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nicht entgehen.

      „Sie leben bei Ihrer Schwester, Herr Bockmeyer? Oder darf ich Hugo sagen?“, fragte Joska freundlich.

      „Ja, Hugo wohnt bei Linda. Schon lange. Sie mag mich lieber als Mutter und Mutter war ja auch krank. War immer genervt und böse und da wollte ich auch lieber bei Linda sein“, antwortete er leise.

      „Das kann ich gut verstehen. Wenn man krank ist, will man seine Ruhe haben. Aber wer hat sich denn um deine Mutter gekümmert, wenn sie krank war?“, wollte Joska wissen.

      „Eigentlich niemand so richtig. Nur Luca musste ein Mal am Tag nach ihr schauen, ob alles in Ordnung ist und so“.

      „Er musste es? Wer hat ihm das befohlen?“

      „Die Bettina, glaub ich. Sie hat gesagt, dass er wenigstens diese eine Aufgabe erledigen soll, wenn er schon sonst nix macht“.

      „Aha ... na, da hat sie ja vielleicht sogar recht gehabt, oder meinst du nicht auch?“, lächelte Joska, doch Hugo zuckte nur mit den Schultern.

      „Du warst also schon länger nicht mehr bei deiner Mutter?“, hakte Sascha nach.

      „N ... nein! Ich war laaaange nicht bei ihr. Sie wollte mich ja auch nicht sehen. Sie ... mag mich nicht“, stotterte er und schaute wieder verlegen zu Boden. Die beiden Beamten sahen sich an und gaben sich mit einem Blick zu verstehen, dass sie ihm nicht glaubten. Leider konnten sie nicht weiter in ihn dringen, denn Frau Bockmeyer kam mit ihrem Neffen zurück. Es war etwas seltsam, aber Hugo und sein Neffe Luca schienen fast im gleichen Alter zu sein.

      „Guten Tag. Sie wollen mich sprechen?“, fragte Luca Bockmeyer und ließ sich gelangweilt auf einen Stuhl fallen.

      „Guten Tag Herr Bockmeyer. Ja, wir hätten ein paar Fragen zum Tod Ihrer Großmutter Edith Bockmeyer“, eröffnete Joska das Gespräch mit diesem weiteren Familienmitglied, welches ihm sofort unsympathisch war. So stellte er sich einen Computer-Nerd vor: schlacksig, strähnige schwarze Haare, schlapprige Jeans und ein schwarzes T-Shirt mit Monsteraufdruck. Dieses Exemplar hatte dazu noch stahlblaue Augen und war fast zwei Meter groß.

      „Bevor Sie fragen ... ich hab sie nur gefunden - sie lag einfach tot in ihrem Bett! An dem Tag war ich etwas spät dran gewesen, um nach ihr zu gucken - muss so gegen einundzwanzig Uhr gewesen sein - und da lag sie schon im Bett. Normalerweise geht sie immer erst kurz vor Mitternacht schlafen und ich schaue meist zu den Zwanzig-Uhr-Nachrichten bei ihr vorbei und die sehen wir uns dann gemeinsam an ... äh ... haben sie uns angeschaut“, verbesserte er sich mit traurigem Blick. Ob er tatsächlich traurig über den Verlust seiner Großmutter oder aber ein guter Schauspieler war, konnten die Kommissare nicht erkennen.

      „Danke für Ihre Auskünfte. Hat jemand von Ihnen an diesem Tag Kontakt mit ihr gehabt?“, wollte Herr Kiss wissen, doch alle schüttelten die Köpfe. „Und die anderen beiden, Harald oder Bettina?“ Nochmals Kopfschütteln. „Oder in den Tagen davor etwas Ungewöhnliches an ihr bemerkt?“ Wieder einhelliges Kopfschütteln. So kamen sie also nicht weiter ...

      „Wir werden dennoch mit Ihren Eltern sprechen müssen, Herr Bockmeyer“, wandte sich Joska an Luca und der zuckte nur mit den Schultern.

      „Wann kann man die beiden erreichen?“, fragte Herr Clemens und wartete mit gezücktem Stift.

      „Keine Ahnung, ehrlich! Mama schichtet und macht dauernd Überstunden, ich kenne ihren Dienstplan wirklich nicht und Papa ist ja arbeitslos und Jäger, also hat er auch keinen festen Zeitplan - der kommt und geht, wie es ihm passt und außerdem hat er tausend Tiere zu versorgen und ist wenig hier im Haus“, ratterte Luca Bockmeyer herunter.

      „Dann muss ich Sie bitten, Ihren Eltern auszurichten, dass wir sie auf dem Präsidium befragen müssen. Hier ist meine Karte. Sie sollen sich bei uns melden und einen Termin ausmachen. Wir werden sie zeitgleich, aber getrennt voneinander vernehmen ... bitte so bald wie möglich!“, ordnete Joska Kiss an. Luca nahm die Karte wortlos entgegen und steckte sie in seine Hosentasche.

      „War`s das jetzt?“, wollte er wissen und stemmte sich von seinem Stuhl hoch.

