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Doch da war es schon zu spät.

      »Dich!«, erklärte Danny im selben Augenblick und umfasste mit einer Hand ihren Hinterkopf. Gleich darauf fühlte sie seine warmen Lippen auf den ihren. Zuerst wollte Tatjana sich wehren. Doch angesichts seiner Leidenschaft fiel ihr Widerstand in sich zusammen wie ein Kartenhaus, und fast bedauerte sie es, als er sich nach einer gefühlten Ewigkeit von ihr löste. Das Lächeln in seinem Gesicht war zärtlich. »Bist du mir noch böse?«

      »Wenn du glaubst, du kommst so leicht davon, hast du dich getäuscht«, schützte Tatjana Härte vor. Doch es gelang ihr nicht, ihre Erleichterung vor ihm zu verbergen. Erst jetzt, da sie ihn wieder hatte, wurde ihr bewusst, wie schmerzlich sie ihn vermisst hatte.

      »Wollt ihr nicht langsam mal vom kalten Boden aufstehen?«, wurden sie schließlich von einer ungeduldigen Stimme aus der Versunkenheit gerissen.

      Erschrocken rappelte sich Tatjana vom Boden hoch.

      »Oh, Oli, tut mir leid. Ich hab dich völlig vergessen.«

      »Das ist mir auch schon aufgefallen«, bemerkte er zerknirscht. »Dafür hat mich Dannys Schauspieleinlage auf eine Idee gebracht, wie ich Natascha vielleicht doch noch überzeugen kann, mich zu heiraten. Oder wenigstens bei mir zu bleiben.«

      Die Passanten, die dem Paar sichtlich amüsiert zugesehen hatten, waren weitergegangen. Auch Danny war inzwischen vom Boden aufgestanden. Verständnislos sah er Oliver an.

      »Moment mal, ich dachte, ihr habt heute geheiratet.«

      Bevor ihr bester Freund auf diese Bemerkung antworten konnte, hakte sich Tatjana links und rechts bei den beiden Männern unter.

      »Scheint, als hätten wir viel zu erzählen. Aber das machen wir lieber bei ein paar leckeren Pizzataschen. Wer ist dabei?«

      Auf Zustimmung brauchte sie nicht lange zu warten, und vergnügt machte sich das Trio auf den Weg in die kleine Studentenwohnung, um sich zu stärken, nebenbei die spannenden Neuigkeiten auszutauschen und Pläne zu schmieden.

      *

      »So, das war doch gar nicht so schlimm, oder?«, fragte Fee Norden ihren kleinen Patienten und klebte ein Pflaster auf die kleine Einstichwunde, als es an der Tür klopfte. Der Junge nickte, und Fee stand auf, um ihn zurück auf sein Zimmer zu bringen und bei dieser Gelegenheit nachzusehen, wer sie um diese Uhrzeit – es war kurz vor Dienstschluss – noch sprechen wollte.

      »Dan, das ist ja eine Überraschung!«, begrüßte sie ihren Mann freudig und sah hinunter zu dem kleinen Jungen an ihrer Hand. »Schau mal, das ist dein Namensvetter.«

      Der kleine Daniel musterte den großen Daniel.

      »Der ist aber ganz schön groß«, stellte er staunend fest. »Und kostbar ist er auch noch.« Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zum Krankenzimmer.

      »So groß wirst du bestimmt auch mal«, erwiderte Daniel amüsiert und ein bisschen geschmeichelt. »Aber wieso denkst du denn, dass ich kostbar bin?«

      Der Fünfjährige legte den Kopf schief. »Weil du silberne Haare hast.« Mit kindlichem Ernst deutete er auf Daniel Nordens silbergraue Schläfen. Nur mit Mühe konnte sich Fee ein amüsiertes Lachen verkneifen. »So was will ich auch mal haben.«

      »Dann gehst du jetzt ganz schnell ins Bett und isst dein Abendbrot, damit du bald wieder ganz gesund bist. Dann hast du gute Chancen, noch kostbarer zu werden, als du es ohnehin schon bist«, versprach die Ärztin gerührt und half dem Jungen ins Bett. Sie nahm den Deckel von dem Tablett und schob den Nachttisch zurecht, sodass der kleine Daniel bequem essen konnte.

      »Hmmm, leckerer Grießbrei«, bemerkte Daniel Norden. »Das ist mein Lieblingsessen.«

      »Echt?«, fragte der kleine Junge skeptisch und schob vorsichtig einen Löffel in den Mund. Nach dem ersten Bissen erhellte sich seine Miene. »Ich glaub, das ist ab heute auch mein Lieblingsessen«, verkündete er gleich darauf mit vollen Backen.

