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      So kommt es, dass die Politik mit Nichtwissen die Augen vor denen verschließt, die am Rande der Mittelstandsgesellschaft leben und die, die von diesem Tellerrand bereits heruntergefallen sind und sich mit Hartz IV und mit Niedriglohn über Wasser halten, die werden gar nicht mehr wahrgenommen. Wer es nicht glaubt, möge die Probe aufs Exempel machen und möge sich an die Nebeneingangstür des Bundestages stellen und den erstbesten Abgeordneten nach der Höhe des derzeitigen Hartz IV-Satzes fragen. Oder einfach nur den Abgeordneten des heimatlichen Wahlkreises fragen. Aber egal welche Partei, diesen Regelsatz kennen nur die Wenigsten.

      Von der Partei DIE LINKE wurde der Gedanke des bedingungslosen Grundeinkommens ins Spiel gebracht. Anders als in anderen Ländern, wird von unseren politischen Vertretern, bei Vorschlägen die vom politischen Gegner kommen, aber immer erst einmal das Haar in der Suppe gesucht, das diese Vorschläge oder diese Idee ad absurdum führen könnte. Beim Grundeinkommen fragten die politischen Gegner zu denen auch die Sozialdemokraten zählen gleich: Wer soll das denn erwirtschaften, wenn man ohne Arbeit sein Leben, leben kann, dann wird doch niemand mehr arbeiten wollen. Ohne hier jetzt ein volkwirtschaftliches Symposium eröffnen zu wollen wäre vor der Frage: Warum? Darauf zu verweisen, dass namhafte Ökonomen auch schon laut über die Sinnhaftigkeit eines Grundeinkommens nachgedacht haben und zupositiven Ergebnissen gekommen sind. Zumal der Mensch in seiner Lebenseinstellung immer auch positiv zur Arbeit steht – er will also arbeiten. Nur zuhause zu sitzen und vom Mindesteinkommen leben zu müssen, wird mehrheitlich kein Ziel sein.

      Es wäre aber eine Chance, ein selbstbestimmtes Leben, das eine neigungsorientierte Arbeit ermöglicht, zu führen. Beispielsweise als Musiker, als Schriftsteller oder andere Berufe, die nicht sofort ein auskömmliches Einkommen ermöglichen. In anderen Ländern hat man es bereits eingeführt und in einer zunehmend digitalisierten Welt muss man andere Abschöpfungsmöglichkeiten von den Gewinnen und Einkommen finden, um so etwas finanzieren zu können, denn wenn erst die Automatisierung soweit fortgeschritten ist, dass nur noch ein Drittel der Bevölkerung Arbeit hat, dann wird die Politik irgendwann gezwungen sein, neue Wege zu suchen. Eingriffe in die Wirtschaft, zusätzliche Abgaben oder Steuern sind natürlich problematisch, denn irgendein Börsenguru sagte einmal: „Das Kapital ist wie ein scheues Reh, wenn man ihm zu nahe rückt, ergreift es die Flucht.“ Aber auch aus der Psychotherapie weiß man, dass der Normalverdiener eigentlich recht glücklich ist, dass aber die Angst um das erworbene Kapital zunimmt, je mehr vorhanden ist. Dennoch gibt es inzwischen immer mehr verantwortungsbewusste Kapitaleigner, die bereit wären, mehr Steuer zu zahlen, wenn das der Allgemeinheit zu Gute käme. Gleichwohl ist ein Eingriff in ein bestehendes System ein reiner Seiltanz, denn in der realen Wirtschaft greift ein Zahnrad in das nächste und so herrscht ein gewisser Zugzwang. Man kann nicht alles und schon gar nicht ad hoc durchsetzen. Dennoch werden wir, wenn wir alle Menschen mitnehmen wollen und das sind wir der Humangesellschaft schuldig, nicht darum herumkommen, uns auch mit den Bedürfnissen und mit den Nöten der Menschen auseinander setzen zu müssen. Erst wenn diese Menschen die durch irgendeinen Umstand in eine prekäre Lage gekommen sind merken, dass es uns ernst ist, dass wir ehrliche Ansätze des Kümmerns bringen und eine Programmatik entwickeln in die sie eingebunden sind, dann werden diese Menschen auch wieder politisch am gesellschaftlichen Leben teilnehmen wollen.

      Gerade heute, vor dem Hintergrund der Flüchtlingsproblematik nimmt die Notwendigkeit zu, auch nach innen, für die benachteiligten Menschen etwas tun zu wollen, zu. Wenn erst der Eindruck und nur der bloße Verdacht aufkeimt, dass man sich um Flüchtlinge mehr kümmern würde, als um die Menschen aus benachteiligten Schichten, dann könnte das zu schlimmen Ausschreitungen führen, wie wir sie bereits erlebt haben. Hier ist die SPD gefordert dem Begriff „Sozial“ in ihrem Namen wieder einen Inhalt zu geben.

      Im Hinblick auf die Gendergerechtigkeit haben inzwischen obergerichtliche Urteile die Orthografie der Bundesrepublik so beeinflusst, dass man einen Text völlig entstellt, wenn man ihn der Sache gerecht schreiben möchte. Ich weigere mich jedoch Kolleg*in oder Empfänger*in zu schreiben. Um den Lesefluss auch weiterhin zu gewährleisten, werde ich jeweils das Maskulinum oder das Femininum verwenden weil alles Andere sinnentfremdend wirken würde. Ich bin von ganzem Herzen Gewerkschafter und bin durch die Gender-Schulung gegangen, machen Sie´s bitte wie ich, jedes Mal, wenn ich das Maskulinum verwende denke ich immer auch an die weibliche und neuerdings auch an die dritte Form.

