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      Linda hatte den Kopf gehoben. Ungläubig und erschrocken blickte sie auf den drahtigen, jungen Mann. Eine dünne Schweißschicht überzog ihr Gesicht. Morrister hob das Glas an die Lippen, trank. Er brauchte Zeit, sich für ein erneutes spöttisches Lächeln zu sammeln.

      »Sie reden ja so, als würden Sie Big Joe besser kennen als jeder von uns.«

      »So ist es. Immerhin bin ich sein Sohn.«

      Morrister fiel fast das Glas aus der Hand. Mehrere Sekunden lang war es totenstill. Dann durchlief ein Raunen die Schar der Schießer.

      »Ich hätte Sie töten sollen, Sie verdammter Schuft!«, stöhnte Linda. »Irgendwann hole ich es nach!«

      Coltpoker-Larry blickte sie ausdruckslos an.

      »Sie werden noch begreifen, dass Sie auf den falschen Mann gesetzt haben«, sagte er hart. »Dann werden Sie nicht mich, sondern ihn hassen, Linda.«

      »Niemals!«

      »Big Joe Langtrys Sohn, der als Revolvermann bei mir anheuern will!« Morrister lachte heiser. »Ich werd’ verrückt!«

      »Verrückt nach Geld und Macht, das sind Sie doch längst«, antwortete Larry spöttisch. »Genauso verrückt bin ich danach, Big Joe heimzuzahlen, was er mir angetan hat.« Er strich über die Narbe, die von seiner rechten Schläfe zum Kinn hinablief. Seine Augen funkelten. »Sie wollen die Frachtlinie, ich will die Frau. Keiner kommt dabei dem anderen in die Quere.«

      Hastig füllte Morrister abermals sein Glas. Er trank durstig. Seine Miene war glatt, aber Larry wusste, wie seine Gedanken wirbelten. Deshalb ließ er ihm Zeit. Hart stellte Morrister das Glas auf den Tisch zurück.

      »Ich hasse es, wenn ein Mann versucht, mir Bedingungen zu stellen, und so tut, als würde sich ohne ihn die Welt nicht mehr weiterdrehen. Weiß der Teufel, was Sie mit Ihrem Alten abgemacht haben, Larry, aber Ihr Hass und Ihre Rachsucht haben Ihrem Verstand geschadet. Nehmen wir trotzdem mal an, Big Joe ist so stur, nicht auf meine Forderung einzugehen. Dann bleibt mir immer noch das Mittel des offenen Kampfes. Der Trail durch die Puma Gulch bedeutete für Big Joe einen so enormen Umweg, dass es mir ein Leichtes sein wird, ihn mit meinen Revolvermännern vor Salida einzuholen.«

      Das war ein Argument, das Coltpoker-Larry nicht aus der Ruhe bringen konnte. Ebensowenig wie der Hass und die Verzweiflung in Lindas Augen. Er nickte ruhig.

      »Gewiss. Nur kommt auf der Hochebene südlich von Salida kein Mensch an Big Joes Wagen heran, ohne von dort mit Blei begrüßt zu werden. Sicher können Sie mit Ihrer Übermacht die paar Verteidiger überrennen, Morrister, aber garantiert nicht, ohne dass ein Drittel oder gar die Hälfte Ihrer Mannschaft dabei draufgeht. Die Kerle, die jetzt noch bei Big Joe aushalten, mögen zwar nicht die hellsten Köpfe sein, aber Hasenfüße sind es bestimmt nicht. Denken Sie nur mal an Old Tate!«

      »Haben Sie den Oldtimer deshalb zu Ihrem Vater zurückgeschickt?«

      »Er wird Big Joe jedenfalls berichten, dass ich ihm das Leben gerettet habe. Grund genug für Big Joe und seine Leute, mich als einzigen an die Wagen heranzulassen.«

      »Der Teufel soll diese Karren holen! Alles, was ich will, ist, dass sie Salida nie erreichen!«

      »Warum eigentlich nicht?« Als wäre er als Gast hier, füllte Larry nun ebenfalls ein Glas und trank. »Ich weiß von Tate, dass Big Joe sein letztes Geld in den Treck gesteckt hat. Die Wagen sind bis unters Dach mit allem möglichen Zeug vollgestopft, das in den Nestern am Ponchapass mit purem Gold aufgewogen wird. Warum nicht gleich richtig ins Geschäft einsteigen, Morrister, wenn sich Ihnen die Chance bietet, die Fahrzeuge unversehrt in die Hand zu bekommen - durch mich?«

      »Er will Sie nur reinlegen, Morrister«, zischte die Frau.

      Der Bandenführer musterte Larry argwöhnisch.

