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Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk
Читать онлайн.Название Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek
Год выпуска 0
isbn 9783745212532
Автор произведения Peter Schrenk
Жанр Зарубежные детективы
Издательство Readbox publishing GmbH
»Wird schon klappen!«, meint der >Leitende< jovial und geht nach hinten zu seinem Schreibtisch, um etwas zu suchen. Kriminalrat Freudlos vom 14. K steht mit den anderen Teilnehmern der Besprechung auf. »Irgendwie klappt es ja immer. Hoffentlich reicht diese schöne Tradition diesmal!«
Hauptkommissar Vitus H. Benedict kann die Befürchtungen seines Kollegen in diesem Fall verstehen. Schließlich gibt es eine ganze Reihe von Gruppen und Personen, die mit dem Besuch des Staatsgastes aus der DDR ganz und gar nicht einverstanden sind.
»Na, schönes Wochenende allerseits!«, sagt der Leitende zu den Hinauseilenden. »Herr Benedict, kann ich Sie noch einen Augenblick ...«
Der Leitende hat gefunden, was er auf seinem Schreibtisch gesucht hat, und steht jetzt mit einem dünnen Aktenvorgang wieder am langen Besprechungstisch. Nachdem sich die Tür hinter den Konferenzteilnehmern geschlossen hat, wendet er sich mit einem leisen Räuspern an den immer noch unschlüssig vor dem Stuhl stehenden Leiter des 1. K: »Nehmen Sie doch bitte Platz. Es wird wohl etwas dauern.« Auch der Leitende setzt sich jetzt und blättert in den wenigen Seiten des dünnen Hefters. »Möchten Sie vielleicht noch einen Kaffee?«
»Nein, ich trinke nachher unten einen Tee, danke. Worum geht’s?«
Das Thema scheint dem Leitenden unangenehm zu sein. Vorsichtig macht er den grauen Hefter mit den Laufvermerken wieder zu und legt ihn vor sich auf den braunen Tisch.
»Mir liegt eine Dienstbeschwerde gegen Sie vor. Von Kommissarin Leiden-Oster. Wegen Nichtbearbeitung ihrer an Sie, den nächsten Dienstvorgesetzten, gerichteten Beschwerden vom 2., 3. und 4. des vorigen Monats!«
Der Leiter der Kriminalpolizei blickt krampfhaft auf die Luftaufnahme Düsseldorfs an der Längswand und räuspert sich nochmals. »Wollen Sie sich dazu äußern?«
Wollte Benedict sich dazu äußern? Was sollte er sagen?
Der Weggang von Hauptmeister Ganser hatte sich in der Gruppe erst nach und nach bemerkbar gemacht. Benedict selbst allerdings war sehr schnell klar geworden, dass er zusammen mit Gernot Ganser ein zu eingespieltes Team gebildet hatte und dass es einige Zeit dauern würde, bis er mit Doemges, Läppert oder den Neumann-Zwillingen eine auch nur annähernd ähnlich effektive Form der Zusammenarbeit finden könnte. Im Verlauf des ersten Arbeitsjahres ohne Ganser hatte er dann aber gelernt, die Stärken und Schwächen der anderen Teammitglieder sinnvoller zu koordinieren, und so lief die Ermittlungsarbeit im 1. K im Großen und Ganzen reibungslos. Bis ... ja, bis er von seinem Urlaub zurückkehrte und die Kommissarin Leiden-Oster den Platz von Ganser im 1. K einnehmen sollte. Während der vergangenen zwei Monate hatte Vitus H. Benedict sich oft gefragt, worin die Hauptursache seiner Aversionen gegen die Kommissarin aus Köln lag. Den Gedanken, dass es eine Abneigung auf den ersten Blick sein könnte, verwarf er vor sich selbst. Sicher, es hatte ihn unangenehm berührt, dieses kumpelhafte »auf gute Zusammenarbeit, Vitus!«, damals am Flughafen. Aber sie hatte ja nicht wissen können, dass er sich diesen zwischen den anderen Kollegen durchaus üblichen Kameraderieton von jeher verbeten hatte. Und schon auf der kurzen Fahrt vom Flughafen ins Präsidium hatte er ihren sachlichen und streng zwischen Beobachtung und Wertung trennenden Berichtstil als eine erfreuliche Bereicherung empfunden.
»In den anderen Kommissariaten des Präsidiums gibt es wohl keine Probleme mit den weiblichen Kollegen ...«, lässt sich der Leitende mit einem leisen Drängen in der Stimme vernehmen.
Auch darüber hatte Benedict nachgedacht. Ob er vielleicht eine prinzipielle Abneigung gegen die Zusammenarbeit mit Frauen hatte. War er frauenfeindlich? Zumindest was das Berufliche anging? Sehr genau hatte er in seiner Vergangenheit nachgeforscht, dabei aber festgestellt, dass er die Zusammenarbeit mit Frauen in der Regel der Zusammenarbeit mit männlichen Kollegen vorgezogen hatte. Sie erschienen ihm immer motivierter und kreativer. Auf den unterschiedlichen Stationen seiner Laufbahn hatte er es manchmal auch mit Frauen in übergeordneter Position zu tun gehabt. Auch da: keine Probleme. Die Meerkämperin fiel ihm ein. Die Staatsanwältin, die sich ja leider im letzten Jahr nach Berlin hatte versetzen lassen. Eine Zusammenarbeit, wie sie ihresgleichen suchte. Nein, das konnte es auch nicht sein!
