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Man wollte auch nicht mehr, dass die Stahlschmieden diesen infernalischen Einfluss auf die Politik erhalten.

      Mit diesem zweifellos hehren Grundgedanken prägte der erste Wirtschaftsminister unserer damals jungen Republik, Ludwig Erhardt, als Wirtschaftsleitsatz den Begriff der „Soziale Marktwirtschaft“. Jedoch konnte die Neue Wirtschaft nicht mit der alten Reichsmark begonnen werden. Und so sinnierten die Parlamentarier im ersten Bundestag, wie sie den Markt in geordnete Bahnen lenken konnten. Um die Wirtschaft gleichgewichtig und unter gleichen Vorzeichen zu starten, war eine allseits akzeptierte Währung dringend erforderlich.

      Alle Maschinen waren nach dem Krieg jedoch zerstört oder die intakten Maschinen wurden durch die Siegermächte abgebaut. Unsere junge Republik war gar nicht in der Lage, eine solche Mammutaufgabe, wie den Druck einer neuen Währung, zu erfüllen. Daher wurde unsere neue Währung, die Deutsche Mark, die später nur noch D-Mark genannt wurde, in den USA gedruckt. Anschließend wurde die neue Währung unter dem Code-Namen „Bird Dog“ in 20 000 Holzkisten über den Atlantik gebracht und hier unter strengster Abschirmung vor der Öffentlichkeit angelandet. Gleichzeitig wurden im April 1948 von führenden deutschen Geldexperten die Grundlagen für die Logistik der Währungsumstellung erarbeitet. Am 20. Juni 1948 wurde die Reichsmark gegen die „DMark“ ausgewechselt. Aber nicht 1 zu 1, jeder Deutsche erhielt gegen Einzahlung von 60 Reichsmark die sogenannte Kopfquote in Höhe von 40 D-Mark. Zwei Monate später wurden weitere 20 D-Mark ausgezahlt. Und mit der Einführung der „D-Mark“ nahm ein unvergleichbarer Wirtschaftsaufstieg seinen Anfang.

      Währungsreformen waren und sind, wie kürzlich die EUROUmstellung nichts Neues in der Geschichte des Geldes. Schmerzlich war die Währungsreform von 1948 deshalb, weil die Währungsumstellung es mit sich brachte, dass die Guthaben der Sparer in einer Quote von 100 zu 6,5 geschrumpft wurden. Anders gesagt bedeutete das, wer 100,-- Reichsmark auf dem Konto, oder als Guthaben in einem Spar- oder Versicherungsvertrag hatte, für den blieben nach der Umstellung nur noch 6,50 D-Mark als Guthaben nach.

      Aus meiner Kindheit erinnere ich mich noch daran, welche Verwerfungen die 100 zu 6,5 Lösung sogar in meinem direkten Umfeld brachte. Denn, bei einem Verwandtschaftsbesuch hörte ich, dass dort ein Versicherungsvertreter aufgetaucht sei, der meinem Onkel erklärt habe, dass aus seiner Lebensversicherung nicht mehr das erhoffte Kapital fließen würde. Mein Onkel soll sehr wütend geworden sein und als der Vertreter ihm dazu noch riet, das Geld nun doch irgendwie bei seiner Gesellschaft zu belassen und wieder anzulegen, so wurde berichtet, soll er den Mann unter bösen Drohungen vom Hof gejagt haben. Er war kein Kaufmann, hätte er auf den Versicherungsagenten gehört, hätte er seinen ersten Kapitalstock gebildet.

      In diesem Zusammenhang führe man sich die Währungsumstellung nach der Wiedervereinigung mit der damaligen DDR vor Augen, die 1 zu 1 erfolgte. Ein Vergleich wäre dennoch fragwürdig, weil in dem Zusammenhang ganz andere Kriterien zugrunde lagen. Auch wenn man im Rückblick sagen kann, dass diese Umstellung für den Westen ein großes Zugeständnis war. Aber wenn man vor diesem Hintergrund um Prozente oder Stellen hinter dem Komma gefeilscht hätte, dann hätte dies sicher zu einem Gerechtigkeitsproblem und auch zu zwischenmenschlichen Problemen geführt. Wobei aber eindeutig zu sagen ist, dass die Menschen, die im anderen deutschen Staat aufgewachsen waren, trotz des Versuches Gerechtigkeit herstellen zu wollen immer, auch heute noch benachteiligt sind. Dennoch wäre es schwierig, die Benachteiligung beziffern zu wollen. Ohne näher darauf eingehen zu wollen, sind hier die Renten, die Arbeitslöhne und die Abwicklung über die Treuhand zu erwähnen. Ich will hiermit lediglich dem Leser verdeutlichen, was damals so ungefähr abgegangen sein muss.

       Erste politische Berührungen

      Ich stamme aus einem ziemlich konservativen Beamtenhaushalt und eigentlich hatte ich als Kind immer irgendwelchen Blödsinn vor. Damals spielten wir Kinder noch auf der Straße. Ja, mitten auf der Straße spielten wir Fußball und Hüpfspiele und wenn mal ein Auto kam riefen die anderen Kinder: „Auto!“ Das ließ man dann passieren und spielte einfach weiter. Detmold, die Stadt in der ich aufwuchs war Gerichtssitz und auch Sitz der Bezirksregierung, in der mein Vater das Geld für unser Brot verdiente.