      »Ich trau’s ihm zu«, nickte er zögernd. »Er ist der gerissenste Tüftler, der mir je begegnet ist. Aber ich trau’ ihm ebenfalls zu, dass er kaltblütig genug ist, seinen eigenen Vater ans Messer zu liefern. Ihr Hass und Ihre Angst, Linda, scheinen es zu bestätigen. Okay, Langtry, ich verliere nichts, wenn ich mit meiner Entscheidung warte, bis die Jungs zurück sind, die ich hinter Big Joe hergeschickt habe. Wenn sie mit Joe und den Wagen kommen, sind Sie ein toter Mann. Wenn nicht, können wir immer noch über Ihren Vorschlag sprechen. Bis dahin werden Sie weder Waffe, noch Pferd bekommen. Und wenn er versucht, das Camp zu verlassen, dann redet nicht lange, Leute, dann legt ihn um!«

      7

      Eine Staubwolke umhüllte Old Tate Slocum, als er bei den mondbeschienenen Planwagen vom Pferd sprang. Big Joe, Luke Enfield und Jack Randlett blickten ihn nur flüchtig an. Ihre Augen wirkten leer, ihre verkrampften Mienen waren schweißbedeckt. Dann spähten sie wieder an den Fahrzeugen vorbei zu den beiden Reitern, die dort, wo der schwarze Schlund der Puma Gulch in die Hochebene mündete, reglos auf ihren Gäulen hockten.

      Das von der bläulich schimmernden Silhouette des Gebirges umschlossene Land war bretteben. Dürre Hartgrasbüschel wuchsen aus der seit Wochen ausgetrockneten, zu Staub zerfallenen Erde. Die Luft war kühl. Weiße Wolken schwammen in einem Meer von Sternen.

      Müde standen die Zugpferde im Geschirr. Die Reittiere waren an den MurphyWagen festgebunden. Old Tates Gaul war so abgetrieben, dass sein Besitzer ihn ebenfalls festleinen musste. Der Schatten der Fuhrwerke lag auf den Männern. Erst als der Oldtimer stumm und entschlossen ein Gewehr vom mittleren Fahrzeug nahm, reagierte der Frachtwagenboss.

      »Lass das!« Seiner heiseren Stimme fehlte viel von der einstigen Härte. »Ja, zum Teufel, die Burschen da drüben gehören zu Morristers Crew. Aber es ist vorbei, und wir haben verloren, Tate. Leg das Gewehr zurück! Diese Bastarde sind hier, weil sie Linda haben.«

      »Ich weiß.«

      Slocum packte den Karabiner fester. Seine knochige Gestalt spannte sich. Im Mondlicht wirkte sein Ledergesicht wie von hundert Rissen durchzogen. Langtry starrte ihn verblüfft an.

      Einer der beiden Reiter bei der Schluchtmündung schrie wütend: »He, Langtry, ein Mann mehr auf deiner Seite hilft dir jetzt auch nicht mehr weiter! Verflucht, worauf wartest du noch? Ihr werdet diese verdammten Rumpelkästen ja doch nicht nach Salida, sondern in Morristers Camp am Bluebird Creek kutschieren. Und dort wirst du dann auch in aller Form deinen Frachtkontrakt an den Boss abtreten, wenn du nicht willst, dass ...«

      Old Tate schob sich an Langtry vorbei neben den Planwagen. Sein Gewehr spuckte einen Feuerstrahl. Eine Staubfahne flog wenige Yards vor den Reitern hoch. Die Gäule wieherten erschrocken. Fluchend zerrten die Banditen an den Zügeln. Big Joe Langtry riss den dürren Oldtimer heftig herum.

      »Hast du den Verstand verloren, Tate?«, brüllte er.

      Enfield und Randlett starrten den Oldtimer erschrocken an. Sein Grinsen wirkte gespenstisch. Es war das verzweifelte Grinsen eines Mannes, der entschlossen war, über den eigenen Schatten zu springen.

      »Denk, was du willst, Boss! Ich lasse es jedenfalls nicht zu, dass du diesem Hundesohn Morrister all das in den Rachen schmeißt, wofür Johnny Preston und Mike Griffin vorige Nacht noch gestorben sind! Ich habe mein Leben riskiert, um Healy, diesen Dreckskerl von Verräter, deswegen in die Hölle zu schicken, weil kein Gesetz da ist, das mir diese Arbeit abgenommen hätte. Zum Teufel, das alles darf nicht umsonst gewesen sein!«

      Das Gewehr war jetzt - Zufall oder nicht - dicht vor Big Joes Brust. Doch der breitschultrige Mann drückte es wie einen harmlosen Spazierstock zur Seite. Sein eckiges Gesicht war grau wie der Staub, der die Wagen, die Pferde und die Kleidung der Männer bedeckte. Seine Hände krallten sich in die Aufschläge von Old Tates Jacke.

      »Du lässt was nicht zu? Dass ich über mein eigenes Hab und Gut entscheide?«

      »Boss, darum geht’s doch längst nicht mehr«, keuchte Slocum. »Morrister wird nicht ruhen, bis er auch ...«

      »Du hast recht!«, knirschte Langtry. »Es geht um viel mehr! Nicht nur um Healy und um deine Freunde,

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