»Es muss an der Chemie liegen!«
Im Gesicht des Leitenden spiegelt sich ungläubiges Staunen. »An der Chemie?«, nimmt er Benedicts letzten Satz auf.
»Ja, es gibt Leute, die einfach nicht miteinander können, und das Osterleiden hat sich seit ihrem Dienstantritt mit jedem Kollegen des 1. K angelegt. Die Stimmung im 2. Stock ist auf dem Nullpunkt!« Unkontrolliert hat Benedict den von den Kollegen verpassten Spitznamen gebraucht, und der >Leitende< reagiert mit einem abwehrenden Stirnrunzeln.
»Ich glaube nicht an Chemie! Ich glaube an zwei Dinge: die Aufgabe, die das 1. K hat, und die Aufgabe, die der Leiter des 1. K hat. Das 1. K hat Tötungsdelikte und Brandsachen aufzuklären, und Sie als Leiter haben Ihre Mitarbeiter so zu führen, dass diese Aufgabe erfolgreich gelöst wird. Und da Ihr Team nicht nur aus Männern besteht, haben Sie dafür zu sorgen, dass die Zusammenarbeit reibungslos klappt. Wenn Sie dazu nicht in der Lage sind ...«
Benedict krampft seine Hände unter dem Tisch in die Oberschenkel. So bekommt er seinen Zornausbruch, der sich ankündigt, einigermaßen unter Kontrolle. Da der Leitende an der psychologischen Struktur einer Arbeitsgruppe offensichtlich nicht besonders interessiert ist und da außerdem für Benedicts Geschmack sowieso schon zu viele nicht beendete Sätze im Raum stehen, verharrt er weiterhin in Abwarteposition.
»Bis Montagmorgen habe ich Ihre Stellungnahmen auf dem Tisch. Tut mir ja auch leid, aber... übrigens haben wir die Kollegin Osterl ... äh... Leiden-Oster zur Verstärkung in das 2. K. ausgeliehen, damit es dort endlich mit diesem Sex-Fritzen mal weitergeht, Das 2. K. ist im Moment ziemlich unterbesetzt, und diese Art Delikte waren ja in Köln ihre Stärke. Ich hoffe, dass Ihnen das die Zeit gibt, die Probleme innerhalb des 1. K zu bereinigen. Schönes Wochenende!«
Unten im zweiten Stock hält nur noch Doemges die Stellung.
Es ist später Freitagnachmittag, und das Präsidium ist wie ausgestorben. Am Samstag soll eine Art Generalprobe stattfinden für das große japanische Feuerwerk. Über eine halbe Million Zuschauer werden in der Stadt erwartet. Dieser kostspielige Feuerzauber aus Fernost war im Juli, als Benedict die überraschend heiße Inselsonne genießen konnte, wegen dauernder Regenfälle abgeblasen worden und soll jetzt, im September, an den Rheinwiesen nachgeholt werden.
Seufzend setzt sich der Hauptkommissar an seinen Schreibtisch und kramt lustlos den schmalen Einhefter aus der Schublade hervor. Die Verbindungstür öffnet sich quietschend, und das schmale Brillengesicht von Doemges lugt vorsichtig um den Türpfosten herum. »Na, Chef, wie war’s?«
»Ach ...«
Ärgerlich kippt Benedict mit dem knarrenden Stuhl nach hinten und wippt vor und zurück. »Vielleicht haben wir jetzt ein bisschen Ruhe im Laden.«
Interessiert schiebt Kommissar Doemges jetzt auch den schlaksigen Rest seines Körpers in Benedicts Dienstzimmer. »Ruhe? Bei der Woche?«
»Nein«, sagt der Hauptkommissar und setzt den Stuhl mit festem Ruck wieder auf alle vier Beine, »ich meine, mit unserer lieben Kollegin! Die geht jetzt erst mal rüber ins Zwote. Jedenfalls, solange bei uns nicht allzu viel los ist.«
Nachdenklich wirft Doemges seine schmale Stirn in Falten und lehnt sich mit vor der Brust verschränkten Armen an die Wand neben der Verbindungstür. Von draußen dringen die Geräusche des Berufsverkehrs herein.
Vitus H. Benedict weiß mittlerweile, dass er von Kommissar Doemges keine Reaktion zu erwarten hat. Anfänglich hatte ihn das irritiert, aber so ist dieser Doemges nun mal. Eben kein Ganser! Und um die Stille nicht bedrückend werden zu lassen, steht er auf, nimmt die Blechdose mit dem englischen Tee vom Regal und verlässt damit das Zimmer.
Fünf Minuten später, als er mit der dampfenden Porzellantasse zurückkommt, ist Doemges verschwunden.