       Die Geschichte des Versagens ist lang

      Es ist immer der Mensch, der hinter einem Fehler steht. Aber ob das heute als Fehler betrachtete Verhalten oder Tun wirklich ein Fehler war, stellt sich immer erst in der Geschichte, hinterher heraus. Wie bereits in der Einführung angedeutet, verließen in der Ära Helmut Schmidt viele Genossen die Partei. Die Friedensbewegung und das aufbrechende Öko-Bewusstsein ließ viele Parteimitglieder mit dem damaligen Kurs der SPD hadern. Die Grünen wurden gegründet. Mit Helmut Schmidt ging die SPD schon auf eine andere, eine konservativere Schiene. Nicht neoliberal, aber die SPD öffnete sich der sozial-liberalen Richtung und war daher auch von liberal-Konservativen Wählern wählbar. Damit will ich keineswegs am Denkmal Helmut Schmidts kratzen, aber jedem Sozialdemokraten war bewusst, dass jetzt ein anderer Wind durch das alte Gemäuer der sozialen Demokratie pfiff.

      Aber ihre Unschuld verlor die SPD endgültig unter dem Kanzler Gerhard Schröder, als unter seiner Kanzlerschaft, im Jahre 2002 die Hartz-IV-Gesetze verabschiedet wurden. Damals hatte ich in einem Leserbrief gefragt: SPD quo vadis? SPD, welchen Weg gehst du? Denn mit diesen Gesetzen wurden deutlich härtere Einschnitte in das soziale Netz vorgenommen, als je zuvor unter irgendeinem seiner Vorgänger. Bei jedem anderen Kanzler, insbesondere einem CDU-Kanzler, wäre ein Sturm der Entrüstung durchs Land gegangen, wenn der die sozialen Einschnitte vorgenommen hätte, wie sie unter Schröder vorgenommen wurden.

      Keine Frage, die Sozialhilfe der 90er Jahre war als soziales Netz zu einer „Hängematte“ mutiert, in die sich nicht nur mehr der klassische Sozialhilfeempfänger in der dritten Generation, sondern mehr und mehr, auch Intellektuelle mit akademischem Abschluss und Menschen wie du und ich, die eigentlich gut im Beruf etabliert waren, die sich aber mit dem Anspruch fallen ließen „warum arbeiten, wenn man versorgt wird.“ Diese Art der Sozialhilfe musste in Form und Inhalt anders organisiert werden. Das ist allerdings kein Widerspruch zum bedingungslosen Grundeinkommen. Denn es wird immer Menschen geben, die sich am Rande, mit dem Minimum einrichten. Aber eine humanitäre Industriegesellschaft muss in der Lage sein, diese Menschen aufzufangen und ihr Leben und Überleben abzusichern. Aber das ist eine andere Geschichte, denn welche Probleme unsere kapitalistisch ausgerichtete, schnelllebige Gesellschaft mit sich bringt und welche menschlichen Opfer sie fordert kann hier nicht beleuchtet werden.

      Aber die Unbeweglichkeit der Vorgängerregierung unter Helmut Kohl zwang im Grunde der SPD das Diktat des Handelns auf. Der Kanzler der Einheit hatte irgendwann, in den 92er Jahren gesagt, dass wir, dass die Menschen unserer Republik, durch ein Tal der Tränen werden gehen müssen. Aber er hat nach Kohlscher Art diese Frage ausgesessen und damit eigentlich das Tal als solches noch vertieft. Schon er hätte Maßnahmen ergreifen müssen, die Wohlstandsabfederung aufzufangen. Er hat in maßloser Selbstüberschätzung, weil er auch niemanden aus seiner eigenen Partei neben sich duldete, quasi billigend in Kauf genommen, dass in 1998 ein frisch – fromm – fröhlicher sozialdemokratischer Kanzler die Regierungsgeschäfte übernahm.

      Die Regierung unter Kohl hatte derart abgewirtschaftet, dass sich sogar Leute abwandten, die sonst als treue Vasallen der CDU galten. Aber nun, da sich nichts mehr bewegte, quasi eine Politik des Stillstandes herrschte, musste die Wahl eine Wende bringen, und sie brachte eine Wende. Wie gesagt, Gerhard Schröder kam und ließ sich vom Fluidum eines volksnahen Kanzlers umwehen. Unvergessen sein Auftritt bei der Familiensendung „Wetten dass….“ Mit Thomas Gottschalk. Gerhard Schröder ließ sich feiern und feierte kräftig mit, bis er merkte, dass in der Bundeskasse gar nicht so viel Geld war, wie er auszugeben gedachte. Nun mussten Einschnitte gemacht werden. Eine Troika aus Gewerkschaftern, Wirtschaftsvertretern, den Kirchen und Politikern bekam die Aufgabe Wege aus der Bezahlgesellschaft zu finden. Allen voran ein ehemaliger VW-Personalmanager, Peter Hartz. Unter seiner Leitung fand die Troika den Weg zu Einsparungen im sozialen Netzwerk. Das Arbeitslosengeld wurde anders bezeichnet und aufgeteilt, die Arbeitslosenhilfe wurde umgestaltet und die Hartz IV-Gesetze wurden alsbald verabschiedet. Bis heute sind diese

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