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das würde er seinem geschätzten Kollegen Sascha aufs Auge drücken.

      5

      Als die Beamten weg waren, fiel Linda in sich zusammen. Das unkontrollierbare Zittern steigerte sich in ein Schütteln des ganzen Körpers, das sie in die Knie zwang. Auf dem Boden kauernd ließ sie es geschehen. Sie hatte einfach keine Kraft mehr, sich dagegen zu wehren. Hugo schaute alles mit weit aufgerissenen Augen an, er traute sich weder, seiner Schwester näher zu kommen, noch sie aus den Augen zu lassen und abzuhauen. Reglos stand er mit hängenden Schultern da und beobachtete, wie der seltsame Anfall zuerst an Stärke gewann, dann jedoch ganz langsam wieder abebbte. Nach gefühlten endlosen Minuten rappelte sich seine Schwester endlich schweißgebadet hoch in die Hocke. Dort blieb sie zunächst, denn ihr wurde schwindlig und sie musste mehrmals blinzeln, bis sie sich wieder einigermaßen im Griff hatte. Als sie draußen ein Auto vorfahren hörte, zischte sie ihrem Bruder zu:

      „Hilf mir aufzustehen! Die sollen mich nicht so sehen!“

      Doch Hugo schien wie versteinert und rührte sich immer noch nicht.

      „Nun mach schon! Bitte! Ich lese dir auch gleich was vor!“, rief sie drängend und wie gehofft, zeigten diese Worte sofort ihre gewünschte Wirkung. Hugo eilte zu seiner Schwester und zog sie hoch. Er war erstaunlich kräftig für seine kleine Statur und wäre Linda nicht so groß gewesen, ihr kleiner Bruder hätte sie getragen, da war sie sich sicher. Auf ihn gestützt führte Hugo sie nach oben in ihre Dachwohnung, wo Linda sich erschöpft und verängstigt auf ihr Bett fallen ließ.

      Was war nur los mit ihr?

      Sie musste unbedingt ein außerordentliches Treffen ihres „Kreises“ einberufen, vielleicht konnten ihre „Schwestern“ ihr helfen oder ... das Buch! Sie riss es vom Nachttisch herunter und umklammerte es ganz fest wie einen Schatz. Bald darauf war sie eingeschlafen. Hugo hielt Wache und rührte sich nicht von der Stelle. Auch nicht, als er seinen Bruder Harald hatte heimkommen hören und auch nicht spät in der Nacht, als dessen Frau Bettina nach Hause gekommen war. Manchmal ging er zu ihnen hinunter und fragte sie nach ihrem Tag, aber heute nicht - heute musste er auf seine Linda aufpassen. Irgendwas war nicht so wie immer, aber er wusste nicht, was es war und das machte ihm Angst.

      6

      Am nächsten Vormittag erschienen Bettina und Harald Bockmeyer gemeinsam im Polizeipräsidium. Lola Amati, die Kripo-Sekretärin mit afrikanischen Wurzeln, begrüßte das Paar und bedeutete ihnen, noch kurz zu warten. Die Beamten Kiss und Clemens wären gleich zur Stelle. Frau Bockmeyer stieß ihren Mann unsanft in die Seite und zischte ihm zu:

      „Mich nervt das Ganze jetzt schon! Was können wir denen denn schon sagen? Wir wissen doch auch nicht, was mit deiner Mutter passiert ist!“

      „Richtig, aber das weiß die Polizei ja noch nicht und deshalb werden wir ihnen das jetzt sagen“, meinte ihr Mann nur gelangweilt und fügte noch mit einem wohlwollenden Blick auf die rassige Schönheit, die sie in Empfang genommen hatte, hinzu: „Schon witzig, wenn so eine dunkelhäutige Frau mit schwäbischem Akzent spricht und diese knallroten langen Fingernägel ... echt Hammer, die Frau!“

      „Jetzt lenk nicht ab und schau die nicht so gierig an, Mensch!“, wetterte Bettina leise. „Die Frage ist doch, ob die uns glauben werden! Was is, wenn sie irgendwie rausfinden, wie sie vergiftet wurde und wir nicht beweisen können, dass wir damit nix zu tun haben? Ich bin Ärztin, Habo!“, zischte sie und benutzte aus reiner Gewohnheit den Spitznamen ihres Mannes. Früher hatte sie ihn aus Liebe gerne verwendet, doch das war lange her. „Die werden doch vermuten, dass ich Anzeichen einer Vergiftung hätte bemerken müssen. Aber ich war doch seit Wochen nicht mehr bei ihr!“, jammerte Bettina, doch ihr Mann zuckte nur die Schultern.

      „Dann sag denen das doch, Bettina und jammer mir nicht die Ohren voll! Wir haben damit nix zu tun und damit basta!“

      „Dein Wort in Gottes Ohr!“, flüsterte die nervöse Frau und strich sich durch ihre weißblonden, kurzen Haare. Mit starrem Blick fixierte sie die Türe, durch die sie demnächst würden gehen müssen.

      Welche Fragen man ihnen wohl stellen würde?

