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Und dann müssen wir überlegen, mit welchem Blutdrucksenker Sie medikamentös am besten eingestellt werden können. Bei hohem Blutdruck schluckt man nicht einfach, so wie bunte Smarties, eine Pille. Erst wenn man sich ein genaues Bild über den Patienten gemacht hat, kann man sich an die Medikation herantasten.«

      »Betablocker sollen gut sein«, bemerkte er, weil man in einer Gaststätte natürlich eine ganze Menge mitbekam, besonders von Leuten, die bei einem Bier am Tresen saßen.

      Sie nickte.

      »Für gewisse Patienten schon, ich würde Ihnen aber keine Betablocker verschreiben, das weiß ich schon jetzt, ohne genaue Untersuchungsergebnisse zu haben.«

      Er hatte sein Verhalten wirklich verändert.

      Roberta glaubte ihren Ohren kaum zu trauen, als sie ihn sagen hörte: »Sie sind der Boss, Frau Doktor.«

      Auch wenn es ein tragischer Fall war, der sie zusammengeführt hatte, Roberta freute sich, dass Hubert Lingen sich von ihr ­helfen lassen wollte. Das war zumindest schon mal ein erster Schritt in die richtige Richtung. Und wenn seine Frau ihn ebenfalls schon wegen seines Übergewichts angesprochen hatte, würde sie in ihr eine Verbündete haben.

      Roberta bat den Wirt, mit Frau Hollenbrink für die Blutabnahme einen Termin zu machen, dann verabschiedete sie sich von ihm und nahm hin, dass er ihr vor lauter Dankbarkeit und Begeisterung beinahe die Hand zerquetschte.

      Mit den Lingens hatte sie nun schon drei Patienten.

      Sollte der Knoten geplatzt sein, und die Patienten würden sich so nach und nach einfinden?

      Hubert Lingen hatte sie jetzt auf ihrer Seite, der würde nur noch positiv über sie sprechen und jedem, der es hören wollte oder nicht, erzählen, dass sie seiner Frau Monika das Leben gerettet hatte.

      Gemessen an dem, was sie täglich an Patienten gesehen hatte, war es lächerlich, sich zu freuen.

      »Eine Blume macht noch lange keinen Sommer«, würde ihre Freundin Nicki jetzt sagen, die für alle Lebenslagen einen Spruch auf den Lippen hatte.

      Roberta entschied sich dafür, den Dingen ihren Lauf zu lassen.

      Abwarten …

      Ein Bauer konnte auch nicht aufs Feld gehen und an den Halmen ziehen, damit das Getreide schneller wuchs.

      Hier gingen die Uhren halt anders, und je eher sie sich daran gewöhnte, umso besser.

      Das Gespräch mit dem Wirt war in dieser Hinsicht ganz aufschlussreich gewesen.

      Der musste jetzt auch sehen, wie es mit ihm und seinem »Seeblick« weiterging.

      Ein jeder hatte sein Päckchen zu tragen, und das Leben konnte sich von jetzt auf gleich verändern.

      Sie blickte auf ihre Uhr.

      Mittagspause.

      Diesmal würde sie sich nicht im Haus verkriechen, sondern einen Spaziergang durch die Siedlung machen, vielleicht sogar bis zum See hinunter.

      Morgen, an ihrem freien Nachmittag, wenn die Praxis geschlossen war, würde sie um den Sternsee herumwandern und sich auch einmal im Ruderklub umsehen. Als Studentin hatte sie mit dem Ruderverein der Uni so manchen Pokal gewonnen. Das war zwar schon eine Weile her, doch mit dem Rudern war es wie mit dem Fahrrad fahren. Wenn man es einmal konnte, dann verlernte man es nicht mehr.

      Segeln war auch eine Option.

      Sie und Max waren begeisterte Segler gewesen, bis seine Interessen sich verlagert hatten und er am schönen Geschlecht mehr Spaß hatte als am Sport.

      Wie immer es sich auch entwickeln würde, eines konnte man auf jeden Fall sagen … der Sonnenwinkel besaß einen hohen Freizeitwert …

      *

      Dr. Roberta Steinfeld würde sich gewiss sehr viel wohler fühlen, wenn sie wüsste, dass Menschen sich ihretwegen sorgten, die sie überhaupt nicht kannten.

      Sandra Münster hatte zufällig Inge Auerbach getroffen, und die hatte ihr natürlich von dem Fiasko um die Praxis von Dr. Riedel erzählt, in der Dr. Roberta Steinfeld kein Bein auf die Erde bekam.

