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nur einen Trümmerhaufen überlassen«, schrie er wie von Sinnen. »Er wird Salida nie erreichen! Aber bevor wir losjagen, Amigos, um Langtry das Fürchten zu lehren, werde ich meine Drohung wahrmachen! Kein Mensch soll je behaupten, Dean Morrister hätte nur geblufft!« Er deutete mit ausgestreckter Hand auf die kreidebleiche Frau. »Hängt sie auf!«

      Sogar den abgebrühten Schießern lief es kalt über den Rücken. Aber Coltpoker-Larry wusste, dass ihr Zaudern nicht so weit reichen würde, sich Morristers irrem Befehl zu widersetzen. Ein Befehl, der ihm das Stichwort gab, alles auf eine Karte zu setzen.

      »Wenn Ihre Bluthunde Linda nur ein Haar krümmen, Morrister, dann können Sie nicht nur Big Joes Frachtroute abschreiben, sondern auch sich selber.« Er wunderte sich selbst, dass er es fertigbrachte, seine Stimme so kühl und gelassen klingen zu lassen. Morrister schnellte wie ein Panther herum, den man auf den Schwanz getreten hat. Noch in der Drehung brachte er den Colt hoch. Er war so verblüffend schnell, dass Larry sich fragte, ob er es in einem Zweikampf mit ihm aufnehmen konnte.

      Der Anblick des kalt lächelnden jungen Mannes ernüchterte Morrister jäh. Ein kurzes Durchatmen, und seine Miene war wieder so eisglatt wie eh und je. Nur das tödliche Feuer in seinen Augen blieb.

      Larry lächelte auch noch, als er den Stahl von Reillys Sechsschüsser im Genick spürte. Langsam sank Morristers Waffe herab.

      »Ach ja, Coltpoker! Fast hätt’ ich Sie vergessen. Zugegeben, mein Junge, Sie waren ein großartiger Prophet. Aber was haben Sie davon, wenn Sie nun gleich neben dem frechen Flittchen da ein paar Fuß hoch über der Erde baumeln werden?« Und mit einem gehässigen Auflachen: »Oder glaubst du verdammter Kartenhai immer noch, dass ich auf dich angewiesen bin?«

      Larry reagierte mit einem Achselzucken.

      »Es ist eine Frage des Preises, den Sie bezahlen wollen, Morrister. Entweder Linda Coleman, die ich mir nun mal in den Kopf gesetzt habe - oder die Hälfte Ihrer Revolverhelden, die bei einem Sturmangriff auf Big Joes Wagenzug auf der Ebene südlich von Salida gewiss dran glauben werden!«

      »Ich bin nach wie vor für ’nen soliden Strick um seinen Hals, Boss«, hetzte Reilly hinter ihm.

      Vielleicht nutzte er Larry damit eher, als dass er ihm schadete, denn Morrister war es gedämmert, dass er nach seiner Entgleisung von zuvor, die noch immer ihre Nachwirkung auf den rohen Gesichtern ringsum zeigte, die Zügel jetzt umso straffer in die Hand nehmen musste.

      »Du hältst die Klappe, bis du gefragt wirst, Reilly!«, schnauzte er. »Du hattest droben in den Bergen die Chance, ihn dorthin zu befördern, wo du ihn gern haben möchtest. Und du hast sie nicht genutzt.«

      Er war wieder der alte überlegene und kalt rechnende Anführer. Mit katzenhaften Schritten kam er auf Larry zu.

      »Sie bleiben also dabei, Coltpoker, dass Sie’s fertigbringen, mir nicht nur Big Joes Frachtkontrakt, sondern auch die dollarschweren Wagen in die Hand zu spielen, ohne dass einer meiner Männer dabei seinen Skalp verliert?«

      »Das war mein Angebot, und es gilt immer noch«, nickte Larry. »Sie riskieren schließlich nichts dabei. Sollte ich mich verrechnet haben, können Sie’s ja immer noch auf Ihre Tour versuchen. Nur - wenn es klappt, Morrister, und es wird klappen, dann versuchen Sie nicht, sich vor der Bezahlung zu drücken!«

      Er fühlte das Brennen von Lindas verzweifeltem und wildem Blick, widerstand aber der Versuchung, ihr ein Zeichen zu geben. Morrister wandte keine Sekunde die Augen von ihm. Larry spürte sein Misstrauen so deutlich wie die Ausdünstung eines Raubtiers.

      »Reiten wir also!«, entschied Morrister plötzlich. »Gebt ihm sein Pferd und seinen Revolver zurück, aber noch keine Munition! Die erhält er erst, wenn wir ihn zu Big Joes Treck schicken. Reilly, du weichst ihm nicht von der Seite! Wenn er einen faulen Dreh versucht, dann tu, was du so gerne möchtest: Schieß!«

      9

      Als die Sonne schon rot über den Berggipfeln im Westen glühte, wartete Larry immer noch vergeblich auf die Chance, von der alles abhing. Fortwährend kreisten, hämmerten und bohrten dieselben Gedanken in seinem Kopf: Fliehen! Zum Camp am Bluebird Creek zurückjagen, wo Morrister nur drei Kerle zu Lindas Bewachung zurückgelassen hatte! Die Frau befreien! Die Spannung in ihm wuchs mit jedem Hufschlag. Mit jedem erneuten Knirschen des Sattelleders. Auch wenn seine teilnahmslose Miene nichts davon verriet.

