Скачать книгу

dürfen wir Ihnen leider nicht geben. Laufende Ermittlungen - Sie verstehen?“, schaltete sich Herr Clemens ein und Herr Kiss nickte bestätigend.

      „War ja klar - dumme Frage. Aber man kann es ja mal versuchen“, lächelte der Gemeindevorstand und verabschiedete sich von den beiden.

      „Sympathischer Typ, euer Bürgermeister und als Chef einer Gemeinde ne imposante Erscheinung“, stellte Sascha fest und wieder nickte Joska nur. Er war mit seinen Gedanken bereits bei der bevorstehenden Befragung.

      „Haben wir eine besondere Strategie, Sascha?“

      „Nein, wir wissen ja noch gar nichts. Lassen wir es erstmal auf uns zukommen und schauen, mit wie vielen Familienmitgliedern wir es überhaupt zu tun haben. Dann sehen wir weiter, einverstanden?“, fragte Sascha, denn eigentlich war Joska sein Vorgesetzter und traf normalerweise die Entscheidungen. Dass er ihn heute in seine Überlegungen mit einbezog, freute den Älteren sehr. Wenn auch ihr Start als Team etwas holprig gewesen war - inzwischen kamen sie immer besser miteinander aus, ergänzten sich und konnten sich aufeinander verlassen.

      Der Hof der Bockmeyers lag wirklich versteckt im Wald auf der Anhöhe fast schon oben bei der Ortschaft Hohenstaufen.

      „Da hätten wir ja gleich von oben her reinfahren können“, stellte Sascha fest, doch Joska murmelte nur:

      „Macht der Gewohnheit. Auf geht`s - ran an die Zeugen oder Verdächtigen!“, zischte er seinem Kollegen zu und stieg wie immer schwungvoll aus seinem Wagen. Herr Clemens folgte ihm auf dem Fuße mit bereits gezücktem Notizblock.

      „Sie kommen!“, flüsterte Linda ihrem Stiefbruder Hugo zu. „Du sagst am besten gar nix, hörst du?“, bekräftigte sie unnötigerweise, denn ihr kleiner Bruder war ihr hörig und tat stets, was sie von ihm verlangte. Bei ihrem Neffen Luca war sie sich da nicht so sicher, doch der wusste eh nichts Wesentliches. Während sie die Beamten beobachtete, wie sie aus dem Wagen stiegen und aufs Haus zusteuerten, überfiel sie wieder dieses merkwürdige, unkontrollierbare Zittern. Verzweifelt bemühte sie sich, es zu unterdrücken, doch es wurde von Mal zu Mal schwieriger. Ein wachsendes Gefühl der Panik, das jedes Mal stärker wurde, ergriff sie und raubte ihr den Atem. Was war nur seit ein paar Wochen los mit ihr? Sie versuchte, durch tiefes Ein- und Ausatmen zur Ruhe zu kommen - sie musste sich in den Griff kriegen! Die Bullen durften nicht merken, dass etwas mit ihr nicht stimmte! Ganz langsam und unter Aufbringung ihres ganzen Willens schaffte sie es immerhin, das Zittern zu kontrollieren, die Panik jedoch blieb.

      Nach dem Klingeln ließ sie die Beamten eine Weile warten, ehe sie die Türe öffnete. Sie kannte Joska Kiss vom Sehen und wusste, dass er bei der Kripo war. Linda war klar, dass nach der Spurensicherung nun auch noch die Kripo kommen würde, um Fragen zu stellen. Ihr Hausarzt hatte angedeutet, dass er bezüglich der Todesursache nicht sicher war und das hatte er melden müssen. Nun war sie gespannt, was er bemerkt hatte und welche Konsequenzen daraus erfolgen würden.

      „Ah, guten Tag Herr Kiss. Und Herr ... ?“, fragte sie freundlich und bat die Herren ins Haus. Sie führte sie der Einfachheit halber gleich im Untergeschoss in die Räumlichkeiten ihrer verstorbenen Adoptivmutter. Beim Anblick der beiden gut gekleideten Männer kam sie sich in ihrer löchrigen Kittelschürze, dem langen Faltenrock und den dicken Wollsocken in ihren alten Gummi-Schlappen äußerst schäbig vor. Hätten die sich nicht vorher anmelden können? Dann hätte sie sich etwas zurechtgemacht und ihre langen Haare zu ihrem gewohnten Dutt hochgesteckt. Nun stand sie hier mit offenen, hüftlangen Haaren vor ihnen - der erste Eindruck war entscheidend und der war nun sicher nicht gerade positiv. Aber egal - sie war hier zuhause und durfte darin herumlaufen, wie sie wollte. Energisch straffte sie die Schultern und wappnete sich für das kommende Gespräch.

      „Clemens. Sascha Clemens. Sie kennen meinen Kollegen?“

      „Oh ja! Wer kennt ihn nicht nach der Sache mit dem alten Messermacher und all den anderen Fällen, in denen auch seine Freundin Nora Angerer verstrickt war. Weiß doch das ganze Dorf!“, hielt sie ihm entgegen und führte sie dabei in die große Wohnküche, wo ein alter Kochherd sonst sicher für gemütliche Wärme sorgte. Doch heute war es ungemütlich kalt und es roch abgestanden.

