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nicht auf abwegige Ideen bringen. Hierher bin ich auch allein angereist. Und da er jetzt von Mitarbeitern seines Vaters abgeholt wurde, konnte ich erneut nicht mit.

      Aber ich bin ihm nicht böse, weißt du …“

      Der Arme. Ich drückte ihn und strich ihm durch die Haare, beruhige ihn: „Rudi, jetzt hast du jemanden, der immer zu dir hält. Die Inge lässt dich nie im Stich. Hast du verstanden? Egal was kommt, ich bin für dich da und du darfst immer bei mir mitfahren!“ Rudi lachte, ich küsste ihn dazu auf die Stirn. So saßen wir da, eine 15-Jährige, die einen 19-Jährigen tröstet.

      Ich fragte: „Was hast du jetzt vor?“ Rudi dachte nach, runzelte die Stirn und wirkte auf einmal viel älter. Er flüsterte: „Ich werde nach Westdeutschland gehen und dort studieren, dafür mache ich das Abitur.

      In der DDR hält mich nichts mehr.

      Vielleicht schaffe ich es in zwei Jahren.“

      Ich sagte: „Ich will auch nach Berlin, irgendwann, vielleicht sehen wir uns dort. Ansonsten schreibe ich dir nach Schönefeld.“ Rudi nickte und seine Augen sahen versöhnlicher aus, doch die Traurigkeit darin blieb. Auch er nahm mich in den Arm, mittlerweile saßen wir auf der Bank wie ein altes Ehepaar, das sich gegenseitig Halt gab.

      Erst nach Stunden trennen wir uns,… für eine sehr lange Zeit.

      Zwischenstück

      14. Juli 1946 / Fort Lauderdale, USA

      Erinnerungen Reinhard von Gehlen

      Es hatte im Mai 1945 lange gedauert, grundsätzlich alles. Kurz bevor sich die Amis ganz Bayern einnahmen, gingen Wessel, ich und eine Gruppe der engsten Generalstabsoffiziere in unsere kleine »Alpenfestung«. Wir fuhren zunächst in Richtung Schliersee, etwas später endete die Fahrt am Spitzingsee. Dort wanderten wir zu einer Hütte und warteten mehrere Wochen, bis die Amerikaner zu uns hochkamen. Als Offiziere wurden wir standesgemäß in Verwahrung genommen und verließen so, wie geplant, unsere heimelige Berghütte, ließen aber die 50 Metallkästen mit unserem Spionagematerial, die »Büchse der Pandora«, weiterhin vergraben. Man brachte uns zunächst in ein örtliches Gefangenenlager, im Gespräch mit dem Brigadier General Edwin L. Sibert konnte ich zwar mein umfangreiches Wissen unter Beweis stellen, was ihn zwar beeindruckte, aber nicht zum Handeln bewog! Nichts ging vorwärts, keiner interessierte sich für meine Person und meine Anliegen. Ich war erstaunt, zwischenzeitlich absolut entmutigt und niedergeschlagen, verbrachte meinen tristen Alltag im Gefangenenlager, immer wieder wartend, ob sich neue Kontakte oder neue Gelegenheiten für eine Verlegung ergaben, immer auf der Suche nach einem amerikanischen Vorgesetzten, der wusste oder erkannte, wer ich war.

      Es dauerte bis zum 22. Mai 1945, als ich es zum Counter Intelligence Corps (CIC) der U.S. Streitkräfte in Bayern nach Oberursel schaffte und dort Captain John R. Boker vorgeführt wurde. Er kam aus einer traditionsreichen Familie, war historisch und politisch gebildet und erkannte in unseren Gesprächen schnell, welche Bedeutung und welchen Nutzen meine Person hatte. Jetzt ging alles sehr schnell: Nebst meiner selbst ließ er sofort Wessel und sechs meiner engsten Vertrauten umgehend frei und strich uns von der Liste gesuchter Nazis. Wir konnten umgehend nach Hause zu unseren Familien! Nach einem erholsamen Sommer im Kreis unserer Liebsten wurden wir im Juli 1945 nach Fort Hunt im Bundesstaat Virginia zur Vernehmung geflogen, dann, am 20. September 1945, mitsamt unseren 50 Metallkisten, von der 12. US Army Group in die Naval Air Station Fort Lauderdale gebracht. Dort begannen die ersten Vorgespräche. Man quartierte uns in einem Innenstadt-Hotel in Lauderdale ein, dem weltberühmten und beeindruckenden »Venedig Amerikas«.

      Im Hauptquartier erklärten wir unser System, unsere Vorgehensweise, unsere Art zu recherchieren und zu archivieren. Das Besondere war die perfekte Systematik und die Tiefenanalyse von Material, das vorzugsweise aus eigenen Quellen stammte. Eminent wichtig waren spezielle Verhörtechniken, welche die Qualität des Materials extrem zuverlässig machten. Das war ihnen komplett neu! Das Thema ließ den OSS nicht los und sie holten sogar von mir benannte Ärzte aus Deutschland, mit denen gemeinsam ein Handbuch über Verhörtaktiken entstand.

