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der Straße stellte sich Bichette, die Hände in den Haaren, schnell vor den Ladenspiegel. »Das ist die erste, die mir gefällt.«

      Fec, der jetzt zu begreifen begann, sagte, nur um sich reden zu hören: »Es ist englische Wolle.«

      »Hein? ... O, ich finde sie einfach riche14.« Bichette nahm seinen Arm unter die Achsel und zog ihn so hinter sich her.

      Fec nässte seine trockenen Lippen. Ein jäher Zorn quoll auf in ihm, weil er ihr Gesicht nicht sehen konnte. Er blieb stehen. »Bichette!«

      Sie wandte sich sofort um und wunderte sich, dass er stehengeblieben war. Immer noch seine Hand in den Händen, trat sie dicht vor ihn hin. So dicht, dass er sein Gesicht in ihren Pupillen erblickte.

      Fecs Stirnhaut zog sich faltig unter den Mützenschirm, während er halblaut zwischen den Zähnen hervorstieß: »Was soll denn das alles! Seit heute morgen machen wir nichts als Dummheiten.«

      Bichette ließ seine Hand los und trat einen Schritt zurück. Ihr Gesicht wurde kleiner. »Warum nicht.«

      »Ich liebe dich nicht.«

      Bichettes Lippen höhnten. »Ich dich auch nicht ... Aber ich kann nicht mehr – leer laufen.«

      »Leer laufen?« Fec versuchte, sich ihren Blick zu fangen.

      »Ja. Ich muss etwas haben.« Bichette zog schnell seinen Leib an sich. »Das alles sind Dummheiten, ich weiß es. Glaub doch nicht, dass ich ... Bah, das mit Gaby, das war nur Stolz, Wut, Eitelkeit, was weiß ich ... Und das heute morgen, das war ... Eben weil ich nicht mehr leer laufen kann. Und du, das weiß ich ganz genau, du läufst ja auch leer. So wie du lebst, das ist doch Blödsinn. Schlass15 ist das. Absolut Schlass. Und ich kann einfach nicht mehr so daherleben, so ... Das ist ... Blödsinnig ist das. Ich sage ja nicht, dass wir uns irgendwas vortrillern sollen, irgend so was wie diese zuckrigen Claqueweiber da mit ihren Marlous. Das ist von hinten herum ja doch wieder louche16, diese alberne Räuberspielerei, dieses ekelhafte Liebesgetue und Blickgetürm und diese verlogenen Rohheiten, diese Gewerbetreibenden mit Herz und Hintern und ... Schlingue! Ich hab den ganzen Jus bis dorthinaus! Mir soll noch einer kommen! Du hast ja meine beiden Narben gesehen. Spaß, wenn ich losgeh ... Aber das ist ja schließlich auch nichts. Wie alles. Ich halt es einfach nicht mehr so aus. Basta.« Sie stieß Fec von sich und stierte auf eine Laterne.

      »Wie alt bist du?«

      »Achtundzwanzig.«

      »Schon?«

      Bichette lächelte sonderbar, nahm seinen Körper in den Arm und ging weiter mit ihm.

      Als sie, einer plötzlichen übermütigen Laune folgend, in einem vornehmen Restaurant der Avenue des Ternes déjeunierten17, fragte Bichette, das Weinglas an den Lippen: »Warum hast du mir eigentlich diese Kappe gekauft?«

      Fec fluchte innerlich darüber, dass er errötete. »Ich ... Das kam so ganz von selber ... Vielleicht auch, weil ich ... Nein, ich weiß es wirklich nicht.«

      Bichettes Augen verdunkelten sich genießend. »Ich glaub es dir. Ich glaub es dir, weil du rot geworden bist.«

      Die Zähne Fecs begannen zu mahlen, während er langsam den Blick hob. »Hör, Bichette, ich habe das Geldn ... Ich habe Geld von dir genommen, noch bevor ich wusste, was du vor der ... was du nach der Bijouterie ... was du eben dort gesagt hast. Als ob ich das schon gewusst hätte ... dass du so denkst. Das hat mir nämlich sehr gefallen. Ja, das Leerlaufen ist blödsinnig. Wenn man nichts mehr haben will, wenn man nichts mehr machen will, geht man besser um die Ecke, in den Duft. Aber bei mir war das anders. Das ist schon seit zwei Jahren so. Vorher habe ich sehr viel gemacht. Bis ich eben alles satt hatte. Alles. Alles. Alles. Da war dann das Leerlaufen geradezu Wollust für mich. In den letzten Wochen aber hatte ich auch das satt bekommen. Freilich, ohne es mir einzugestehen. Was dein Weinkrampf heute war, das weiß ich. Eh ben, wenn du es wissen willst: dass ich dir die Wollkappe kaufte, das war für mich genau dasselbe wie für dich der Weinkrampf. Damit, mit solchen Selbstüberraschungen warnt man sich. Davor nämlich, dass es nicht mehr so weitergeht. Ich habe jetzt die Wahl – in den Duft ... oder – wieder etwas zu wollen, wieder etwas zu machen.«

