die geeignete Punktionsstelle wird vorher mithilfe einer Ultraschalluntersuchung festgelegt. Um Komplikationen wie Nachblutungen zu vermeiden, werden Bettruhe, Nahrungskarenz und regelmäßige Kontrollen von Herzfrequenz und Blutdruck verordnet.«

      »Hört, hört, das klingt ja wie aus dem Lehrbuch«, lobte Jenny Behnisch die Kenntnisse des jungen Arztes.

      Daniel grinste verschmitzt.

      »Der junge Mann hat sich ja auch vorgenommen, seine Doktorarbeit über Hepatitis C zu schreiben«, erklärte er und zwinkerte seinem Sohn gutmütig zu. Inzwischen hatte er natürlich den Grund für diese Behauptung durchschaut.

      »Ach, wirklich?«, hakte Jenny interessiert nach. »Dann ist es also jetzt wirklich so weit?«

      »Ähm, ja, ich denke schon!«, stotterte Danny verlegen. Mit dieser Bemerkung hatte sein Vater ihn in einen echten Erklärungsnotstand gebracht. Da er es aber nicht wagte, Daniel zu widersprechen, fügte er sich wohl oder übel in sein Schicksal. »Hepatitis C und andere Erkrankungen der Leber fand ich schon immer wahnsinnig spannend.«

      »Komisch, das wusste ich ja gar nicht«, gab Jenny verwundert zurück und machte sich dann daran, alles für die bevorstehende Punktion vorzubereiten.

      Marikas Zustand war durchaus besorgniserregend, und sie wollte sich so schnell wie möglich endgültige Sicherheit verschaffen über die Art der Erkrankung und die weiteren Behandlungsschritte, die nötig waren, damit die junge Frau bald wieder gesund wurde und ihr Spätfolgen wie eine Leberzirrhose oder gar ein Leberkarzinom erspart blieben.

      *

      »Stellen Sie sich vor, es ist mir tatsächlich gelungen, drei Liana Turaschwilis in München ausfindig zu machen«, rief Wendy und wedelte mit eine Stück Papier, kaum dass die beiden Ärzte an diesem Nachmittag die Praxis betraten.

      Sie hatten Marika in der Obhut der Kollegen zurückgelassen, die an diesem Nachmittag die notwendigen Untersuchungen durchführen würden.

      »Habe ich Ihnen schon mal gesagt, dass Sie eine Wucht sind, Wendy?«, fragte Daniel Norden zufrieden und nahm ihr den Zettel aus der Hand.

      »Zumindest kann ich mich nicht daran erinnern.« Wendys Wangen glühten vor Freude, und ihre Freundin und Kollegin Janine hätte am liebsten ein Foto gemacht. Da sich aber die Patienten im Wartezimmer drängten, gab es keine Zeit zu verlieren.

      »Bevor Sie sich aber auf die Suche machen können, müssten Sie sich um die Herrschaften dort drüben kümmern«, machte sie ihren Chef leise aufmerksam und blickte in Richtung des Wartezimmers.

      »So viele?«, entfuhr es Danny, der ihrem Blick gefolgt war.

      Unwillig schüttelte Wendy den Kopf.

      »Wir haben ohnehin nur die dringenden Fälle dabehalten. Alle anderen haben wir angerufen, um die Termine zu verschieben«, erklärte sie tadelnd.

      »Schon gut, schon gut.« Abwehrend hob Danny die Hände. Bevor er wieder etwas falsch machen konnte, schnappte er sich die obenliegende Patientenkarte von seinem Stapel und verschwand in Richtung Wartezimmer, um sich an die Arbeit zu machen.

      »Und wer wartet auf mich?«, erkundigte sich Daniel.

      »Herr Ostermann«, klärte Janine ihn auf. »Ich glaube, er ist sehr nervös, was seine Diagnose betrifft.«

      »Zum Glück muss ich ihm wenigstens nicht noch einmal Blut abnehmen«, seufzte Daniel. »Ich hätte nicht gewusst, wie ich ihm das erklären soll.« Das, was er Herrn Ostermann zu sagen hatte, war auch so schon unerfreulich genug.

      »Wie fühlen Sie sich heute?«, eröffnete er das Gespräch mit einer freundlichen Frage.

      Doch statt die Frage zu beantworten, lächelte Michael Ostermann seinen Arzt milde an.

