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deren Tür nicht geöffnet wurden? Mit der Begründung Gefahr in Verzug können Sie sich überall Zutritt verschaffen.«

      »Herr Müller, ich habe die Einsatzkräfte vor Ort angewiesen, genau so vorzugehen.«

      Staatsanwalt Müller übergeht Mosers Antwort und wendet sich Jensen zu.

      »Haben Sie etwas zu ergänzen?«

      »Wir haben einige Merkwürdigkeiten im Umfeld der Toten entdeckt. Na ja, Merkwürdigkeiten nicht direkt, aber Fakten, die uns Fragen stellen lassen.«

      »Kommen Sie zur Sache, Herr Jensen!«

      Der gestrige Tag hat hörbar an den Nerven des Staatsanwalts gezerrt.

      »Die Ermordete hatte engen Kontakt zu einem Mann aus einem Fall, in dem sie ermittelt hat. Und sie hat sich mit dem Tod des jugendlichen Demonstranten beschäftigt, der vor wenigen Tagen verstorben ist.«

      »Herr Jensen!« Müllers Nerven liegen blank. »Hier geht es um einen politischen Mord, einen Anschlag auf unseren Staat und das Gemeinwesen! Deshalb ist der Staatsschutz und Herr Moser federführend! Sie sollen zuarbeiten, nicht neue Theorien entwickeln!«

      Die wütende Ungeduld des Staatsanwalts nervt Moser, der sich nicht erinnern kann, in den letzten Jahren seinem Kollegen Jensen einmal zur Seite gesprungen zu sein. Doch jetzt tut er es.

      »Genau das macht Herr Jensen. Es ist wichtig, dass wir alle Aspekte und Facetten betrachten, dass wir uns ein vollständiges Bild von dem Opfer machen.«

      »Von mir aus, tun Sie das. Aber fassen Sie schnell den Täter.«

      »Daran arbeiten wir.«

      Den sarkastischen Unterton in Mosers Antwort überhört der Staatsanwalt willentlich.

      »Sprechen Sie mit Ihrem Kontaktmann beim Verfassungsschutz; die sollen sich umhören, wie die Szene auf den Mord reagiert. Morgen sehen wir uns wieder, und hoffentlich mit positiven Ergebnissen. Erfolgreichen Tag, die Herren.«

      Jensen und Moser verabschieden sich.

      »Ach ja, noch etwas,« ruft ihnen der Staatsanwalt nach. »Ich habe mit der Richterin gesprochen. Sie bekommen jeden Durchsuchungsbeschluss, den Sie brauchen. Also seien Sie nicht zimperlich. Alles, was hilft, den Mörder zu fassen, werde ich veranlassen.«

      Scharfe Knoblauchsoße tropft aus einem Dönerbrot auf Cairos Hose. Ein klein geschnittenes Krautblatt folgt der dickflüssigen Konsistenz. Cairo bemerkt beides nicht, er ist in eine Diskussion mit Hakim und Pawel vertieft. Isa stößt ihren Freund lachend an.

      »Cairo, deine Hose.«

      »Was ist mit der?«

      Isa zeigt auf das Krautblatt, bevor sie es mit einem Finger wegschnippt. Den Fleck muss Cairo selbst wegwischen. Er macht es nur oberflächlich und konzentriert sich auf Pawels Rede.

      »Noch nie waren in Deutschland so viele Polizisten eingesetzt. Doch wir haben es geschafft, einige Zufahrtsstrecken zu den Messehallen zu blockieren. Einfach nur geil.«

      »Am besten finde ich«, ergänzt ihn Isa, »dass Ivanka Trump nicht aus der Gästevilla des Senats herausdurfte. Für sie fiel das Rahmenprogramm für die Ehepartner der Staatschefs aus. Na ja, seine Frau hat er zu Hause gelassen und statt ihrer lieber seine Tochter mitgenommen.«

      »Aber die Polizei hat schon heftig reagiert – wie die gegen die Blockierenden vorgegangen ist!« Hakim ist sauer. »Ich hoffe, das rächt sich noch.«

      »Kann man doch irgendwie verstehen, dass die nervös sind. Gestern wurde eine Polizistin erschossen«, wendet Isa nachdenklich ein.

