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6.1.2014

       Meine geliebte Zwillingsschwester, liebe Tara!

      Ach, jetzt muss ich dir etwas Schreckliches schildern. Ich hatte mir mit Eierlikör - mein liebstes alkoholisches Getränk, das aber nur selten zum Mund geführt wird - ein wenig Mut angetrunken, bevor ich zu ihm mit einem Taxi fuhr. Er empfing mich an der Tür, drückte mir gleich einen Kuss auf den Mund und führte mich, nachdem ich meinen Mantel abgelegt hatte, in die Küche, um dort mir in der Pfanne seine schon zerschnittene Ente zu zeigen. Und dann sagte er mir zu meinem Schrecken: „Wollen wir vor dem Essen ins Bett oder erst nachher? Ich kann es kaum erwarten.“ Ich entgegnete, dass ich zum Essen hier sei. „Also, dann nachher.“ Teller und Besteck lag schon auf dem Küchentisch ausgebreitet. Er bot mir ein Bier an, das ich aber abschlug. Und während des Essens erwähnte ich Frau Winter, an die er sich gut erinnert, musste er doch jeden Tag ihr Befinden überprüfen. Ich fragte ihn, ob sie ihm auch ihr außerkörperliches Erlebnis erzählt hatte. Und er fuhr plötzlich hoch und mit energischer Stimme sagte er: „So eine eingebildete Kuh. Sie glaubt, Jesus persönlich begegnet zu sein. Das ist doch zum Lachen. Was für Fantasien manche Leute haben.“ Und als ich ihm darlegen wollte, dass sogar Kardiologen Bücher über derlei Berichte von klinisch Toten geschrieben haben, brauste er auf: „Das sind doch alles Wichtigtuer. Die wissen, mit welchem dummen Zeug man mit Büchern Geld verdient. Die verzapfen einem, dass es ein Leben nach dem Tod gibt, ja dass man sogar immer wieder reinkarniert. So ein Quatsch! Und die Leute glauben an solchen Unfug. Ich hoffe, du gehörst nicht auch zu denen.“ Und ich entgegnete, dass ich jedoch an ein Leben nach dem Tod glaube und sogar Berichte über Aussagen der Klinischtotgewesenen sammle, um sie mal zu veröffentlichen. „Lass deine Finger von solch einem Schundbuch. Sonst wirst du für viele klar Denkende als eine Kandidatin für die Klapsmühle gehalten.“

      Und nach dem Essen hob er mich von meinem Stuhl mit beiden Armen hoch, brachte mich in sein Schlafzimmer, öffnete meine Bluse, zog meinen Rock aus und warf mich auf das Bett. Es ging alles so schnell, dass ich gar keine Zeit mehr hatte, mich zu sträuben. Und dann holte er sein Ding hervor und wollte in mich eindringen. Ich aber sagte ihm, dass ohne Gummi bei mir nichts ginge. „Ich pass auf. Ich ziehe meinen Strammen vor dem Orgasmus zurück. Du wirst sehen. Schau, wie er nach dir schmachtet.“ Ich aber klemmte meine Vagina zusammen und drückte ihn mit beiden Armen gegen seine Brust zurück. Er versuchte es immer wieder, aber schließlich gab er auf. „Dumme Gans! Du solltest froh sein, einen so tollen Liebhaber wie mich im Bett zu haben.“ Er stieg von mir herunter, zog sich an.

      Ich kleidete mich ebenfalls schnell an, nahm meine Handtasche, holte meinen Mantel von der Garderobe, öffnete die Tür. Und er rief mir noch nach: „Wenn du es dir nochmals anders überlegen solltest, du weißt ja: Anruf genügt.“ Was sagst du dazu? Und jetzt sehe ich ihn auch noch jeden Tag ein paarmal am Arbeitsplatz. Sollte ich mich versetzen lassen? Aber ich liebe meine Station und meine beiden Kolleginnen, mit denen ich mich so gut verstehe. Was muss Herr Dudszinski auf dem Exerzierplatz der Liebe noch alles lernen? Ich möchte auf jeden Fall, wenn ich Mann wäre, nicht in seiner Haut stecken!

      Deine ganz schön von männlichem Gebaren ernüchterte Leo

      ***

       12.1.2014

       Geliebte Zwillingschwester, meine Tara!

      Ich bin ab gestern wieder mit Felicitas für die Tagesschicht eingeteilt. Die ist mir immer lieber als Spät- oder Nachtschicht. So muss ich jetzt auch nicht dauernd dem Dr. Dudszinski begegnen, der noch die Nachtschicht übernommen hat. Ich kam heute früh eine halbe Stunde vor Beginn meiner Schicht auf Station, als ich die Tür zu unserem Schwesternzimmer nur angelehnt fand. Ich öffnete sie ganz sacht, und was sah ich? Du wirst es nicht glauben. Elisabeth mit dem Rücken zur Tür saß auf dem Schoß von Marek, während seine Hände sich auf ihrem Rücken auf und ab bewegten. Ich zog mich schnellstens zurück und bereitete mir im Nebenraum einen Kaffee, indem ich mit dem Geschirr absichtlich laut klapperte, damit die beiden hörten, dass sich jemand schon nebenan befindet. Ich war innerlich empört. Nachdem er von mir eine Abfuhr erteilt bekam, macht er sich an meine Kollegin ran. Ist er ein pathologischer Sexbesessener? Wie kann solcher ein Arzt sein? Und vielleicht macht er nicht nur die Krankenschwestern an, sondern auch die ihm gefallenden Patientinnen, denen er, bevor sie entlassen werden, im Vertrauen sagt, dass er kostenfrei zur Nachbehandlung kommen würde, indem er ihnen seine private Handynummer zusteckt. Wer weiß.