      „Fürs Erste ja. Die Gerichtsmedizin wird sich bei Ihnen melden, wenn die Untersuchungen abgeschlossen sind und der Leichnam freigegeben wird. Wir werden Ihre heutige Aussage noch schriftlich festhalten und haben sicher im Rahmen der weiteren Ermittlungen noch Fragen. Dazu werden wir Sie demnächst ebenfalls auf die Wache einladen. Sollte Ihnen noch etwas einfallen, meine Karte haben Sie ja. Wir brauchen Sie hier nun nicht mehr und würden uns gerne in Ruhe noch etwas umsehen. Auf Wiedersehen!“, sagte Joska und auch Sascha verabschiedete sich. Aus den Augenwinkeln sah dieser, wie Linda Bockmeyer ihre Hände endlich aus den Taschen nahm - sie zitterten unkontrolliert, und sie versteckte sie schnell hinter ihrem Rücken.

      Als Hugo und Linda Bockmeyer hinausgegangen waren, sprach Sascha das sofort an.

      „Hast du gesehen, wie die Hände der Frau gezittert haben?“

      „Nein, die hatte sie doch fast die ganze Zeit in den Taschen ihrer fürchterlichen Kittelschürze! Dass Frauen in ihrem Alter - die wird doch so um die Vierzig sein - sowas überhaupt noch anziehen! Sehr sexy, oder?“, witzelte Joska, doch sein Partner ging nicht darauf ein.

      „Ist doch egal - mit der stimmt auf jeden Fall was nicht! Du hättest ihre Hände sehen sollen! Die haben wirklich total unkontrolliert gezittert! Dem müssen wir neben allem anderen auch noch auf den Grund gehen, meinst nicht?“

      „Wenn das tatsächlich so schlimm war, sollten wir das wohl tun, aber zuerst widmen wir uns der Wohnung hier!“, bestimmte Joska und fing an, sich in der kleinen Küche umzuschauen. Irgendwie schien hier die Zeit stehen geblieben zu sein. Sascha erinnerte sich, draußen an der Hausmauer ein Schild mit der Aufschrift „1823“, gesehen zu haben. Hier drin sah es in manchen Bereichen wirklich noch so aus wie vor zweihundert Jahren. Vor allem in der Küche der alte Holzofen-Kochherd, die alten Möbel und Regale schienen noch aus dieser Zeit zu stammen. Auch das Sofa war alt und schäbig.

      „Wie in einem Bauernmuseum“, murmelte Sascha, während er alle Schubladen inspizierte und sich Joska derweil im Schlafzimmer umsah. Aber alles, was sie fanden, war wohl der Beweis für die Trunksucht der alten Frau: jede Menge Schnapsflaschen, allerdings ohne Etikett. Joska schraubte eine auf und roch daran.

      „Eindeutig Schnaps, wahrscheinlich selbst gebrannt“, stellte er fest.

      „Vielleicht auch mit mehr Prozenten als üblich. Ist hier keine volle Flasche mehr?“fragte Sascha und schnupperte ebenfalls daran. „Wir sollten alle Flaschen mitnehmen - eventuell ist in einer doch noch ein Rest drin, den man analysieren lassen könnte? Auf die Idee hätte die Spusi ja eigentlich auch kommen können, oder?“

      „Hätten sie machen können beziehungsweise müssen, aber die sind halt auch nicht unfehlbar. Vielleicht findet sich in einer der Flaschen ja auch ein Rest dieses Giftcocktails?“, bemerkte Joska mit aufkommender Erregung. Womöglich hatten sie einen ersten Hinweis gefunden?

      „Los, packen wir die Flaschen ein! Handschuhe hab ich im Auto und auch ein paar Klappboxen - ich wäre heute mit Einkaufen dran gewesen“, erklärte Joska und lief dabei hinaus in den matschigen Hof.

      Als sie eine Stunde später endlich in ihrem Wagen saßen, hatten sie vierzig Flaschen im Kofferraum. Außer den Flaschen hatte ihre Durchsuchung der kompletten Wohnung keine weiteren Anhaltspunkte geliefert. Für die Rückfahrt wählten sie diesmal tatsächlich den Weg nach oben über den Hohenstaufen.

      „Es ist jetzt bereits sechzehn Uhr. Machen wir erstmal Feierabend? Bevor wir die anderen beiden nicht befragt haben, wüsste ich jetzt auch nicht, was wir weiter tun könnten oder hast du ne Idee?“, fragte Joska gähnend, während er seine Whatsapp-Nachrichten checkte. Nora machte in der Messerwerkstatt meist auch immer um sechzehn Uhr Schluss und danach gleich einen Spaziergang mit ihrem Schäferhund Hasso. Vielleicht konnte er sich da heute endlich mal einklinken und mitlaufen - würde ihm guttun und er konnte den Kopf frei bekommen. Der Fall schien komplizierter zu werden, als er anfangs gedacht hatte. Da sein Kollege nur mit den Schultern zuckte, war also Feierabend angesagt. Eigentlich wäre Joska ja schon fast

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