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genommen, um den er sie seit Stunden in starrem Krampf gepreßt hatte.

      »Aufrichten!« befahl der Mann oben. »Das Lassoende unter den Beinen durchziehen, fest anpacken.«

      Ein eisiger Schreck durchzuckte den Iren. Er verlor plötzlich den Boden unter den Füßen, schwebte über dem Schwarzgrau des Abgrundes.

      »Stemmen Sie die Füße gegen den Fels!« befahl der Fremde. »Gehen Sie mit, steigen Sie…«

      Zoll für Zoll zog der Fremde den Iren aus der Wand hoch.

      Als er ihn endlich oben am Rand des Pfades hatte, spürte Jesse Hacatt eine kräftiger Männerhand um sein Gelenk. Er wurde hochgezerrt und lag keuchend auf dem Weg.

      Der Mann nahm eine Zigarre aus der Tasche und hielt dem Iren die kleine Ledertasche hin.

      »Nehmen Sie, es ist noch eine drin.«

      Hacatt schüttelte den Kopf. »Thanks, Mister – ich kann nicht – ich kann nicht.«

      Der Fremde nickte und schob seine Zigarre in die Ledertasche zurück.

      Schweigend standen die beiden Männer voreinander. Um sie herum die Stille der Felsen. Die Nacht der Rocky Mountains.

      Der Fremde beugte sich zu dem Iren nieder. Er hatte ein kleines Bündel in der Hand. »Ich werde nach Ihren Wunden sehen«, sagte er wie selbstverständlich.

      Er riß ein Zündholz an, nahm einen Wachsspan aus der Satteltasche, steckte ihn in einen Gesteinsriß in der Wand und machte sich an die Arbeit.

      Der Ire sah auf die linke Schulter. Er wußte ja nicht, daß es nur eine Fleischwunde war, daß die Kugel ihn nur gestreift hatte. Aber er sagte nichts. Wozu auch. Was änderte das schließlich an seinem Geschick. Er war über und über mit Kratzern und Schrammen bedeckt, seine Kleidung war zerrissen, seine Haut zerschunden, da fiel die Schußwunde dem Fremden in der Dunkelheit sicher nicht auf.

      Schließlich war Jesse Hacatt verbunden. Der Fremde verpackte sein Bündel mit Verbandszeug wieder in den Satteltaschen.

      »Wir werden ein Stück weitergehen, da weitet sich der Weg etwas und bildet in der Wand eine Nische. Da können wir lagern.«

      Der Ire schwieg. Er rührte sich nicht von der Stelle, sondern starrte schweigend auf den Rand des Abgrundes, dahin, wo er am Vormittag mit den anderen abgestürzt war.

      »Kommen Sie«, forderte ihn der Fremde auf.

      »Ich möchte hierbleiben«, krächzte Hacatt. Es war das erste, was er seit langem sagte.

      Der Fremde scherte sich nicht darum, richtete ihn auf, legte seinen kräftigen Arm um ihn und führte ihn vorwärts.

      Langsam trottete das Pferd hinter den beiden Männern her.

      Da lagen die beiden großen Felssteinbrocken.

      Hacatt starrte auf sie nieder. Er wollte stehenbleiben, aber der Fremde führte ihn weiter, an den Felsbrocken vorbei, die einem Pferd und zwei engbeieinandergehenden Männern eben noch Platz boten.

      Es ging noch etwa dreihundert Yards bergan, dann deutete der Fremde auf eine dunkle Nische in dem Schwarzgrau der Wand.

      »Da ist es.«

      Er breitete zwei Decken auf dem steinigen Boden aus, half Hacatt beim Hinlegen und legte sich dann selbst nieder.

      Mit offenen Augen lag der Ire da, starrte auf die scharfe Kante des Felsens, die eine deutliche Silhouette gegen den Nachthimmel zeichnete.

      Er fand keinen Schlaf – so erschöpft er auch war.

      Auch der Fremde schlief nicht.

      Zounds! dachte Hacatt, ist der Bursche schweigsam.

      Nur langsam kroch die Nacht dem Grau des nächsten Tages entgegen. Mehrmals hatte die Übermüdung den Iren an den Rand des Schlafes gebracht, aber immer wieder war das grausige Erlebnis da, das ihn wieder in die Wirklichkeit zurückrief. Als schließlich der erste Silberstreif des kommenden Tages im Osten über die Zinnen der Berge kroch, lag der Ire immer noch mit rotgeränderten übernächtigten Augen da.