      Man lauschte immer äußerst interessiert, hatte extra Dolmetscher vor Ort und es gab immer gute, üppige Verpflegung. Wir wurden von allen Seiten sehr höflich und äußerst respektvoll behandelt. Das Hotel war großartig und wir entdeckten bei unseren freien Streifzügen durch die Stadt täglich außergewöhnliche Dinge. Der Luxus, die Autos, die Straßen, in Amerika war alles gigantisch und imponierte uns enorm.

      Wie in Oberursel vereinbart gaben wir alle Informationen weiter, ebenso die 50 Metallkisten mit den Mikrofilmen. Wir halfen dabei, die Inhalte der Kisten vor Ort in ein benutzbares Archiv umzuwandeln und arbeiteten einige Wochen mit den zukünftigen OSS-Mitarbeitern. In gleicher Weise lernten wir die amerikanischen Abläufe kennen und man stellte uns in der langen Zeit, die wir dort waren, einer ganzen Reihe wichtiger Leute vor. Wir arbeiteten direkt mit den Stäben von General Walter Bedell Smith, dem ranghöchsten US-Geheimdienstbeamten; General William Donovan, dem Chef des Office of Strategic Services (OSS) und Frank Wisner (OSS), welcher für die Amerikaner das europäische Verteidigungsnetzwerk »Gladio« aufbauen sollte. Schnell erkannte ich, dass unser Wissen weitreichend und schnell genutzt werden würde. Die OSS-Leute waren äußerst gespannt auf den Inhalt unseres Materials und lobten weiter fortlaufend unsere Arbeit.

      Überall fragte man mich intensiv nach meiner Meinung und meinen Ansichten hinsichtlich der Bedrohung durch die Russen. Die Amerikaner waren angesichts deren militärischen Potentials äußerst verunsichert und ich konnte reichlich von meinem Erfahrungsschatz abgeben; Einerseits, um mich zu empfehlen, andererseits aber auch, weil ich froh war, endlich unter Menschen zu sein, die meine Arbeit und mein Lebenswerk anerkannten, die verstanden hatten, dass wir jetzt handeln und bereit sein mussten, wenn der Russe kam und das besser heute als morgen.

      Wir wiederum hatten in den USA ebenfalls viel gelernt, man hatte uns direkt und indirekt geschult. Natürlich ließ sich das auch gar nicht vermeiden. So entstand auch ein Teil des Fremde Heere Ost in den USA, jetzt noch in Lauderdale, aber bald in Langley. Zuletzt wurden wir mit allerlei Pomp zeremoniell verabschiedet und voll bepackt. Siebzehn Monate, nachdem wir das brennende Berlin und Hitler verlassen hatten saßen wir hoch über dem Atlantik im Flugzeug, auf dem Rückweg nach Deutschland. Mit einem Bündel Geld, mit einem bunten Strauß an Befugnissen, mit geheimen Plänen zu Waffenlieferungen und Strategiepapieren für jede Eventualität,… und mit noch mehr Geld.

      Als wir voller Stolz in der lauten Militärmaschine saßen, dachte ich, dass ich mich grundsätzlich freuen würde, wenn mein ehemaliger Vorgesetzter, Herr Hitler, mich jetzt sehen könnte, etwas mehr als eineinhalb Jahre nach unserem letzten Treffen im Führerbunker. Als Hoffnungsträger der Amerikaner. Die Frage war, ob die Gerüchte stimmen würden, dass er und seine Eva gar nicht tot waren und damals auch gar nicht verbrannt wurden, sondern selbst, wie räudige Hunde, heimlich bei Nacht und Nebel das Land und den Kontinent verlassen hatten. Einen Moment fragte ich mich, wie viele Sonderermittlungsgruppen es weltweit nur wegen dieses Gerüchts geben könnte. Wenn dieser Hund noch leben sollte, dann war er sicher unter einen sehr großen Felsbrocken gekrochen.

      Es stand jetzt viel Arbeit an. Es galt, zunächst ein funktionierendes Hauptquartier in Oberursel aufzubauen. Neben meinen sieben Führungsmitgliedern kamen nun massenweise ehemalige Kameraden frei. Ich hatte jetzt die entsprechenden Befehle in der Hand, die es mir ermöglichten, hunderte meiner ehemaligen Begleiter aus dem Kriegsgefangenenlager der Amerikaner zu holen. Ich hatte den Blankoscheck in der Tasche, die Abteilung Fremde Heere Ost, oder wie es jetzt heißen würde „Operation Gehlen“, wiederherzustellen; Für das neue Deutschland, für die Amerikaner. 350 Namen hatte ich auf die Liste für die Amerikaner gebracht und konnte sie jetzt alle nach Hause holen!

      Während das amerikanische Gegenspionagekorps (CIC) Nazis vor die Nürnberger Prozesse schleppte und sie beseitigen wollte, wählten sie zuvor heimlich meine Leute aus und ließen sie zu mir verschwinden. Ich hatte es geschafft! Das Ziel war, dass wir sobald wie möglich wieder als Freunde und Familie in Pullach und Krailling leben und arbeiten konnten.

      Für das erste Jahr sahen die Amerikaner 50 Festanstellungen vor, gaben mir dafür 3,4 Millionen Dollar, und das 1945. Es bedeutete, dass meine Leute und ich im zerbombten

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