      »Warum länger als nötig um den heißen Brei herumreden?«, fragte er. »Sie können mir ruhig sagen, dass mir nicht mehr viel Zeit bleibt.«

      Mit dieser Prognose verwunderte er seinen Arzt.

      »Wie kommen Sie denn auf diese Idee?«, hakte Daniel verblüfft nach. So schnell konnte sich also eine ernste Diagnose in eine halbwegs gute Nachricht verwandeln. »Davon kann keine Rede sein.«

      »Nicht?« Erstaunt legte Michael Ostermann den Kopf schief. »Ich war überzeugt davon, Krebs zu haben.«

      »Da haben Sie sich zum Glück geirrt. Sie leiden unter einer sehr seltenen Autoimmunerkrankung der Leber, die in neunzig Prozent der Fälle Frauen betrifft«, setzte Dr. Norden zu einer Erklärung an. »Sie nennt sich Primär Biliäre Zirrhose und verläuft von Patient zu Patient sehr unterschiedlich. Es gibt beispielsweise eine Untergruppe mit mildem Verlauf, bei der innerhalb von zwanzig Jahren nach der Erstdiagnose kaum Veränderungen in der Leber festzustellen waren«, erläuterte Daniel Norden anhand eines Schaubildes. »Bei anderen Patienten schreitet die Krankheit schneller voran, lässt sich aber durch eine geeignete Therapie günstig beeinflussen.«

      Michael Ostermann hatte den Ausführungen seines Arztes aufmerksam gelauscht.

      »Aber das sind ja dann gar keine so schlechten Nachrichten«, stellte er sichtlich überrascht fest.

      Daniel lächelte.

      »Na ja, manche Patienten würden das anders sehen. Aber ich bin natürlich froh, dass Sie so entspannt sind.«

      »Ich dachte schon, mein letztes Stündlein hätte geschlagen.«

      »Das können Sie sich getrost abschminken.« Erleichtert über die Haltung seines Patienten erläuterte Daniel Norden die weitere Vorgehensweise, angefangen von einem kurzen Klinikaufenthalt zur gründlichen Untersuchung bis hin zur Entscheidung über eine geeignete Therapie. »Falls sich der Anfangsverdacht erhärtet, werden Sie den Rest Ihres Leben Medikamente nehmen müssen«, warnte er seinen Patienten vorsichtshalber. Doch auch das war für Michael Ostermann kein Problem.

      »Essen muss ich ja auch jeden Tag. Und schlafen«, lachte er heiter, als er sich von Daniel verabschiedete. »Da werden mich ein paar Pillen sicher nicht umbringen.«

      »Ganz im Gegenteil, Herr Ostermann, ganz im Gegenteil!«, versicherte Daniel Norden und sah dem alten Herrn nach, wie er frohgemut den Klinikflur hinunter in Richtung Tresen marschierte. Durch die Tür seines Behandlungszimmers hörte er wenig später, wie Wendy belustigt auflachte, und schmunzelnd kehrte er an seinen Schreibtisch zurück.

      *

      Als der geflohene Bräutigam Oliver an diesem Abend vor seiner eigenen Wohnungstür stand, klopfte ihm das Herz bis zum Hals. Er klingelte und hielt die Luft an. Doch nichts geschah. Kein Geräusch drang aus der Wohnung zu ihm, und so zog er schließlich seinen Schlüssel aus der Tasche und schloss auf.

      »Natascha?« Sie hatten die Wohnung erst vor kurzem bezogen, und seine Stimme hallte in dem noch spärlich eingerichteten Flur. »Bist du hier?« Wie erwartet, bekam er keine Antwort und wusste nicht, ob er erleichtert oder bedrückt sein sollte. Gedankenverloren wanderte Oliver durch die verlassenen Zimmer. Als er Nataschas Brautkleid auf dem Bett liegen sah, schluckte er. Er sah es zum ersten Mal, und ihm stockte der Atem. Bestimmt hatte Natascha wunderschön darin ausgesehen.

      »Und ich hab alles kaputt gemacht!«

      Fast zärtlich streichelte er über den seidigen Stoff und wünschte sich, die Zeit zurückdrehen zu können. Doch es nützte alles nichts, und Oliver besann sich schließlich darauf, was getan werden musste. Da er nicht wusste, ob er in absehbarer Zeit hierher

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