      Welche Familiengeheimnisse würden vor Fremden ausgebreitet werden?

      Warum musste ihre blöde Schwiegermutter auch dauernd zur Flasche greifen und warum hatte sie als Ärztin das nicht verhindern können?

      Ihr wurde übel bei dem Gedanken, dass man sie für alles verantwortlich machen könnte! Dabei hatte sie von Anfang an nicht den geringsten Einfluss auf Edith gehabt! Ihre Schwiegermutter hatte sie, Bettina, noch nie leiden können und hatte sie nie zur Familie gezählt. Aber das würde sie der Polizei sicher nicht auf die Nase binden, das wäre zu verdächtig und vielleicht sogar das Mordmotiv, nach dem die suchten. Gerade wollte sie ihrem Mann eintrichtern, ja nichts vom schlechten Verhältnis zwischen ihr und seiner Mutter zu erzählen, da wurde die Türe schwungvoll aufgerissen und ein junger, gut aussehender Mann kam auf sie zu.

      „Guten Tag, Frau Bockmeyer? Und Herr Bockmeyer, nehme ich an?“, fragte Joska Kiss und streckte zuerst der attraktiven Frau die Hand entgegen. Ihr fester Händedruck bestätigte seinen ersten Eindruck - diese zierliche, aber sehr durchtrainierte Dame hatte eine ausdrucksstarke Persönlichkeit. Sie strahlte einerseits durch ihre aufrechte Haltung Selbstsicherheit aus, ihr Gruß fiel jedoch sehr leise, fast schüchtern aus - sie wirkte, als wäre sie jetzt schon auf der Hut. Joska war sehr gespannt, wie das Gespräch mit Bettina Bockmeyer verlaufen würde. Denn dass er die Frau übernahm, hatte er im ersten Moment schon entschieden. Sascha durfte gerne den dürren Jägersmann übernehmen, der einen laschen Händedruck hatte, aber nicht so nervös wie seine Frau wirkte.

      „Ja, guten Tag. Ich bin Bettina Bockmeyer und das ist mein Mann Harald. Mein Sohn sagte uns, dass Sie uns sprechen wollen? Wenn es um die Vergiftung meiner Schwiegermutter geht, darüber wissen wir wirklich gar nichts!“, hob die gehetzt wirkende Frau an, doch Joska ging nicht darauf ein. Inzwischen war auch sein Kollege Clemens zu ihnen getreten und sie wurden einander vorgestellt.

      „Frau Bockmeyer - wenn Sie mir bitte folgen würden? Herr Clemens kümmert sich um Ihren Mann.“

      „Wir werden nicht zusammen vernommen?“, fragte Frau Bockmeyer fast schon panisch, hatte sich dann aber sofort wieder im Griff. Sie hatte selbst bemerkt, wie verdächtig das rübergekommen war und so fügte sie noch hinzu: „Alles klar, schon in Ordnung. Müssen Sie ja so machen, nehm ich an“.

      „So ist es, gnädige Frau und nun kommen Sie bitte mit. Möchte jemand Kaffee oder sonst etwas?“, fragte Herr Kiss und orderte dann für alle Kaffee bei seiner Assistentin Lola.

      „Nehmen Sie bitte Platz, Frau Bockmeyer. Ich werde das Gespräch aufzeichnen“, eröffnete Herr Kiss die Vernehmung und deutete auf einen Stuhl ihm gegenüber.

      „Brauche ich einen Anwalt?“, fragte Bettina Bockmeyer, rügte sich im Stillen aber sofort für diese unbedachte Äußerung. Natürlich brauchte sie noch keinen Rechtsbeistand, sie war ja nur eine Zeugin und keine Verdächtige (noch nicht!). Das erklärte ihr dann auch der Kommissar und begann nach der üblichen Einführung und des Einschaltens des Aufnahmegerätes mit der Befragung:

      „Ihre Frau Schwiegermutter ist im Laufe des Sonntags, achter März zweitausendzwanzig an einer Vergiftung gestorben. Man kann in einem solchen Falle nicht von einer genauen Tatzeit sprechen - wir wissen inzwischen zwar die Zusammensetzung des Giftcocktails - jedoch können wir keine exakte Zeit herleiten, wann Frau Edith Bockmeyer das Mittel zu sich genommen hat. Somit ist es etwas müßig, Sie zu fragen, wo Sie zur Tatzeit waren. Ich kann Sie also nur fragen, ob Sie etwas über gewisse Heilkräuter wissen, die man Ihrer Schwiegermutter in zu hoher Dosis verabreicht hat?“

      „Woher wollen Sie denn wissen, ob sie sich das Zeug nicht selbst einverleibt hat?“, kam es trotzig zurück und wieder rief sich Bettina Bockmeyer zur Besonnenheit auf. Sie musste wirklich aufpassen, dass sie nicht doch zum Kreis der Verdächtigen befördert wurde.

      „Das wissen wir natürlich nicht und genau das gilt es ja, herauszufinden. Sie waren es also nicht und wissen auch gar nichts darüber?“

      „Ich

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