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an ein im Orbit schwebendes Raumschiff anzudocken und Passagiere an Bord zu nehmen, waren drei Personen.

      Drei Crewmitglieder der STERNENKRIEGER befanden sich an Bord Gleiters vom Typ Tapandor MGS-2, einer lokalen Eigenentwicklung der taucetianischen Industrie. Der MGS-2 hatte eine kegelartige Form, wobei die Spitze in die Flugrichtung zeigte.

      Nummer eins war Ty Jacques.

      Er bediente die Steuerkontrollen des Gleiters und tat damit das, was auch in seinem berufliche Leben als Landefährenpilot des Leichten Kreuzers von zentraler Bedeutung war.

      Nummer zwei war Bruder Padraig, ein Mönch des Wissenschaftler-Ordens der Olvanorer, der an Bord der STERNENKRIEGER als wissenschaftlicher Berater diente. Und der dritte im Bund war der Schiffsarzt Dr. Miles Rollins, der diesen unfreiwilligen Aufenthalt in sein Heimatsystem dazu nutzte, der Welt seiner Vorväter einen Besuch abzustatten.

      Berühmter Vorväter im Übrigen, die im Tau Ceti System teilweise einen legendären Ruf genossen. Vier Männer mit dem Namen Arthur Rollins gab es in der Familiengeschichte des Schiffsarztes – nummeriert wie Könige einer Dynastie. Arthur I war der Kommandant des Legendären Erste Konvois gewesen und damit der Gründer der Kolonie, Arthur II ihr langjähriger Präsident und Anführer, Arthur III vertrat Tau Ceti noch heute im Humanen Rat. Der vierte Arthur war Miles’ Zwillingsbruder. Gegen die Verdienste, die sich Arthur I-III erworben hatten, kam Arthur IV natürlich nicht an. Jetzt war er Vorsitzender der Arthur Rollins Foundation, leitete die protzige EXODUS-Gedenkstätte, die an die Ankunft des Erste Konvois erinnerte und hatte außerdem ein Museum und eine Datennetz-Präsenz zu verwalten, deren Sinn und Zweck es war, das Andenken an Arthur I und II in Ehren zu halten und Arthur III bei seinen Wahlkämpfen zu helfen, die er in schöner Regelmäßigkeit um den Sitz im Humanen Rat der Humanen Welten zu führen hatte.

      Aber seine Wiederwahl stand im Grunde schon im Voraus fest.

      Zu stark war das Gewicht des Namens Rollins.

      Mit ihm identifizierten die Taucetianer ihr System und die Geschichte ihrer Kolonie. Einer Geschichte, die dunkle Flecke hatte, wie Miles sehr wohl wusste. Flecken, die so dunkel waren, dass er sich eigentlich geschworen hatte, nie wieder hier her zurückzukehren.

      Aber es war ja nicht sein freiwilliger Entschluss gewesen, sondern der Befehl einer Militärbürokratie, die einfach nur versucht hatte, Raumwerft-Kapazitäten einigermaßen gleichmäßig zu verteilen und die Schiffe des Space Army Corps möglichst schnell wieder in einen einsatzfähigen Zustand zu versetzen.

      Der Gleiter fegte im Tiefflug über die Ebenen des Nordkontinentes. Tau Ceti III – oder Second Earth, wie der Planet vor allem von den taucetianischen Siedlern fast ausschließlich genannt wurde – war sehr unterschiedlich stark besiedelt. Es gab einige große Städte wie Second Earth City, Exodus Town und Port Rollins, die zumeist an der Küste des äquatorialen Ozeans lagen, wo ein sehr mildes und günstiges Klima herrschte. Ansonsten beherrschten weite, mit moosartigen Pflanzen bedeckte Ebenen den Nordkontinent.

      „Sie haben immer ziemlich negativ über ihre Heimat gesprochen, Miles“, stellte Bruder Padraig fest. „Aber wenn man sie vom Fenster eines Gleiters aus betrachtet…“

      Gewaltige Schmetterlinge mit einer Flügelspannweite von mehr als drei Metern flogen über die Ebenen und ließen sich mal hier und mal dort nieder. Am Boden waren manchmal die raupenartigen Monstren zu sehen. Sie lebten normalerweise unter den wuchernden Schichten aus Moos, die sicherlich siebzig Prozent der Landfläche von Second Earth bedeckten – nur hin und wieder unterbrochen von kleinen Inseln andersartiger Vegetation. Knorrigen Bäumen zum Beispiel, die wie ins riesenhafte vergrößerte Bonsai wirkten und deren Stämme aus einem so weichen, biegsamen Material bestanden, dass diese Bäume in der Lage waren, dem Lauf der Sonne Tau Ceti zu folgen und sich jeweils so auszurichten, dass die größtmögliche Menge an Licht aufgenommen werden konnte. Es existierten schachtelhalmartige Gewächse, die mehrere Dutzende Meter emporragten und waldartige Kolonien mit einem jeweiligen Durchmesser von niemals mehr als einem Kilometer bildeten. Außerdem existierten Blütenpflanzen, deren Blätter zu den riesigen bunten Faltern passten.