      »Meinst du«, zweifelt Hakim, »dass jemand es gezielt auf diese Frau abgesehen hat? Ich kann mir nicht vorstellen, in diesen Tagen eine bestimmte Polizistin ausfindig machen zu können. Für mich sehen die alle gleich aus in ihren Uniformen, Sturmhauben und Helmen. Niemand von denen könnte ich erkennen.«

      »Andererseits kann ich mir nicht vorstellen«, spricht Cairo mit vollem Mund, und die scharfe Soße läuft an seinem Kinn hinunter, »dass jemand wahllos eine Polizistin erschießt.«

      »Wer dieser Tage etwas abbekommt, der bekommt es wahllos ab.« Hakim lässt sich nicht überzeugen. »Wer hat denn Sven ausgewählt, dass er sterben musste? Sind die Bullen nicht wahllos in die Menge gestürmt, egal ob jemand verletzt wird? Ist das plötzlich kein Mord mehr für dich?«

      »In der Stadtrundschau stand, das war klar Mord.«

      Pawel steht Hakim zur Seite, doch Isa springt ihrem Freund bei.

      »Ich kenne einige in der Redaktion. Max und Bernd, die behaupten es. Aber Cairos Mutter argumentiert anders, differenzierter.«

      »Klar war das Mord, was Sven passiert ist. Doch der war nicht geplant.« Cairo mischt wieder mit. »Aber das mit der Polizistin ist etwas anderes. Hier hat jemand bewusst das Leben eines Menschen zerstört. Und das geht nicht.«

      »Das geht jeden Tag hundertmal auf der Welt. Ist das nicht auch ein Grund, warum wir während des Gipfels auf der Straße sind?«

      Hakim lässt sich nicht überzeugen.

      »Das heißt aber nicht, dass es richtig ist, ebenfalls Menschen zu töten. Ich will eine gerechte Welt, und in der soll niemand erschossen werden.«

      »Aber der Weg dahin ist kein Ponyhof, auf ihm geht es brutal zu. Das weißt du selbst und hast es heute wieder erlebt. Und auch wenn wir Gewalt nicht mögen – zimperlich sein heißt zu verlieren.«

      »Trotzdem, es geht nicht an, Menschen zu erschießen. Und wenn dieser Polizistenmord irgendetwas mit unseren Protesten zu tun hat, dann gute Nacht. Dann waren alle tollen Ideen, der Gipfel der Solidarität und alle Aktionen für den Arsch.«

      »Cairo«, beschwichtigt Isa ihren Freund, der vergessen hat, sein Dönerbrot weiterzuessen. »Es gibt immer mal einen Verrückten.«

      »Aber das macht es nicht besser, oder?«

      Aus dem Wohnzimmer zieht ein Schmerzensseufzer in die Küche. Timo legt die Kartoffel zur Seite, die er gerade von ihrer Schale befreit, und eilt zu Sylvia. Sie hat sich auf der Couch ausgestreckt, die rechte Hand liegt auf ihrem Bauch.

      »Ich glaube, die Wehen setzen ein«, empfängt sie ihren Mann.

      »Meinst du? Oder ist es wieder eine Vorwehe?«

      »Nein, es ist anders als in den letzten Tagen.«

      »Sollen wir los ins Krankenhaus?«

      »Normal wäre es wohl noch nicht nötig, der Abstand ist noch groß. Aber nach dem, was heute Morgen in der Zeitung stand …«

      »Was denn?«

      »Wer während des Gipfels Nachwuchs bekommt, soll früher ins Krankenhaus fahren. Oder gleich ein anderes als das geplante aufsuchen.«

      »Gut, dann lass uns los.«

      Timo hilft seiner Frau aufzustehen. Wenn sie heil durch das Chaos auf den Straßen kommen, werden sie in einigen Stunden Mutter und Vater sein.

      Im Redaktionskeller der Stadtrundschau hat sich Hektik eingenistet. Auf den Straßen der Stadt überschlagen sich die Ereignisse, die die Redakteure zu Zeitungsartikeln verarbeiten müssen. Der Tag brachte nicht nur unzählige kreative und friedliche Aktionen, nicht nur die Blockaden auf den Zufahrtswegen, sondern auch angezündete und ausgebrannte Autos auf der Elbchaussee und zerstörte Schaufenster in Altona.

      »Wir müssen den kreativen Protest und seine Inhalte darstellen. Die Mehrheit protestiert friedlich, da passen keine brennenden Autos und Vermummte auf die Titelseite«, fordert Nele. »Das wäre nur Sensationslüsternheit.«

      Soeben haben

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