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Die Tigerin – Eine absonderliche Liebesgeschichte. Walter Serner
Читать онлайн.Название Die Tigerin – Eine absonderliche Liebesgeschichte
Год выпуска 0
isbn 9783968580173
Автор произведения Walter Serner
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Weißt du etwas?« fragte Bichette verdrossen.
»Wieso. Ich würds euch doch sagen.«
Bichette war müde. Fec angetrunken.
Sie lehnten, gegen einander gesunken, auf der Bank und lächelten unbestimmt. Bichettes Lächeln zerfiel langsam und blieb nur noch um die Augen liegen. Das Fecs zog sich ruckartig über das ganze Gesicht und wurde schließlich hässlich und steif.
Dann räusperte er sich mehrmals, wobei die Finger seiner rechten Hand wirr in die Luft stachen. »Ha, nur eine Frau, die am offenen Fenster wäscht, wird nie hineinfallen ... vorausgesetzt, dass das nicht ihr Truc18 ist. Aber auch wenn es nicht ihr Truc ist, kann sie hineinfallen, denn es ist kein übler Truc, keinen zu haben. Du verstehst mich, Bichette ... Ich habe übrigens bemerkt, dass die Langeweile die Leute schärft und dass ein Beefsteak verblödet. Es steckt immer etwas dahinter. Um zu reüssieren, mache man also die Leute vorerst scharf. Sie verblöden hierauf und vollgefressen erwischt man sie. Worauf man sie hat. Indem man sich hinter sie steckt. Denn es steckt nichts dahinter. Oder sollte man sich darüber wundern, dass alle Damen fette süße Speisen lieben und ... und ... Konfekt ...?«
Bichette spitzte bösartig die Lippen, setzte sich knurrend auf und riss ihre Hand aus der Fecs. »Schnock!«
»Eh ben.« Fec warf sich auf ihre Hand und zerrte sie zu sich heran.
»Lass mich los!« Bichette stieß mit den Füßen nach ihm.
»Dageblieben!«
Bichette versuchte, in seine Hände zu beißen, und spuckte, als es misslang, ihm mitten ins Gesicht.
»Crotte!«
»Lass mich los!« Bichette machte eine letzte rasende Anstrengung, um sich zu befreien.
Aber Fec ließ nicht locker. »Aus einem papierenen Lichtschirm ...«
»So lass mich doch los«, wimmerte Bichette zusammensinkend.
»Aus einem papierenen Lichtschirm, der an drei Seiten angebrannt war, machte sie sich mit sechzehn Jahren einen Hut, der ihr den ersten reichen Freund verschaffte. Ja, so ist das Verkehrsleben ... Hör, Bichette, das war aber nicht meine süße Wäscherin aus der Rue Nollet. Die hab ich ganz furchtbar geliebt. Wenn ich sage – geliebt, so heißt das ... Sie hatte etwas in den Augen wie du. Crotte alors!19 Anders. Aber vor ihr ging es mir gut. Ich konnte reden. Reden. Reden. Reden. Fast so wie jetzt. Und wenn ich mit ihr Arm in Arm im Bois spazieren ging, war mir wohl. Crotte! Selbstverständlich war mir nicht wohl. Aber bei ihr fühlte ich wenigstens schon irgendwie, warum mir nicht wohl war und nie wohl sein würde ... Hör, Bichette, ich liebe auch dich nicht. Ich habe nie, nie, nie in meinem ganzen Leben jemanden wirklich geliebt. Warum? Das ist ganz außerordentlich leicht zu begreifen: weil ich sonst ein entsetzliches Rhinozeros gewesen wäre ... Aber du hast recht, Bichette, auch ich halte es einfach nicht mehr so aus. Es muss etwas geschehen. Es muss etwas gemacht werden ... Eh ben, Bichette, ich weiß, was zuerst geschehen muss, was zu allererst gemacht werden muss. Errätst du es? Ja, wir werden uns machen. Du warst ingeni ... ingeniös. Hör, Bichette, wir müssen uns – lieben! Das muss – gemacht werden. Das ist ganz außerordentlich einfach, wenn man so genau und sicher weiß wie wir, dass es durchaus unmöglich ist, einander zu lieben ... Du verstehst mich, Bichette ... du ...«
Bichette wischte ihm die Lippen mit der Hand trocken. »Fec, ich bitte dich, komm! Gehn wir doch schon!«
Fec stieß sie unwirsch von sich. Plötzlich packte er ihre Ellbogen, presste sie nach hinten und fauchte ihr ins Gesicht: »Bichette, hörst du, ich liebe dich ... Und du liebst mich ... Abgemacht?« Speichel rann ihm aus den Mundwinkeln.
