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      »Willst du einen Mann heiraten, auf den man mit Fingern weist?«

      »Aber es ist doch nichts bewiesen, Vater. Ich bitte dich, hilf Peter, hilf uns, wenn du mich lieb hast.«

      Reichert zögert. Die Stimme seines einzigen Kindes berührt sein Herz. Hat sie recht? Tausendmal recht? Wenn man Peter nur ansieht, kommt einem alles töricht und unwahrscheinlich vor.

      Im selben Augenblick reißt der Großknecht die Tür auf und brüllt in den Raum.

      »Der Eichenhof brennt!«

      Die Tür fliegt wieder ins Schloß, und die drei, zunächst wie erstarrt dastehenden Menschen, erwachen in einer grausamen Wirklichkeit.

      »Komm«, sagte Peter kurz und zieht Beate an der Hand mit sich. Sie rennen gemeinsam dem Eichenhof zu.

      Mutter! Mutter! denkt Peter nur, dabei hält er Beates Hand fest umschlossen, als suche er Halt bei ihr. Der Eichenhof, die geliebte Heimat, in Flammen? Dazu die Hitze! Man wird viel zu wenig Wasser zum Löschen finden.

      Die beiden abgehetzten Menschen finden ein heilloses Durcheinander auf dem Hof vor. Tiere schreien in Todesnot, Menschen hetzen durcheinander.

      Die Dienstboten des Hofes haben eine Kette gebildet und mit allen möglichen erreichbaren Gefäßen versuchen sie, aus dem nahen Teich das löschende Wasser heranzutragen. Die Feuerwehr ist noch nicht eingetroffen.

      Peter wirft sich den Flammen entgegen, rücksichtslos dringt er in den Pferdestall ein, und tatsächlich kommen einige der Tiere ins Freie galoppiert, andere laufen aber hinein in die Glut.

      Die Stallungen sind bereits niedergebrannt und langsam, aber sicher greift das Feuer auf das Wohnhaus über.

      Peter arbeitet wie ein Wahnsinniger. Er sucht seinen Bruder Franz, kann ihn aber nirgends finden. Da stellt er sich an die Spitze der Leute und versucht, das Schlimmste abzuwenden. Vergeblich!

      Zu allem Unglück hat der Wind, so schwach er auch ist, sich gedreht und treibt die Flammen dem Wohnhaus zu. Das knistert und kracht.

      »Mutter! Mutter!« ruft er verzweifelt und stürmt in das Haus. Keine Antwort. Flammen schlagen ihm entgegen.

      »Peter! Ich bin hier, Peter!«

      »Hör doch auf, Peter«, fleht Beate ihn an. »Es hat doch keinen Zweck mehr. Bitte, hör auf.«

      »Wo ist Mutter?« keucht er. Sie zerrt ihn am Arm mit sich. Auf der Bank des Gartenhäuschens, das abseits liegt und unbewohnt ist, sitzt Maria Warburg; sie hält die kleine wimmernde Franzi in ihren Armen.

      »Mutter!« Die Freude, die Mutter unversehrt vor sich zu sehen, dazu die unmenschliche Anstrengung rauben ihm den letzten Rest seiner Kraft.

      Vor Beates Füßen bricht er zusammen.

      *

      Der Eichenhof ist bis auf das Gartenhaus mit seinen beiden Zimmern und der kleinen Küche ein Raub der Flammen geworden.

      Als Peter erwacht, liegt sein Kopf in seiner Mutter Schoß, und Beates Hände versuchen, seine Wunden zu verbinden.

      »Wo ist Franz?« ist sein erster Gedanke.

      »Drüben!« Seine Mutter weist auf die rauchenden und schwelenden Trümmer. »Dort, wo einst der Eichenhof war«, sagt sie mit stumpfer Gleichgültigkeit.

      »Ich muß hinüber.« Er ist nicht zu halten, und Beate eilt hinter ihm her.

      Peter biegt um die schwarze Mauerecke, den schäbigen Rest des einstigen Stallgebäudes, hört seinen Namen fallen und tritt sofort zurück in den Schatten.

      Reichert, der Bürgermeister des Ortes, und der Polizeimeister unterhalten sich mit Franz Warburg.

      »Dieselöl befand sich im Schuppen und –« Franz Warburg stockt.

      »Und!« fordert der Wachtmeister.