      Bichette bekam mit einem Mal ein ganz verstörtes Gesicht. »Ja, Fec, ja, Fec, machen wir doch etwas! Etwas Neues! Etwas ganz Neues! ... Machen wir doch – uns!«

      »Uns – machen?« Fec erstaunte bis in die Lippen.

      Bichettes Hände fingerten wie irr den Rock hinab. Ihre Augen flackerten.

      *

      Sie hatten ohnehin ein wenig Aufsehen erregt. Man ist zwar in Paris an sehr vieles, das andernorts Zusammenrottungen verursachen würde, schlechtweg gewöhnt; ein höchst nachlässig gekleidetes Paar aber fällt in einem erstklassigen Mode-Restaurant auch in Paris auf. Ihre Gesichter, die in diesem Milieu sofort sozusagen dominierten, und das sichere Auftreten Fecs hatten den Maître d’Hôtel jedoch schnell entwaffnet; die Lebhaftigkeit ihrer Unterhaltung, welche durchaus gegen die Lokalusancen verstieß, besonders das überaus kräftige Mienenspiel Bichettes hatten dann aber neuerdings unliebsame Aufmerksamkeit hervorgerufen.

      Der Tischkellner pirschte sich geschickt heran und schob, ein sehr deutlicher Wink, den kleinen Teller mit der zusammengefalteten Note auf den Tisch.

      Als er sich, etwa drei Schritte entfernt, aufgestellt hatte, rief ihn Fec. »Wenn der Maître d’Hôtel sich nicht augenblicklich entschuldigt, werde ich dem Direktor meine Karte schicken.«

      Der kleine Teller verschwand im Nu.

      Der Maître d’Hôtel kam eiligst und entschuldigte sich devot. Fec würdigte ihn keines Blickes.

      Sämtliche Anwesende gaben sichtlich ihre feindselige Haltung auf.

      Bichettes Lippen bewegten sich fest auf einander. Ihre Augen waren halb geschlossen, während sie leise sagte: »Fec, wir machen uns.«

      Fec lachte ungeniert aus vollem Hals.

      Dieses scheinbar pöbelhafte Triumphieren missfiel einem Herrn, dessen Spezialität es vermutlich war, Saloncourage zu zeigen. Er schritt, sich selbstgefällig in den Knien wiegend, auf Fec zu und fragte ihn sehr laut, wann der Rapide nach Angoulème, das französische Posemuckl, abgehe.

      Fec erblasste. Seine Finger erzitterten. Aber er fühlte penetrant, dass es komisch wäre, diesen Laffen zu ohrfeigen. Sein Gehirn tobte.

      Plötzlich erhob er sich und seine Stimme war überall zu hören, als er in korrektem Französisch und mit liebenswürdigster Betonung antwortete: »Gehen Sie durch diese Tür dort und dann quer über die Straße in jenes Reisebureau, wo man Ihnen sicherlich so höflich Bescheid sagen wird wie einem gebürtigen Angoulèmer.«

      An allen Tischen beschäftigte man sich miteins heftig mit den Speisen.

      Ein sehr alter Herr näherte sich Fec, ein Glas Wein in der Hand, und stieß mit ihm an. Und eine junge hübsche Dame rief aus dem Hintergrund des Saales: »Bravo!«

      Bichette atmete nicht.

      Fec verlangte jetzt die Note.

      *

      Sie fuhren im Taxi, die Zungen in einander verwühlt, auf den Montmartre zurück. Vor das Aëro-Hotel. Bis sieben Uhr abends lagen sie im Bett.

      In der Liberty’s Bar auf der Place Blanche nahmen sie, viel bemerkt und deshalb vergnügt schweigend, den Apéritif; aßen dann aber in einem kleinen Bouillon der Rue Lépic.

      Gegen elf Uhr erschienen sie auf dem Tanzboden der Moulin de la Galette. Sie ließen keinen Tanz aus. Sie tanzten bis vier Uhr morgens. Mit einander.

      *

      Bei

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