      Da richtete sich der Fremde auf, ging zu seinem Pferd und sah nach ihm, dann trat er vorn an den Rand des Abgrundes.

      Hacatt blickte auf seinen breiten Rücken, sah die schwarzlederne kurze Jacke, die schwarzen Hosen und die hochhackigen mit Steppereien besetzten Texasstiefel.

      Langsam schob sich ein orangeroter Schein über die Bergkämme und warf ein unwirkliches Licht auf die hünenhafte Figur des Fremden. Da drehte er sich um.

      Jesse Hacatt sah ihn an. Der Mann hatte ein tiefbraunes markant geschnittenes Gesicht, das von einem eindringlich blauen Augenpaar beherrscht wurde. Sein graues Kattunhemd war nicht fest am Hals geschlossen, sondern wurde von einem roten Seidentuch, wie es die Prärie Cowboys trugen, zusammengehalten. Tief unter dem Ende seiner kurzen Jacke hatte der Mann einen patronenbesetzten Waffengurt aus schwarzem Büffelleder. Der Ire konnte die beiden Revolver an den Hüften des Fremden jetzt genauer sehen. Rechts saß ein normaler Fünfundvierziger, aber der Colt im linken Halfter hatte einen überlangen Lauf, nach dem Lederschuh zu schließen.

      Langsam kam der Fremde näher. Auch er hatte den anderen einer kurzen forschenden Prüfung unterzogen.

      »Geht’s besser?« fragte er nur.

      Hacatt nickte mit müdem Schädel. »Yeah, thanks.«

      Der Fremde brachte jetzt ein paar Holzstücke aus einem Bündel, das er am Sattel festgeschnallt hatte, stellte ein kleines eisernes Dreibein auf und hängte einen bronzenen Kessel daran, der knapp drei Becher Wasser faßte. Der Fremde hatte noch eine gefüllte Wasserflasche bei sich und goß davon in den Kessel.

      Knackend und knisternd zersetzte sich das Holz in den Flammen, und bald stieg leichter Dampf über dem Kessel auf.

      Hacatt starrte in das Feuer. Er fühlte sich todelend und zerschlagen. Nicht einmal der aromatische Kaffeeduft ließ seine Lebensgeister voll zurückkehren.

      Nach dem Morgenkaffee sattelte der Fremde sein Pferd auf.

      »Wir wollen weiter.«

      Hacatt schüttelte den Kopf. »Ich bleibe.«

      Da wandte sich der Fremde nach ihm um. »Haben Sie etwa die Absicht, zu Fuß über den Berg zu steigen?«

      Der Ire starrte vor sich auf den Boden. »Ich weiß gar nicht, welche Absicht ich habe«, knurrte er.

      »Well, Sie müssen es selbst wissen«, versetzte der Fremde, trat zu ihm und reichte ihm die Hand. »Leben Sie wohl. Ach ja, mein Name ist Earp…«

      Der Ire hob den Kopf und sah ihn an.

      Earp? Heavens, wo hatte er den Namen schon gehört?

      Der Fremde stand noch da, abwartend, wie es Hacatt schien. Und der Ire war ein Mann, der seinen Namen nie versteckt hatte, so groß auch die Furcht vor der Vergangenheit war.

      »Hacatt«, sagte er. »Jesse Hacatt.« Er musterte seinen Retter aus schmalen grünschimmernden Augen. »Ich muß mich für mein Benehmen entschuldigen, Mister Earp. Ich habe Ihnen nicht einmal gedankt…«

      Der winkte ab. »Das haben Sie nicht nötig.«

      Hacatt richtete sich auf und lehnte mit der rechten Schulter an der Wand, als er wie zu sich selbst sagte: »Niemand kann mich verstehen, niemand, niemand.« Dann nahm er den Kopf herum. »Wo reiten Sie hin, Mister – Mister Earp?«

      »Über den Paß und dann hinunter nach Concha.«

      Concha! Da hatte auch er hingewollt, mit Wilma und den Kindern.

      Wilma! Damned, mußte er nicht nach ihr sehen?

      Er machte ein paar unsichere Schritte auf den Abgrund zu.

      »Bleiben Sie hier!« scharf trafen die Worte Earps sein Ohr.

      Jesse Hacatt ahnte nicht, daß der Mann, der ihn aus der Felswand geholt hatte,

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