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mit einem Tempofetzen in der Nase.

      „Natürlich - wir sind doch ein Team!“, rief Sascha, als wäre nichts gewesen, schnappte sich seinen Mantel und sein obligatorisches Notizbuch.

      „Warte!“, rief Joska und bekam seinen eifrigen Kollegen gerade noch an der Kapuze zu fassen. „Wir sollten, bevor wir in die Gerichtsmedizin fahren, vorher noch mit dem Hausarzt sprechen, der den Totenschein ausgestellt hat. Der hat wohl irgendwas Seltsames bemerkt. Magdalena wusste aber leider noch nicht, was genau. Kannst du das bitte machen? Mich versteht man ja gerade etwas schlecht“, knurrte er mit einem zornigen Blick, während er sich demonstrativ auch noch ein Tempo ins zweite Nasenloch stopfte.

      „Okay, ich mach das. Hast du die Nummer von dem Arzt?“, fragte Sascha und setzte sich wieder an seinen Computer. Mit einem Handzeichen bedeutete er seinem Kollegen, der ihm bereits einen Zettel mit Telefonnummer in die Hand gedrückt hatte, sich zu ihm zu setzen. „Ich stell auf laut, dann muss ich dir nachher nicht alles erzählen. Zuhören geht ja auch mit Tempo in der Nase“, konnte er sich nicht verkneifen, während er schon den Hörer in der Hand hatte.

      Mit rollenden Augen fläzte sich Joska Kiss auf den Besucherstuhl und streckte seine langen, muskulösen Fußballerbeine von sich.

      „Guten Tag, Herr Dr. Menrad. Sascha Clemens - Kripo Göppingen. Meine Chefin, Magdalena Müller-Harnisch hat mir Ihre Nummer gegeben. Wir wollten mit Ihnen über den Todesfall Bockmeyer aus Ottenbach sprechen. Hätten Sie kurz Zeit für uns? Ich habe Sie auf laut gestellt, damit mein Kollege Joska Kiss mithören kann“, eröffnete Sascha das Gespräch mit dem zuständigen Arzt.

      „Ja, grüß Gott, die Herren. Einen kurzen Moment noch, bin gleich für Sie da“, sagte Herr Menrad und man hörte, wie er seiner Mitarbeiterin etwas zurief und sich dann gleich wieder meldete. „So, jetzt habe ich kurz Zeit für Sie ... tja, das mit der Ottenbacher Leiche ist ein bisschen merkwürdig, wenn ich das so sagen darf. Frau Bockmeyer ist, beziehungsweise war, schon seit Jahrzehnten meine Patientin. Leider konnte ich ihr bei ihrer Alkoholsucht nicht helfen und musste ihren körperlichen Verfall miterleben, ohne etwas tun zu können. Dass sie irgendwann daran sterben könnte, habe ich erwartet ... dennoch ist mir bei der Leichenbeschau etwas Seltsames aufgefallen, was ich auch gleich Ihren Kollegen und danach auch der Gerichtsmedizin in Ulm mitgeteilt habe“, erklärte der Arzt, ohne konkreter zu werden.

      „Könnten Sie uns vielleicht erklären, was Sie so stutzig hat werden lassen?“, wollte Herr Clemens natürlich wissen und auch Joska beugte sich interessiert vor.

      „Tja ... nun ... ich kann es gar nicht genau beschreiben, aber mir scheint, dass sie Vergiftungserscheinungen aufzeigt“, stammelte der Arzt.

      „Aber die können doch von der Alkoholgeschichte herrühren - Alkohol ist ja auch ein Gift, wenn man es so will“, schaltete sich Herr Kiss in das Gespräch ein.

      „Ja schon, aber so starke Anzeichen findet man da meistens nicht. Wie schon gesagt, ich habe das den Kollegen mitgeteilt und ich denke, sie werden der Sache schon auf den Grund gehen. Setzen Sie sich doch bitte mit denen in Verbindung, mehr kann ich Ihnen leider nicht sagen - tut mir leid“, entschuldigte sich der Herr Doktor.

      „Kein Problem, Herr Dr. Menrad. Danke, dass Sie so aufmerksam waren und uns das gemeldet haben. Bei so alten und zudem noch alkoholkranken Leuten rechnet man ja mit einem frühzeitigeren Tod und schaut dann bei der Leichenschau vielleicht nicht immer so genau hin. Gute Arbeit!“, lobte Joska, doch dann fiel ihm noch etwas ein. Wenn er schon einen Arzt an der Strippe hatte, konnte er ihn auch gleich noch etwas Privates fragen. Eventuell konnte er sich so den Gang zu seinem Hausarzt sparen.

      „Ach, Herr Doktor - einen kurzen Moment noch. Ich hätte da noch eine Frage.“

      „Ja bitte, aber machen Sie es bitte kurz! Mein Wartezimmer ist voll und die Leute werden immer ungeduldiger und pansicher - es ist wirklich nicht zu fassen!“, jammerte der Arzt und Joska konnte sich das sogar bildlich vorstellen - lauter Leute mit Atemschutzmasken im Wartebereich!

