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vom Dienst nach Hause kam erhielt ich noch eine Lesung über das familiäre Miteinander Über- und Unterordnung und wer schließlich Einladungen auszusprechen hat.

      In der Schule gab es das alte Schema, Unterricht wie man ihn aus dem mittlerweile Kultfilm „Die Feuerzangenbowle“ mit Heinz Rühmann kennt. Der Lehrer betritt den Raum, die Schüler springen auf und rufen im Chor: „Guten Morgen Herr Meier/Frau Müller!“. „Setzen!“ Und dann ging der Frontalunterricht los. Mathematik, Deutsch, Erdkunde, Religion und alles ein reines auswendig lernen. Heute gibt es ja wenigstens schon Arbeitsgruppen, Referate und Diskussionen zwischen Lehrer und Schülern, die durchaus auch schon konträr sein dürfen.

      Damals kam der Lehrer gleich hinter dem Pastor, dem Apotheker und dem Hausarzt. Auch das durfte ich am eigenen Leibe erfahren, der Lehrer hatte immer Recht. Einer meiner Lehrer, sogar mein damaliger Klassenlehrer, Herr Bonhoeffer. Ein Neffe von Dietrich Bonhoeffer, der als Pastor der evangelisch-lutherischen Kirche dadurch Ruhm erlangte, dass er sich im kirchlichen Widerspruch gegen die „Deutschen Christen“ befand. Diese Abspaltung von den normalen evangelischen Christen war eine von den Nazis ins leben gerufene christliche Haltung, die sich nach nationalsozialistischer Weltsicht aufgestellt hatte. Und weil Dietrich Bonhoeffer auch in anderer Hinsicht gegen die Nazis in den Widerstad ging, wurde er für seine Haltung von den Nazis umgebracht. Sein Neffe war jedenfalls mein Lehrer und der war aus heutiger Sicht, als Pädagoge eine totale Null. Er mochte mich nicht und ich ihn nicht.

      Und weil sich am Schulsystem bis heute nicht viel geändert hat, weil immer noch Frontalunterricht und Lehrer – Schüler immer noch eine große Distanz wahren, gibt es auch heute noch Aversionen. Das übrigens hat mir vorhin mein Enkel auch von seinem Mathe-Lehrer berichtet. Da schmunzelte ich in mich hinein und dachte an die Dinosaurier. Mein damaliger Lehrer, Herr Bonhoeffer, bestellte einmal meine Mutter ein und sagte ihr, dass ich wohl nicht der fleißigste Schüler sei. Darauf wurde Bonhoeffer zur weiteren Erörterung zu einem Gespräch mit meinen Eltern, zu uns nach Hause eingeladen. Ich wusste dass er kommen sollte. Gebannt wartete ich am Fenster um sein Eintreffen mitzubekommen. Was für ein Typ er war, mag man daraus erkennen, dass er damals schon, Ende der 50er Jahre ein Karmann-Ghia-Cabrio fuhr. Das war damals ein Auto für Angeber und Playboys.

      Durch die Raumanordnung unserer Wohnung konnte ich genau mitbekommen, was meine Eltern für Bücklinge vor diesem arroganten Lehrer machten. Ich bekam genau mit, was ich für unwahr und übertrieben hielt, aber er war der Lehrer, er hatte recht. Nach seinem Besuch bekam ich erstmal die Leviten gelesen, alle Beteuerungen, dass einiges von dem, was er gesagt hatte übertrieben war und von mir ganz anders gesehen wurde, halfen nicht. Das ist für ein Kind ein Schlag in die Magengrube, wenn es sich belogen oder betrogen fühlt und wenn dann die Personen seines engsten Vertrauens nicht zu ihm halten sondern den Lehrer noch hofieren, dann fühlt man sich regelrecht verraten.

      In meiner schulischen Entwicklung wurde ich dadurch nicht gerade voran gebracht. Dennoch gab es in meinem schulischen Leben auch Lichtblicke. Zu erwähnen sind dabei unbedingt zwei Lehrer, Herr Mahlmann und Dr. Hartmann. Beide waren Lehrer, die forderten, die aber auch belohnten und die auf die Kinder eingingen. Mahlmann ging immer wie ein britischer Offizier mit seinem Lineal, dass er unter der rechten Achsel eingeklemmt hatte, durch die Klasse. Wenn jetzt ein Schüler irgendwie nicht aufpasste oder gar Blödsinn machte, dann schlug er einmal kurz neben dem Schüler auf den Tisch, und wenn der Schüler mal wirklich penetrant Unsinn machte, dann haute er damit auch schon mal auf die Finger. Aber bei ihm hatte ich keine Probleme, bei mir musste er nicht einmal auf den Tisch hauen.

      Aber zu seiner Ehrenrettung sei gesagt, dass der disziplinare Gebrauch des Lineals nicht täglich zum Unterrichtsablauf gehörte, aber man wusste, dass man sich in Acht nehmen musste. Bei Dr. Hartmann weiß ich nicht, der hatte mich genauer erkannt, der sagte einmal zu meiner Mutter, dass es Schade sei, dass ich erst so spät unter seine Fittiche kam, man hätte aus mir mehr heraus holen können. Das mag aus heutiger Sicht richtig sein, denn Schule ist immer auch das gegenseitige Vertrauen zwischen Schüler und Lehrer und es gab zu der Zeit nur zwei Lehrer zu denen ich großes Vertrauen hatte, zu eben diesen beiden besagten Lehrern. Aber verlorene Chancen kann man nur selten wieder einholen. Auch damals schon hätte es zwar die Möglichkeit des zweiten Bildungsweges gegeben, aber da lagen relativ viele Hindernisse im Wege, Prüfungen und Eignungstests und außerdem standen für mich andere Dinge im Vordergrund, denn ich wollte raus, raus aus diesem täglichen Einerlei, nicht ewig nur Schule, Elternhaus. Ich wollte den Mief des Kleinbürgertums hinter mir lassen.