      Kannst du dich noch an unseren Klassenkameraden Hubert erinnern? Ja natürlich, jener, der immer so aus dem Mund stank. Du weißt ja, was mit seinem Vater, dem Arzt, geschehen war. Dieser war bei einem Hausbesuch mit einer Patientin im Bett, als unvermutet ihr Gatte nach Hause kam und beide in flagranti entdeckte. Er schlug wie wild auf den Arzt ein, sodass dieser bestimmt viele blaue Flecken nebst Nasenbluten und anderes abbekam. Und dieser schwer zugerichtete Arzt und Familienvater setzt sich in das Auto und fährt mit hoher Geschwindigkeit gegen einen Baum und ist tot. Ich weiß nicht, wie wir alle in der Klasse von diesem Vorgang erfahren hatten. Und wir behandelten Hubert oft sehr mitleidsvoll, besonders, wenn er so traurig vor sich hinstarrte. Vielleicht war ich ja in einem früheren Leben selbst mal solch ein Mann, weil mir diese Geschichte damals so naheging, aber dir auch.

      Ja, man dürfte solche Sexbesessenen auf keinen Fall in Kliniken einstellen. Und als er aus dem Schwesterzimmer trat und mich sah, sagte er: „Guten Morgen, Schwester Leonore. Ich wünsche Ihnen einen reizvollen Tag.“ Was soll denn das wohl bedeuten? Am liebsten hätte ich ihm eine runtergehauen, solch ein Flegel. Und ich sah, wie der Reißverschluss seiner Hose noch nicht ganz hochgezogen war. Und keck, wie ich bin, entgegnete ich: „Passen Sie auf, dass nichts Reizvolles aus dem Hosenstall herausfällt.“ Er schaute hinunter. Drehte sich um und ging in das Ärztezimmer. Elisabeth sah ich, wie sie sich schnell auf unsere Toilette begab, indem sie mir nur ein kurzes „Guten Morgen“ zuwarf. Ich konnte sie nicht mehr sprechen, da ihre Schicht beendet war. Doch als ich in einem Patientenzimmer ein Fenster öffnete, sah ich, wie sie in das Auto von Doktor Dudszinski stieg. Hoffentlich schwängert er sie nicht. Du siehst also, wie abwechslungsreich ein Krankenschwesterndasein sein kann. Ich hoffe, dass ich dir auch mal wieder was Schönes aus meinem Berufsleben zu berichten habe.

      Aber dein Leben als Kellnerin einschließlich des Zimmerservices ist ja, wie du mir schriebst, ebenfalls oft spannungsgeladen, vor allem, wenn du nachts noch eine Bestellung auf ein Zimmer zu bringen hast, in welchem sich ein Herr allein aufhält. Wie oft haben dich sicherlich schon Männer angemacht? Und du musstest dich trotz verführerischer Angebote zurückhalten. Doch wie du schriebst, reichst du solchen Herren eine Telefonnummer von einer dir befreundeten Prostituierten, die auf Anruf dann kommt und alle Männerwünsche befriedigt. Hoffentlich ist kein Dr. Dudszinski darunter. Und irgendwann danach rufst du sie an und lässt dir vielleicht berichten, was sie erlebt hatte. Und dann gibt es bestimmt oft einiges zu lachen. Ich habe irgendwo auf einem Buchcover den Titel gelesen: Männer wollen Sex, Frauen wollen reden. Stimmt doch, oder nicht? Gott sei Dank ist es nicht umgekehrt so. Ich bin froh eine Frau zu sein.

      Für heute habe ich genug geschrieben. Grüß bitte William ganz herzlich von mir.

      Deine dich liebende Leo

      ***

       16.1.2014

       Meine liebe Zwillingsschwester Tara!

      Leider muss ich dir nun wieder etwas Entsetzliches berichten. Und wieder handelt es sich um Dr. Marek Dudszinski. Als Felicitas und ich beim Frühstück im Schwesterzimmer saßen, verzog sich auf einmal ihr Gesicht. Tränen rollten dann die Backen herunter, obwohl sie diese mit einem Taschentuch immer wieder abwischte. Ich stand auf und drückte ihren Kopf an meinen Bauch und streichelte ihren Kopf. Ich forderte sie auf, mir zu sagen, was sie so bedrückt. Dann schluchzte sie wieder auf. Schließlich sagte sie, dass sie schwanger sei. Erst wollte sie mir nichts auf meine Frage hin sagen, wer der Schwängerer gewesen ist. Doch dann, unter einem erneuten Aufschluchzen, sagte sie: „Dr. Dudszinski.“ In mir kochte es vor Wut. Dieser Drecksack! Ich kann mir schon denken, wie alles passiert sein könnte. Er hatte ihr garantiert, dass er keinen Gummi beim Verkehr aufzuziehen brauche, da er vorzeitig sein Ding herausziehen würde. Und sie hat sich leider

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