      Doch Reilly war nicht der einzige Mann der Bande, der versessen darauf schien, sein Blei in ihn hineinzuschießen. Keine Minute verging, in der Larry nicht von wachsamen, finster starrenden Reitern umringt war, die ihre Hände entweder an den Revolvern oder auf den in den Scabbards steckenden Gewehren liegen hatten.

      Nur Morrister schien sich nicht mehr um ihn zu kümmern, seit sie das Lager verlassen hatten. Er ritt voraus. Eine sehnige, wie mit dem Pferd verwachsene Gestalt an der Spitze des staubaufwirbelnden, dumpf dröhnenden Sechzehn-Mann-Trupps. Ein Mann, den das Jagdfieber gepackt hatte. Entschlossen, nicht eher aus dem Sattel zu steigen, bis er die Planendächer von Big Joes Frachtwagen vor sich leuchten sah. Auch dann nicht, wenn zuvor die Nacht hereinbrach. Kein einziges Mal, dass er den Kopf drehte, um nachzusehen, ob die übrigen Gäule auch noch mit seinem rassigen Kentucky Fuchs Schritt hielten.

      Ebenso wie Larry nicht einmal Gelegenheit bekam, ihn auch nur anzurufen. Ständig war eine Mauer von Männern, Pferden und Staub zwischen ihm und diesem Schurken, der Big Joe Tod und Vernichtung geschworen hatte. Und der es nun kaum mehr abwarten konnte, diesen grausamen Schwur zu erfüllen.

      Links und rechts wanderten Felsen vorbei: glatte Steilwände, morsche Türme wie von verfallenen mittelalterlichen Burgen, dann wieder bizarre Gebilde, die sich ein krankes Künstlergehirn ausgedacht haben mochte. Geröllhalden, auf denen sich da und dort ein paar jämmerliche Sträucher festkrallten. Haushohe Klippen, zwischen denen der Blick auf bewaldete Täler, düster klaffende Schluchten oder hitzeflimmernde Staubschüsseln fiel. Alles in allem eine Gegend, in der offenbar nur Klapperschlangen und Wölfe hausten. Doch Morrister schien hier jeden Felsblock und jeden verdorrten Strauch zu kennen.

      Larry hatte längst gemerkt, dass er die wilde Meute nicht zur Puma Gulch führte. Es war eine Abkürzung zum Rand der Hochebene südlich von Salida, die kein Frachtwagen befahren konnte. Morrister ritt so zügig und unbeirrt, als bräuchte er nur irgendwelchen, nur von ihm lesbaren Zeichen zu folgen.

      Das war eine neue beunruhigende Seite, die Coltpoker-Larry an diesem gefährlichen Mann kennenlernte: Morrister, der Mann, der sich in der Wildnis ebenso zu Hause fühlte wie in einem Saloon oder Kontor. Morrister, die Wolfsnatur ...

      »Bleib vor mir, Coltpoker! Los, zum Teufel, schlaf nicht ein!«, riss Reillys grobe Stimme ihn aus seinen Gedanken.

      Aus dem Stampfen der Hufe im knöcheltiefen Staub war ein hartes Tacken geworden. Sie folgten einem Felsband, das sich um einen mächtigen Bergkegel herumwand. Der dichtgeschlossene Reiterpulk hatte sich zu einer langen Kette, Mann hinter Mann, auseinandergezogen. Larry spürte ein Kribbeln unter der Kopfhaut, als hätte er beim Pokern einen Royal Flush in die Hand bekommen. Was ihm jetzt noch fehlte, waren sechs Bleibohnen in den leeren Kammern seines 38er Remington. Die Munition in den Ledertaschen an seinem Sattel war unerreichbar, solange Reilly mit Luchsaugen auf ihn aufpasste.

      Rechts war nun der von klobigen Felsbrocken übersäte Hang. Links, gleich unterhalb der Leiste, begann ein Geröllstreifen, der tiefer unten zwischen gestrüppumrankten Felsen ausschwang. Zehn oder zwölf Yards voraus verschwand Morrister gerade hinter einer Pfadbiegung. Vor Larry ritt der Bandit mit den Zottelhaaren und dem Indianerstirnband. Hinter ihm Reilly, den Colt in der Faust.

      Larry nahm die Zügel kürzer. Je höher sie hinaufkamen, umso geringer wurden die Aussichten, dass er und Mr. Brown die Rutschpartie auf dem Geröll da unten überstanden, ohne sich das Genick zu brechen. Jetzt oder nie!

      Der Schrei, den Larry ausstieß, war so durchdringend, dass das Echo wie Teufelsgelächter zwischen den Bergflanken zitterte. Der Pumaschrei. Es gab kein Pferd, das bei diesem Laut nicht in Panik geriet. Da stiegen die Gäule der Banditen auch schon hoch. Für Sekunden hatten die Kerle

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