Bichettes Kopf fiel müde auf seine Schulter.
Da schrie Fec ganz leise auf ihren Mund: »Sag mir sofort, dass du mich liebst! Dass du mich immer lieben wirst! Dass du es wollen wirst!«
Bichettes Kopf sank noch tiefer. Dabei sagte sie langsam und laut: »Ja, Fec, ja, Fec, ich ...« Und mit einem Mal brüllte sie auf: »Abgemacht!«
Fec grölte, ließ sie fahren und soff.
*
Der kleine Pimpi, von dem man nicht wusste, wie er in Wirklichkeit hieß, lehnte bereits seit einiger Zeit beobachtend an der Bar und setzte sich nun neben Fec, in der Absicht, beruhigend zu wirken. Er war der einzige gewesen, der Fec weder für harmlos gehalten hatte noch für einen Trottel.
»Kinder, seht ihr aus wie gesogen aus den Pfoten, jo. Wo hat ihm stattgefunden?« Pimpi lachte in einer überaus angenehmen Art.
Fec riss eine Grimasse. »Trink! Und tu etwas für deinen Namen!«
»Warst du in England. Habe ich gezweifelt nicht sehr, verehrtem Meister.«
»Aber ich.« Fec gurgelte mit Wein. »Man soll nie genau wissen, was einmal los war.«
»Jo. Bin ich sehr für schlechtem Gedächtnis aus Berufs wegen.«
»Pimpi, großer Pimpi, wo ist dein Büchsenfleisch ... wo ist ...«
Bichette legte sich über den Tisch und beide Hände auf Pimpis Arm. »Hilf mir, ihn fortzubringen.«
Pimpi, dessen Ohren sich leise bewegten, blickte teilnehmend sachlich. »Wo wohnt ihm?«
»Kaum zwei Zigaretten weit«, sagte Fec so ruhig, dass beide verwundert schwiegen.
Da stand mit einem Mal der herkulische Körper des Japaners breitspurig vor dem Tisch. Seine Fäuste waren in den Hüften aufgestemmt, die grünlich schillernden Äuglein unverwandt auf Fec gerichtet.
Bichette suchte ihr Messer. Sie grinste wütend, als ihr einfiel, dass Fec es eingesteckt hatte.
Pimpi, der nicht orientiert war, begrüßte den Japaner, den er für besoffen hielt.
Der versetzte ihm mit gesteifter Hand einen wuchtigen Swing unterhalb des Ohrs auf den Hals, so dass Pimpi ohnmächtig zu Boden sank.
Bichette fuhr mit einem kleinen durchdringenden Schrei empor und blieb, am ganzen Körper zitternd, stehen.
Fecs Augäpfel traten weit hervor. Sein Kinn zuckte merkwürdig, während er schnell mit der Linken auf den Tisch wies.
Als der Japaner, den Kopf ein wenig vorneigend, hinsah, ergriff Fec sein volles Weinglas und goss ihm den Inhalt in die Augen. Fast gleichzeitig warf er den Tisch um, legte sich an die Wand zurück und stieß seinen rechten Fuß mit solcher Gewalt auf den Magen des Japaners, dass dieser stöhnend nach hinten taumelte und besinnungslos über einen Stuhl fiel.
Fec, der durch die Wucht seines Stoßes zu Boden gestürzt war, sprang auf, rief dem feixend herbeieilenden Jean zu, Pimpi wegzuschaffen, bevor der Japaner zu sich käme, und rannte mit Bichette hinaus.
*
Fec hatte die feuchte Morgenluft fast nüchtern gemacht; Bichette, die sich sogleich von ihm losgerissen hatte, eigenartig verbissen. Auf ihre Füße blickend, folgte sie ihm in einem Abstand von drei Schritten.
Fec nahm ein Zimmer in dem schräg dem Aëro-Hotel gegenüber liegenden Hotel Puget, da er befürchtete, der Japaner würde nicht lange auf sich warten lassen.
Bichette warf sich todmüde über das Bett.
Fec lehnte sich an den Schrank und streichelte schmatzend seine Wangen. ›Wie angenehm es wäre, wenn jetzt das Haus zusammenstürzte,‹ dachte er flüchtig und lächelte darüber.
Die Straße herauf zog das Rumpeln eines schweren Karren. Das ganze Zimmer begann zu zittern.
Fec presste, gequält atmend, die Hände auf die Ohren.
»Hältst dir die Ohren