       Mit dem Einstieg ins Berufsleben wurde ich Gewerk-schafter

      Die Schule hatte ich dennoch ganz anständig hinter mich gebracht und sollte nun in die Lehre gehen. Eigentlich wollte ich zur See fahren, wollte wie mein großes Vorbild, Felix Graf Luckner, Kapitän werden. Dafür hatte ich mich sogar schon in der Seemannschule, in Wewelsfleth, das ist oben an der Wesermündung, angemeldet. Aber da hatte meine Mutter letztendlich doch etwas dagegen. Ich solle doch mal überlegen und man käme dabei doch so fern vom Elternhaus auch leicht unter die Räder. Vor allem, Kapitän würde ich mit meinem Hauptschulabschluss schon mal gar nicht werden können, ich würde ewig nur als Matrose rum laufen und alle möglichen Gründe dagegen wurden aufgeführt. Es war nicht so, dass man einen Weg positiv begleiten wollte, nein, es wurden nur die negativen Seiten ins Feld geführt. Hinzu kam dann auch noch, dass mein Vater sehr krank wurde und die Krankheit ihn zwang in den Ruhestand zu gehen. Damals waren Mütter nicht berufstätig, und so wollte meine Mutter mit meines Vaters Eintritt in den Ruhestand gerne wieder an die Stätten ihres früheren Lebens zurückkehren, also nach Hildesheim ziehen. Vor diesem Hintergrund wurde mit mir eine Einigung dahingehend gefunden, dass ich eine kaufmännische Ausbildung machen sollte.

      Die Verwandtschaft in Hildesheim wurde in diese Pläne mit einbezogen und um schon mal dafür gerüstet zu sein, dass man in naher Zukunft umziehen wollte, sollte ich schon mal eine Lehrstelle in Hildesheim suchen. Gesagt getan, also machten wir uns alle zusammen auf eine Lehrplatzsuche in Hildesheim. Meine Eltern bekamen von meiner Tante die Hildesheimer Zeitung geschickt und auch meine dortige Verwandtschaft suchte mit. Mit meiner Tante und meinem Onkel wurde abgesprochen, dass ich bei denen wohnen konnte, bis meine Eltern dann eine Wohnung in Hildesheim finden und nachziehen würden. Alle Mühen führten zum Erfolg, ich fand einen Lehrplatz bei der Firma J.Peemöller, Eisen- und Haushaltswaren. Dort sollte ich den Beruf des Einzelhandelskaufmanns erlernen. Heute wäre das der Baumarkt, aber früher wurde man noch beraten, da konnte man die Schrauben einzeln kaufen. Die Beratung war dann zum Beispiel gefragt, wenn der Kunde wissen wollte, welcher Spaten für die Gartenarbeit stabiler ist; auch Türschlösser, für eine Haustür oder Zimmertür gehörten zum Sortiment, da musste man dann wissen, wo die Tür angeschlagen ist, weil, wenn sie rechts angeschlagen ist und man ein linkes Schloss verkauft, gibt’s heftige Probleme. Auch Fensterbeschläge gehörten zum Sortiment. Mein Lehrherr, so sagte man früher, richtete an uns Lehrlinge den Anspruch, dass wir auch mit dem Werkzeug, das wir verkauften, umgehen konnten. Ein Anspruch, der mir später sehr oft geholfen hat, wenn ich mal handwerklich tätig werden wollte oder musste. Nur an Elektrik und Gas traue ich mich bis heute nicht heran.

      Mit Beginn der Ausbildung wurde ich bei meiner Tante und meinem Onkel einquartiert. Mein Onkel war Arbeiter in einer Eisenfabrik, er stand am Schmelzofen und war der Malocher im besten Sinne. Wir alle Drei verstanden uns bestens, natürlich hat meine Tante auch mal mit mir schimpfen müssen, weil ich nicht aufgeräumt hatte, aber das wurde dann eben gemacht und alles war gut. Mein Onkel war ein Sozialdemokrat der ersten Stunde er war kein Mitglied in der SPD, aber er war Arbeiter, er lebte die SPD. Aber in der Gewerkschaft war mein Onkel, und er war es auch, der mir den Stellenwert der Gewerkschaft klar machte, der mir sagte, dass die Gewerkschaft die Interessen der Arbeitnehmer vertritt und dass wir gegenüber dem Arbeitgeber nur so stark sein können, wie wir in unserer Gewerkschaft vertreten sind, also ergab sich die Frage von selbst, dass ich in die Gewerkschaft eintreten musste. Und so trat ich im Jahre 1963 in die DAG ein. Damit gehörte ich automatisch zur DAG-Jugend. Wir hatten eine große Jugendgruppe und zu unseren Aktivitäten gehörten auch Scheinfirmen. Wenn man das hört, denkt man fast automatisch an Wirtschaftskriminalität, war es aber nicht. Unsere Scheinfirmen bestanden darin, dass wir uns etwa alle 14 Tage nach Feierabend trafen und gemeinsam, nur auf dem Papier und in der Theorie das übten, was wir im Betrieb nicht lernen konnten. Wir Lehrlinge, so

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