      »Dann haben wir ja noch was gemeinsam. Guten Appetit!« Lächelnd verabschiedete sich das Ehepaar Norden von dem kleinen Patienten und trat hinaus auf den Flur.

      »Seit wann ist Grießbrei denn dein Lieblingsgericht?«, fragte Fee ungläubig, kaum dass die Tür leise hinter ihnen ins Schloss gefallen war. »Ich dachte, damit kann man dich jagen.«

      »Hast du sein Gesicht nicht bemerkt, als er den Grießbrei gesehen hat?«, fragte Daniel und nahm die Hand seiner Frau. »Das war ein kleiner psychologischer Trick. Das solltest du als angehende Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie doch wissen.« Grinsend zog er ihre Hand an seine Lippen und küsste sie.

      »Im Gegensatz zu dir arbeiten wir hier nicht mit unlauteren Mitteln«, erwiderte Felicitas nicht ganz ernst. »Aber jetzt raus mit der Sprache. Warum bist du hier? Doch nicht etwa, um mir die hohe Schule der Psychologie beizubringen.«

      »Stimmt«, gab Daniel zu, während er seine Frau in ihr Büro zurückbegleitete. »Ich habe eine Mission und wollte dich fragen, ob du mich begleitest.« Er zog Wendys handgeschriebenen Zettel aus der Tasche und wedelte damit vor Fees Nase herum. Sie schnappte danach und las die Adressen, die darauf notiert waren.

      »Was ist das?«, fragte sie und gab ihm den Zettel zurück. Hinter­einander betraten sie ihr Büro.

      »In jeder dieser Straßen Münchens wohnt eine Liana Turaschwili. Wir müssen herausfinden, welche von ihnen Marikas Tante ist.«

      »Und dabei soll ich dich begleiten?« Inzwischen hatte Felicitas ihre Papiere geordnet und den Computer ausgeschaltet und heruntergefahren.

      Daniel half ihr in den Mantel.

      »Du wirst es nicht bereuen!«, versprach er dicht an ihrem Ohr und küsste ihren Hals.

      Fee kicherte wie ein Teenager und drehte sich übermütig zu dem Mann um, mit dem sie schon ein gefühltes Leben zusammen war, der es aber immer noch verstand, ihr eine Gänsehaut auf den Rücken zu zaubern.

      »Da bin ich aber mal gespannt.« Sie hakte sich bei ihm unter und trat gut gelaunt auf den Flur hinaus. Auf dem Weg nach draußen trafen sie Schwestern und Kollegen, mit denen sie ein paar Worte tauschten oder sich auch nur verabschiedeten. Als sie aus der Klinik hinaus in den kühlen Abend traten, zog Fee fröstelnd die Schultern hoch.

      »Ganz schön frisch, was?«, fragte Daniel und legte fürsorglich den Arm um ihre Schultern.

      »Stimmt. Und ehrlich gesagt bin ich froh, dass Danny dieses Mädchen mit nach Hause genommen hat«, wanderten Fees Gedanken unwillkürlich zu Marika. »Nicht auszudenken, was sonst aus ihr geworden wäre.«

      »Keine Sorge. Wir haben uns heute schon wieder vertragen.« Daniel erkannte die Botschaft hinter den Worten seiner Frau und hielt ihr die Wagentür auf. »Ich finde es ja auch großartig, wie er sich verhalten hat. Auch wenn es ganz schön ins Auge hätte gehen können.«

      Daniel hatte sich hinters Steuer gesetzt. Er setzte den Blinker und wartete auf eine Lücke im dichten Feierabendverkehr. Die Lichter der Scheinwerfer spiegelten sich auf dem feuchten Asphalt.

      »Ist es aber nicht«, bemerkte Fee zu recht. »Wenn wir immer darüber nachdenken würden, was schief gehen könnte, müssten wir reglos zu Hause im Sessel sitzen bleiben«, gab sie zu bedenken. »Leben ist immer lebensgefährlich und mit einem Risiko verbunden. Es gehört auch Glück dazu.«

      »Das größte Glück ist es, mit einer Frau wie dir zusammen zu sein.« Ein zufriedenes Lächeln spielte um Daniels Lippen, und Fee lachte geschmeichelt.

      »Hoffentlich denkt Danny ähnlich über Tatjana. Ich fände es schade, wenn das zwischen den beiden auseinander gehen würde, nur weil unser Sohn falsche Prioritäten setzt.«

      »Oder seine Freundin doch nicht genug Verständnis hat für diesen Beruf«, warf Daniel zu Recht ein. Sie hatten ihr erstes Ziel erreicht, und er reckte den Hals, um besser sehen zu können. »Hier wohnt unsere erste Liana Turaschwili«, teilte er Fee mit und parkte den Wagen am Straßenrand.

      »Dann wollen wir unser Glück mal versuchen.«

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