      Wolken von Blütenstaub zogen durch die Atmosphäre. Sie bildeten manchmal gelbliche, manchmal auch eher bräunliche Staubwolken, die dann der Wind im Laufe von Tagen und Wochen auseinander stob. Da extreme Wetterlagen auf Second Earth selten waren, bewegten sich diese Wolken nur langsam fort. Miles Rollins hatte noch sehr gut die Pollenwarnungen in Erinnerung, die in den großen Städten hin und wieder ausgegeben wurden, wenn so eine Wolke sich unglücklicherweise über einer der Menschen-Siedlungen ausbreitete.

      Dann gab es nur eins: Man musste unbedingt vermeiden, ohne Schutzkleidung und Atemmaske ins Freie zu gehen. Der Pollenstaub drang durch die kleinsten Ritzen und löste bei nahezu neunzig Prozent aller Menschen nach kurzer Zeit asthmatische Anfälle aus, die potentiell tödlich waren.

      „Ich nehme an, Sie haben sich nie näher mit der Geschichte des Tau Ceti Systems beschäftigt, Bruder Padraig“, sagte Miles Rollins.

      „Ja, nur oberflächlich“, nickte Bruder Padraig. „Das gebe ich zu.“

      „Sehen sie mal! Eine Herde Beltrans!“, fuhr Ty Jacques dazwischen.

      Bruder Padraig blickte aus dem Fenster, während Ty Jacques den Zoom-Faktor des Panorama-Schirms veränderte, so dass ein bestimmter Ausschnitt stark herangeholt wurde und mehr Einzelheiten erkennbar wurden.

      „Mein Gott…“, flüsterte der Olvanorer beeindruckt. „Davon habe ich gehört, aber ich habe nicht gewusst, wie…“ Er sprach nicht weiter.

      Die Beltrans – benannt nach James Rüdiger Beltran, dem einzige Ornithologen, der mit dem Ersten Konvoi nach Tau Ceti gekommen war – waren zwischen drei und fünf Meter große Laufvögel. Sie ähnelten in ihrer Physiognomie den Terror-Vögeln des Pleistozän, als dem afrikanischen Strauß. Sie wirkten äußerlich wie eine größere Version der Moas, die es noch in historischer Zeit auf Neuseeland gegeben hatte, bevor die aus Polynesien einwandernden Maori sie ausrotteten.

      Sie waren hauptsächlich Pflanzenfresser, genehmigten sich hin und wieder aber auch mal eine Eiweißportion in Form der oft mehrere Meter lange Riesenraupen, die die Beltrans entweder aus dem Boden heraus gruben oder zu fassen bekamen, wenn sich die Raupen an die Oberfläche wagten, um die besonders nahrhafte oberste Moosschicht abzunagen. Eine gute Gelegenheit, um Raupen zu fangen, waren auch immer die wenigen felsigen Erhebungen, die die Landschaft unterbrachen. Sie waren über Jahrmillionen der Erosion preisgegeben gewesen. Teilweise gasten diese Felsformationen ätzende Substanzen aus, die verhinderten, dass sich das Moos auf ihnen auszubreiten vermochte. Genau dieser ätzenden Substanzen wegen suchten die Raupen diese Formationen regelmäßig auf. Sie verschlangen Gesteinsbrocken mit einem Durchmesser von bis zu fünfzig Zentimetern, um durch sie Unterstützung bei der Verdauung von besonders hartnäckigen Blättern zu erhalten, die ebenfalls auf dem Speiseplan dieser raupenartigen Nimmersatts standen, die sich nach einer Existenz von zehn bis fünfzehn Jahren in dieser hässlichen und gefräßigen vielbeinigen Gestalt in die riesigen Falter verwandelten.

      In dieser Gestalt, in der sie sich auch paarten und Eier ablegten, lebten sie nur gut ein Jahr.

      Sofern sie es schafften, überhaupt so lang zu überleben, denn viele wurden schon vorher das Opfer von ungünstigen Windverhältnissen oder purer Erschöpfung. Der Energiehaushalt der Falter war absolut ruinös. Sie waren offenbar darauf ausgelegt, mehr Energie zu verbrauchen, als sie aufnahmen und so war es nicht verwunderlich, dass viele von ihnen bereits nach der ersten oder zweiten Eiablage vor Erschöpfung zu Boden fielen und bewegungslos liegen blieben.

      Dort wurden sie dann leichte Opfer der Beltrans, deren Herden einfach über die Falter hinwegtrampelten und sie buchstäblich in Grund und Boden stampften. Manchmal griff auch ein Schwarm der kleineren und flugfähigen Vogelverwandten der Beltrans sie in diesem hilflosen Zustand zerfetzten.

      In guter Sichtweite zu dem MSG-2 donnerte eine Beltran-Herde über die Ebene. Mindestens 5000 dieser Riesenvögel trampelten über das Moos, das widerstandsfähig genug war, um den Tritten der dreizehigen Laufkrallen stand zu halten. Die Wandergewohnheiten der Beltran waren vermutlich ein

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