      »Ein Kanister Benzin.«

      »Ach so, verstehe, für Ihren Privatwagen.«

      »Nein«, gibt Franz Warburg ruhig zurück. »Wir fahren einen Diesel. Der Kanister gehört meinem Bruder.«

      »Nun reden Sie schon, Mann«, fordert der Polizeimeister ärgerlich. »Wozu braucht Ihr Bruder Benzin?«

      Franz zuckt mit den Achseln, und Peter, dem kein Wort entgeht, taumelt gegen den Rest der Schuppenwand. Ihm schmerzt nicht nur jedes Glied, er vermag auch nicht mehr richtig zu denken. Er möchte vorwärtsstürmen und der Unterhaltung Einhalt gebieten. Er spürt, wie sich etwas um ihn schlingt, was ihn zu vernichten droht.

      »Keine Ahnung«, hört er Franz sagen.

      »Das sieht verdammt nach Brandstiftung aus«, kommt es aus dem Mund des Polizeimeisters.

      Beate, die still neben Peter steht, umklammert, von Entsetzen geschüttelt, seinen Arm.

      »Das ist doch nicht möglich«, stammelt sie mit bebenden Lippen. »Komm, Peter, bitte, komm!«

      Sie zerrt ihn mit sich, und Peter folgt ihr. Sie gehen nicht zu Maria Warburg zurück, sie schlagen den Weg zum Reicherthof ein. Niemand begegnet ihnen. Alles befindet sich an der Brandstelle.

      Doch keiner ahnt, daß man Peter, den blonden, allseits beliebten Peter, der Brandstiftung bezichtigt.

      Franz gibt auf jede Frage die gewünschte Auskunft, bis sich das Bild immer mehr abrundet.

      »Es wird notwendig sein, daß eine Kommission aus der Stadt die Angelegenheit untersucht«, meint der Polizeimeister abschließend. »Die Versicherung wird alles einleiten.«

      *

      Zur selben Zeit steht Beate vor Peter Warburg. Sie hat die Arme um seinen Hals gelegt und zieht seinen Kopf zu sich herab.

      »Du mußt verschwinden, Peter«, raunt sie ihm beschwörend zu. »Du hast gehört, was man dir vorwirft. Es ist alles Unsinn, ich weiß das. Alles spricht gegen dich. Du warst, bevor du zu uns kamst, im Schuppen.«

      »Beate«, stöhnt Peter und preßt sie an sich. »Ich habe mich überzeugt, ob alles in Ordnung war. Es war alles in Ordnung. Ich kann das einfach nicht begreifen.«

      »Man will dich vernichten, Peter, glaube mir«, spricht sie weiter im beschwörenden Ton. »Den Grund kenne ich nicht. Doch du kannst dich nicht verteidigen, falls man dich einsperren sollte. Du mußt frei sein – dann kannst du für deine Unschuld kämpfen. Du mußt gehen, ganz gleich, wohin. Hörst du denn nicht? Du darfst auch keine Zeit verlieren, Liebster. Wenn mein Vater kommt, mußt du fort sein.«

      »Ich bin kein Feigling«, preßt er zwischen den Zähnen hervor.

      »Denke an mich, an unsere Liebe, Peter. Ich verlasse dich nie.«

      Ausgepumpt, wie ein Sack, läßt er sich auf einen Stuhl nahe der Tür fallen. Beate ist hinausgehuscht. Sie kehrt mit einem Sportanzug ihres Vaters zurück und beginnt ein geschäftiges Treiben.

      »Schreib mir, Peter«, flüstert sie abschiednehmend und bitterlich weinend an seinem Hals. Sie läßt sich herzen und küssen, liegt noch einmal selbstvergessen in Peters Armen – dann ist sie allein, allein mit ihrer Sorge um den geliebten Mann und mit ihrer Angst vor dem Kommenden.

      Peter irrt zunächst umher. Er wandert durch den Wald, der ihm von Kindheit an vertraut ist. Er läuft kreuz und quer, und als es zu dunkeln beginnt, sieht er sich unter den Birken, wo er sich am Vormittag mit Beate getroffen hat.

      Er lehnt sich gegen den hellschimmernden Stamm. Sind wirklich erst Stunden vergangen, daß aus einem sorglosen jungen Menschen ein gehetzter und geächteter Mann wurde?

      *

      Maria Warburg sitzt bei Anbruch der Dunkelheit immer noch auf der Bank vor dem Häuschen, das, von wildem Wein umrankt, in einen kleinen Garten gebettet, recht nett aussieht.

      Sie hat die Hände im Schoß zusammengelegt und starrt aus großen Augen, in denen die ganze Trostlosigkeit ihrer Lage liegt,

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