      „Eine befreundete Apothekerin hat mir gesteckt, dass es bald zu Engpässen bei einigen Arzneien kommen könnte. Ich muss regelmäßig Schilddrüsen-Medikamente nehmen und hätte zwar noch für ein paar Wochen welche zuhause. Aber könnte man trotzdem jetzt schon ein Rezept für die nächste Ration bekommen?“

      „Ihr Hausarzt wird Ihnen sicher eines ausstellen, aber vielleicht kommen Sie damit bereits zu spät! Soweit ich weiß, sind mancherorts zum Beispiel die Hunderter schon ausverkauft!“

      „Oh nein, das ist nicht gut! Hoffentlich läuft das bald alles wieder normal! In China wurde doch alles wieder etwas gelockert oder?“

      „Sie können ja auch zwei mal Fünfziger nehmen, die gibt es wohl noch. Wo das alles noch hinführt kann ich Ihnen leider auch nicht sagen, aber hoffen wir einfach das Beste, dass die Politiker und wirtschaftlichen Verantwortlichen es nicht zum Äußersten kommen lassen. Darf ich dann wieder an meine Arbeit gehen? Ich selbst habe Sorge, dass ich meine Praxis schließen muss, sollte es bei mir oder meiner Belegschaft zu einer Ansteckung kommen. Das ist alles nicht mehr so harmlos, wie es viele immer noch darzustellen versuchen!“, seufzte Dr. Menrad und nach einer knappen Verabschiedung legte er auf.

      „Schon ganz schön bedrohlich, das Ganze! Ich habe gehört, dass sie nun auch bei uns ab nächster Woche die Schulen und Kindergärten bis nach den Osterferien schließen wollen! Da werden viele Eltern zuhause bei ihren Kindern bleiben müssen, denn zu den Großeltern, die ja potenziell gefährdeter sind, soll man sie auch nicht geben. Ob es da auch einige unserer Kollegen treffen wird?“, fragte Joska und dachte dabei an Nora und ihre Familie. Die würden in ihrem Ottenbacher Familienbetrieb, einer Messermacher-Werkstatt, zunächst ganz normal weiterarbeiten können. Vielleicht kamen nicht mehr so viele Kunden in die Firma, aber mehr würden sie wohl nicht mitbekommen.

      „Ja, da bin ich auch mal gespannt. Aber zurück zu unserem Fall: Jetzt wissen wir zwar nicht viel mehr, aber ich hoffe, dass die Gerichtsmediziner das mit der angeblichen Vergiftung rauskriegen. Sollen wir gleich versuchen, dort einen Termin zu bekommen oder ist das eh noch zu früh?“, fragte Sascha und Joska bestätigte das.

      „Eilt doch jetzt nicht so sehr, oder?“, meinte Joska und hoffte dabei, heute vielleicht doch noch nicht von seinen Fortbildungsunterlagen abgezogen zu werden.

      „Die melden sich doch sowieso, wenn sie was Ungewöhnliches feststellen und wir dürfen dann rausfinden, ob sie sich selbst vergiftet hat oder ob jemand Anderes dahintersteckt. Warten wir einfach ab, einverstanden?“, fragte Sascha und sein Kollege nickte, klatschte sich auf die Schenkel und sprang hoch.

      „Prima Idee, dann werde ich mich weiter hinter meine Fortbildung klemmen - ist ganz schön viel, kann ich dir sagen!“, seufzte er und verschwand wieder in seinem Büro.

      3

      „Jetzt komm schon, Hugo! Das klappt bestimmt, wir müssen es nur genau so machen, wie es in dem Buch steht!“, drängte Linda Bockmeyer ihren Stiefbruder und wunderte sich, dass er überhaupt zögerte. Bisher hatte er stets das getan, was sie von ihm wollte. Er hatte das Down-Syndrom und sie kümmerte sich, seit sie denken konnte, um ihn. Ihre Adoptivmutter Edith hatte zwei leibeigene Söhne - Harald war zehn Jahre älter als Linda und Hugo fünf Jahre jünger. Sie war adoptiert worden, nachdem das Paar nach Harald zunächst keine weiteren Kinder bekommen konnte, doch dann kam überraschend doch noch Hugo zur Welt. Die Eltern kamen mit seiner Behinderung nicht zurecht und bald machte sich der Vater aus dem Staub. Allein Linda sorgte sich von Anfang an liebevoll um den lieben Jungen, und seit seine Mutter sich wegen ihrer Alkoholsucht überhaupt nicht mehr um ihn kümmerte, lebte er bei seiner großen Schwester. Immerhin wohnte die ganze Familie gemeinsam auf dem elterlichen Hof. Die Mutter in der kleinen Erdgeschoss-Wohnung, daneben in einem großen Zimmer ihr Enkel Luca, dessen Eltern Harald und Bettina im ersten Stock und Linda und Hugo oben in der schönen Wohnung mit Dachschräge.

      „Schau mal Hugo ... es ist doch ganz einfach“, fing Linda nochmals von vorne an und strubbelte ihrem kleinen Bruder durch seine roten Locken. „Die Häschen deines Bruders sind krank und wir wollen ihnen helfen, gesund zu werden. Genau dafür haben wir dieses tolle

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