      „Dann sind Sie Linda Bockmeyer, die Tochter der Toten Edith Bockmeyer?“, fragte Joska Kiss, der diese Frau bisher noch nie bewusst wahrgenommen hatte.

      „Ja, die Stieftochter, und das hier ist mein Stiefbruder Hugo. Sag guten Tag zu den zwei Polizisten!“, forderte sie ihn auf und gehorsam hielt er den beiden Männern, wenn auch sehr zögerlich, seine Hand hin.

      „Guten Tag Herr Bockmeyer. Wie geht es Ihnen nach dem plötzlichen Tod Ihrer armen Mutter?“, fragte Joska mitfühlend und war sich nicht sicher, wie man mit einem erwachsenen Mann umging, der das Down-Syndrom hatte.

      „Ein bisschen traurig, aber ich bin ja nicht oft bei ihr. Ich bin lieber bei Linda“, sagte er sehr leise mit einem ängstlichen Blick zu seiner Schwester. Hatte er jetzt doch etwas Falsches gesagt?

      „Wessen Wohnung ist das hier? Die Ihrer Mutter?“, wollte Sascha wissen und beide nickten. „Wir werden uns später noch ein wenig hier umsehen. Die Spurensicherung war zwar schon da, aber wir machen uns immer gerne selbst ein Bild.“

      „Ich nehme an, Sie wissen bereits, dass unsere Mutter alkoholsüchtig war?“, schaltete sich Linda Bockmeyer ein. Sie wollte nicht, dass ihr Bruder weiterhin befragt wurde, und wollte das Gespräch an sich reißen. Ob ihr das gelingen würde, war ihr zwar nicht klar, versuchen musste sie es jedoch. Wieder fingen ihre Hände zu zittern an, schnell schob sie sie in die Taschen ihrer Schürze und hoffte inständig, dass die Beamten nichts mitbekommen hatten.

      „Das wissen wir. Aber daran ist sie nicht gestorben“, sagte Joska Kiss kurz angebunden und wartete auf eine Reaktion der beiden.

      „Nicht? An was denn dann?“, rief die Tochter auch sofort und riss dabei die Augen erschrocken auf. Merkwürdigerweise ließ sie dabei ihre Hände in den Taschen, was den Beamten zwar auffiel, sie es aber nicht weiter beachteten. Ihr Bruder konnte dem Ganzen wohl nicht recht folgen, denn er schaute nur weiterhin traurig drein.

      „Sie wurde vergiftet“, erklärte der Kommissar und wartete geduldig und aufmerksam darauf, wie vor allem die Tochter reagieren würde. Doch Frau Bockmeyer schüttelte nur den Kopf und sagte nichts.

      „Es war ein hübscher Heilkräuter-Cocktail - zu viel von allem Möglichen auf einmal, den ihr alkoholgeschwächter Organismus letztendlich wohl nicht verkraftet hat“, ergänzte Herr Clemens und Joska fügte hinzu:

      „Jetzt stellen sich uns folgende Fragen: Woher hatte sie die Kräuter? Hat sie sich das Zeug selbst zusammen gemischt oder hat sie es von jemandem verabreicht bekommen? Ging das über einen längeren Zeitraum oder war es ein einmaliger Giftcocktail, um sie umzubringen? Selbstmord oder Mord? Also jede Menge Fragen, auf die wir gerne von Ihnen eine Antwort hätten!“

      „Von mir?“, rief die Frau entsetzt und starrte die Beamten mit ihren hellgrünen Augen an. Das lange, graumelierte Haar hing ihr strähnig herab und in ihren schlabbrigen Klamotten sah sie ziemlich heruntergekommen aus. Dennoch wirkte sie durch ihre Größe von knapp einem Meter achtzig und ihrem fülligen Körper recht einschüchternd.

      „Ich kann Ihnen dazu nichts sagen. Ich wüsste auch nicht, dass sich meine Mutter großartig mit Heilkräutern ausgekannt hätte. Wirklich keine Ahnung, wie das Zeug in ihren Körper gekommen ist“, erklärte sie mit solcher Bestimmtheit, dass die Kommissare ihr zunächst glauben mussten.

      „Und Sie, Herr Bockmeyer wissen natürlich auch von nichts?“, fragte Joska der Form halber, denn er war sich sicher, auch von ihm keine Auskunft zu bekommen und so war es dann auch. Der behinderte Mann schüttelte nur den Kopf und schaute weiterhin auf den Boden.

      „Wohnt sonst noch jemand hier auf diesem Hof?“, schaltete sich Sascha Clemens ein.

      „Ja, mein Stiefbruder Harald mit seiner Frau Bettina und ihr Sohn Luca. Aber Harald ist auf der Jagd und seine Frau in der Klinik. Sie ist Ärztin. Luca müsste aber da sein. Soll ich ihn holen?“

      „Wir bitten darum“, antwortete Joska, wobei er Frau Bockmeyer

Скачать книгу