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Die Tigerin – Eine absonderliche Liebesgeschichte. Walter Serner
Читать онлайн.Название Die Tigerin – Eine absonderliche Liebesgeschichte
Год выпуска 0
isbn 9783968580173
Автор произведения Walter Serner
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Zwei Jahre führte er bereits dieses Leben. Er lebte gleichsam vor sich einher. Völlig ins Leere hinein. Bichette hatte er genommen, wie er Dutzende von Frauen genommen hatte. Und da er über Erinnerungen verfügte, neben denen Bichette wie ein kleines Nachtlicht glomm, hatte ihn weder ihre Schönheit noch ihre Wildheit erstaunt. Es war für ihn eine Gelegenheit wie jede andere, die sich ihm bot. Sie musste sich ihm nur bieten. Er ging auf das Leben nicht mehr los. Er ließ alles an sich herankommen, ohne es halten zu wollen. Er hatte genug. Gegen Mittag, wenn er auf die Straße trat, oder wenn er angetrunken war, wunderte er sich oft, dass er noch lebte.
Bichettes Weinkrampf hatte ihn aber doch überrascht. Nicht vielleicht, dass er ihm etwas Neues gewesen wäre; was ihn, den scharfen Beobachter und bis ins Letzte misstrauischen Kopf, stutzig gemacht hatte, war die für seinen Blick unanzweifelbare Feststellung gewesen, dass er etwas Ungewolltes vor sich hatte, dass diese furchtbare Erschütterung zwingend war. Und war sie zwingend, so war es ein Zusammenbruch. Seine große Erfahrung sagte ihm, dass er jetzt nur nach Bichette zu greifen brauchte, um sie für immer in seine Hand zu bekommen. Aber er dachte gar nicht daran, Bichette sich zu holen. Dass er es dann dennoch tat, hatte eine sehr eigentümliche Veranlassung.
*
Bichette war, nachdem das schreckliche Schluchzen nachgelassen hatte, nur flüchtig bekleidet aus dem Zimmer gerannt und nicht wiedergekommen.
Fec verließ schließlich das Hotel und ging zu ›Léon‹ frühstücken.
Gaby, ein kokaïnomanes Modell, das nie zu schlafen schien, setzte sich an seinen Tisch und versuchte, ihn über Bichette auszuhorchen. »So früh auf? Also auch schon – abgeschüttelt, hé?«
Fec schwieg.
»Lass dirs egal sein. Das ist doch ihr Bluff. Damit macht sie sich doch das Renommée. Und mit dem bisschen Herumraufen.« Gaby betrachtete Fec aus kugelrunden, weißlich schimmernden Augen, die eine deutliche Geringschätzung seiner ganzen Person versuchten. »Aber du ... Warum machst du denn nichts? Leg dir doch was zurecht! Ohne Chiqué8 nichts zu wollen. Man muss seine Combine9 haben. Schöne Dupes10 machen.
Sonst gehts einem so hundemäßig mouise11 wie dir.«
Fec blies ihr den Zigarettenrauch ins Gesicht. »Ich mach mir nichts daraus. Ich mach mir nicht mal aus mir was.«
Gaby schlug, gebrochen lachend, auf den Tisch. »Das ists ja eben, du Esel! Du machst nichts aus dir. Man wird doch nicht für das gehalten, was man ist. Sondern nur für das, was man den Leuten vormacht. Und auch das, was man wirklich ist, muss man den Leuten vormachen. Wie sollen sie denn sonst wissen, wofür sie einen zu halten haben, hé?«
Fec zog mit geheuchelter Lässigkeit die Lider ein wenig zusammen. »Was du da sagst, ist mir nicht unbekannt. Denn ich habe es, fast mit denselben Worten, vor vierzehn Tagen im Hotel Grelot, als wir das letzte Mal ... Aber ich habe durchaus keine Lust mehr.«
»Was für ein Esel du doch bist!« Gaby schwenkte, sehr geärgert, ihren Busen über die Tischplatte hin.
»Eh ben, wozu soll ich also den Leuten noch beweisen, was ich bin?«
Gaby lächelte verzogen. »Schad um dich.« Plötzlich griff sie nach seiner Hand. »Oder ist dir vielleicht das Coco bei mir zuwider?«
In diesem Augenblick trat Bichette ein.