      Ihr Mann Felix war ein stark beschäftiger Unternehmer, und deswegen vermied Sandra es, ihn anzurufen oder zu besuchen, während er in der Fabrik war.

      Das tat sie wirklich nur in Ausnahmefällen, und Felix wusste das zu schätzen. Sie waren ein gutes Team, zogen an ­einem Strang, und sie waren verliebt wie am ersten Tag, sie hatten noch immer Schmet­terlinge im Bauch, wenn sie sich sahen, wenn sie sich berührten, wenn sie aneinander dachten.

      Das jetzt war ein Ausnahmefall.

      Sandra parkte ihren weißen Sportwagen direkt vor dem Portal des beeindruckenden Verwaltungsgebäudes der Münster-Werke.

      Sie wurde voller Hochachtung vom Portier im Eingangsbereich begrüßt.

      Die Münsters wurden vom Personal geschätzt, weil Felix Münster ein fantastischer Arbeitgeber war, dem das Wohl seiner Angestellten sehr am Herzen lag. Alle arbeiteten gern hier, und auch die Auszubildende blieben nach bestandener Prüfung im Betrieb.

      Sandra fuhr nach oben in die oberste Etage, auf der ­Felix seine Büro- und auch die Konferenzräume untergebracht hatte.

      Neben ihm und seinen Sekretärinnen arbeiteten hier seine engsten Mitarbeiter, die auch allesamt für ihren Chef durchs Feuer gehen würden.

      Um in das Büro ihres Mannes zu kommen, konnte Sandra durch das große Sekretariat ­gehen, es gab jedoch auch einen unauffälligen Seiteneingang, wo man zum Büro seiner langjährigen Sekretärin Frau Brandt kam, und dahinter residierte dann ihr Felix.

      Lilo Brandt freute sich, die Frau ihres Chefs zu sehen. Heimlich bewunderte sie Sandra, die nicht nur das Aussehen einer Dame besaß, sondern sich auch entsprechend kleidete. Für Lilo war sie auf jeden Fall, in jeder Hinsicht, ein großes Vorbild, dem sie, so gut es ging, nacheiferte.

      Sandra hatte Glück.

      Felix hatte keinen Besuch, und für die nächste halbe Stunde waren auch keine Besucher angemeldet.

      Mehr als eine halbe Stunde brauchte sie nicht, zumal Frau Brandt ihr versprach, keine Telefongespräche durchzustellen. Als Sandra in das wirklich erlesen, aber doch schlichtelegant eingerichtete Büro ihres Mannes eintrat, blickte er ihr ganz erstaunt entgegen, stand auf, kam um den Schreibtisch gelaufen und nahm sie zärtlich in die Arme.

      »Mein Herz, das ist aber eine angenehme Überraschung, dich hier zu sehen … es ist doch nichts passiert?«

      Sie konnte ihn beruhigen, und nach einem liebevollen Kuss nahmen sie Platz, und Sandra sagte: »Felix, wir haben im Sonnenwinkel ein Problem. Du weißt doch, dass eine ganz hervorragende Ärztin die Praxis von Dr. Riedel übernommen hat.«

      Er nickte.

      »Ja, Riedel war des Lobes voll und war sogar der Meinung, dass sie für den Job hier überqualifiziert ist.«

      Sandra nickte.

      Er konnte seine Frau nicht ganz verstehen.

      »Und wo ist das Problem?«

      »Sie hat keine Patienten, die Leute hier meiden sie, warum auch immer. Und wenn sich da nicht bald etwas ändert, wird sie wohl schneller wieder verschwunden sein als wir gucken können. Das wäre für uns nicht nur ein herber Verlust, weil sie so gut ist, sondern man kann sich ja wohl ausmalen, dass wir dann so schnell keinen Nachfolger oder eine Nachfolgerin finden werden. Wer will denn schon eine Landarztpraxis übernehmen? Die Verdienstmöglichkeiten in der Großstadt sind sehr viel lukrativer.«

      Er schenkte ihr einen liebevollen Blick, und am liebsten wäre er jetzt aufgestanden, um sie erneut in seine Arme zu nehmen.

      Wie sehr er sie doch liebte!

      Ach, seine Sandra.

      Es gab gar nicht genug Worte, um sie zu beschreiben, um ihr gerecht zu werden. Sie war eine Frau mit einem großen Herzen. Sie kümmerte

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