      Es war die Zeit in der Papa Heuss unser Bundespräsident war. Der war weit weg, in Bonn, wo auch Konrad Adenauer der damalige Bundeskanzler regierte. Dort spielte das politische Leben dieser Republik. Und das war das, was man in der Schule lernte, aber ansonsten war das Leben unpolitisch. Bisweilen, wenn mal ein Wahlkampf anstand hörte man zuhause schon mal wo die Richtung hin ging, aber die Unterschiede konnte ich als Kind natürlich nicht erkennen. Da ich aber zuhause nur immer hörte, dass die Sozialdemokraten nicht mit Geld umgehen können und dass sie auch sonst nur vorhaben den Leuten, die Geld haben, das abzunehmen, war Willy Brandt für mich erst einmal der Vertreter einer Partei die alles wegnehmen wollte.

      Jedoch erinnere ich mich, dass die SPD immer so kleine rote Gummibällchen verteilte und die waren wunderbar zum Spielen geeignet aufgrund ihrer schönen roten Farbe fand man sie einfach immer wieder. Ich wuchs heran und eines schönen Tages hatten wir wieder einmal Wahlkampf. Willy Brandt, der Regierende Bürgermeister der Stadt Berlin, sollte in Detmold, wo ich damals aufwuchs, auf dem Marktplatz eine Rede halten. Der Regierende Bürgermeister von Berlin war immer eine Größe, wegen der exponierten Stellung Berlins in der Bundespolitik. Jedes Kind wusste, die Hauptstadt der Bundesrepublik ist Bonn – aber wir arbeiten an der Wiedervereinigung und dann soll Berlin wieder Hauptstadt werden. Berlin hatte also einen herausgehobenen Status und der Regierende Bürgermeister von Berlin kam in der Rangfolge gleich hinter dem Bundespräsidenten, dem Kanzler und seinen Ministern. Berlin war ja eine eingeschlossene Stadt, eingeschlossen von den bösen Kommunisten, die nur auf den günstigen Moment warteten auch den Westen unterjochen zu können.

      Und nun sollte jener Willy Brandt nach Detmold in die Provinz kommen. Auch wenn mein Vater Kriegsteilnehmer war, so war er dennoch ganz sicher kein Mitläufer der Nazis. Aber Willy Brandt war für ihn ein Niemand. Einer der sich während des Krieges aus dem Staub gemacht hatte und nun das große Wort führen wollte. Dass Brandt vor den Nazis fliehen musste, um nicht in einem KZ zu landen oder weil er sonst von den Nazischergen verfolgt und umgebracht worden wäre, das unterstelle ich mal, hatte mein Vater sicher nicht geahnt oder gewusst, denn eigentlich war mein Vater ein durchaus objektiv denkender Mensch der keineswegs irgendwelchen Gedanken an die unselige Nazizeit nachhing. Im privatesten Kreise der Familie, der Familien allgemein damals, mochte man nicht so gern über das Tun dieses fürchterlichen Naziregimes sprechen oder gar nachdenken, man verdrängte es einfach.

      Viele Menschen waren noch von den Erlebnissen des Krieges traumatisiert, aber es gab keine Psychotherapeuten, es gab für solche seelischen Nöte keine Hilfe, da mussten die Menschen allein durch. Wir hatten nie darüber gesprochen, was mein Vater alles erlebt hatte. Er war als hundert Prozent Schwerkriegsbeschädigter aus dem Krieg heimgekommen (ihm fehlte ein Bein, zwei Finger der rechten Hand und er hatte Granatsplitter im Rücken) mit diesen schweren Kriegserinnerungen, davon gehe ich aus, wird er sicher das ein oder andere Trauma erlebt haben.

      Insofern ist es auch im Rückblick für mich verständlich, dass diese Thematik weitestgehend ausgespart wurde, zumal damals die Erziehung noch nicht so offen und frei war wie heute. Wie sollte man Heranwachsenden die Probleme einer ganzen Generation erklären? Lief man nicht Gefahr, dass so etwas auch leicht als ein persönliches Schuldeingeständnis ausgelegt werden könnte und Schuld war man ja nicht. Die Zeit und die Weitsicht in der Erziehung, wie auch der persönliche Umgang mit diesen ganzen schrecklichen Ereignissen musste, wie schon gesagt, jeder für sich verarbeiten.

      Sicher, man hatte davon gehört, dass hunderttausende Juden umgebracht wurden und man wusste, dass Schwule im KZ landeten und auch dass Sinti und Roma verfolgt wurden, aber abgesehen davon, unterstelle ich, dass wirklich nur wenige dieser Generation genauere Zahlen der Tötungsmaschinerie der Nazis kannten. Dass aber daneben auch Sozialdemokraten in ständiger Gefahr lebten, das hatte mein Vater, wie viele andere auch, wahrscheinlich irgendwie verdrängt oder auch wirklich nicht gewusst. Es gab damals kein Internet, nicht mal Fernsehen. So wie heute bei uns im Wohnzimmer oder gar in mehreren Wohnbereichen die Welt zu Gast ist, das war unvorstellbar. Man wusste nur eines, die Nazi-Schergen lauerten überall.

      Gerade meinen Vater habe ich schon früh als einen politisch sehr interessierten und kritischen Menschen kennengelernt.

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