Sie hatte kaum Fec erblickt, als sie schnell auf ihn zulief. Erst hart am Tisch bemerkte sie, dass Gaby, die vor Überraschung darauf vergessen hatte, Fecs Hand hielt. Wortlos setzte sie sich neben ihm auf die Bank.
Gabys Augen wurden vor Erregung nass. Dann zog sie ganz langsam ihre Hand von der Fecs, stand auf und ging. Nach einigen Schritten rief sie: »Au revoyure, ‘ssieurs dames12.«
Bichettes Kopf fiel höhnisch auflachend hintüber, verstummte jäh und kam ruckweise wieder herauf. Ihre ausgestreckten Arme hielten unbeweglich den Tischrand. Die Nasenflügel trieben. Sie blinzelte.
Sogleich kam Gaby zurück, den Kopf geringschätzig schief geneigt, und setzte sich mit einem Satz auf den gegenüber befindlichen Tisch. »Eha, éha! ... So, so ... Also doch ... Ja, die Liebe, die Lie-i-i-iebe ...«
Bichette packte mit einem Mal Fecs Hals und stieß seinen Mund fest auf den ihren.
Gaby heulte, die Hände verkrampft im Nacken: »Eha, éha! Das ist ja abacadabrantissimo! Die Tigerin – eingefangen! Aber wer wird ihr jetzt zu fressen geben, he?«
Ein Stuhl schlug knallend nieder: Bichette war aufgesprungen. Und schon warf sie sich, die Fäuste vor der Brust, auf Gaby und biss sie so fest in den Handballen, dass sie gell aufschreiend vom Tisch zu Boden glitt.
Als Gaby, das Gesicht schmerzverzerrt, wutbebend sich aufrichtete, hatte Bichette ein Messer in der Hand.
Jean, der Kellner, packte Gaby von hinten um die Arme und presste seinen Kopf zwischen ihre Schultern.
Fast gleichzeitig entriss Fec Bichette das Messer, hob ihr Handtäschchen auf und zerrte sie auf die Straße.
Draußen fühlten beide von einander, dass sie jetzt lange schweigen würden ...
In der Rue Démours blieb Bichette vor einem kleinen Konfektionsgeschäft stehen.
Eine gelbe Wollkappe, die in der Auslage hing, gefiel Fec sehr. Er trat in den Laden, kaufte sie und setzte sie Bichette, die, über alle Maßen verwundert, auf der Straße wartete, schief und reizvoll verdrückt auf die wirren Haare. Dabei fiel ihm zu seinem Erstaunen auf, dass er das lediglich in einer heftig aufwallenden fröhlichen Stimmung, ohne jede besondere Überlegung getan und den langen Weg vom Montmartre bis zum Etoile neben Bichette in einem Zustand gleichsam stumpfer Befriedigung zurückgelegt hatte. Er rieb sich mit dem Handrücken das Kinn. Alles schien ihm plötzlich unbegreiflich.
»V’lan, sie passt sogar.« Bichette wand und drehte sich vor dem Spiegel neben dem Laden. Als sie endlich weiterging, lächelte sie Fec zu. Es war ihm, obwohl er minutenlang darüber nachgrübelte, unmöglich, zu entscheiden, wie.
Da fasste Bichette ihn am Ärmel und zog ihn, der so verdutzt war, dass es ihm gar nicht beifiel, sich zu sträuben, in eine Bijouterie.
Sie leerte ihr Handtäschchen auf den Ladentisch aus, stopfte die Schächtelchen, Stifte und Büchsen in ihre Bluse und fragte rasch: »Wie viel geben Sie mir für diese Tasche?«
Der Bijoutier13 prüfte sie sorgsam mit einer großen Lupe, spitzte schließlich die blassen Lippen und lispelte: »Zweihundert.«
»Dreihundert!« forderte Bichette schneidend.
Der Bijoutier machte Einwendungen, schwatzte, da man ihm nicht antwortete, einige Zeit und warf schließlich, zweifelnd brummend, die Tasche in seinen Kassenschrank.
Bichette entriss ihm fast die Banknoten, die sie augenblicklich Fec in den Westenausschnitt schob.
Der Bijoutier wagte