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um mich aufzuhalten.

      Die Luft war abgestanden und ich konnte die sprudelnden Wassermassen hören. Ich beobachtete, wie das Wasser schnell an der Wand des Choppers anstieg.

      Ein Knistern dröhnte aus dem Funkgerät, was unsere Aufmerksamkeit erregte.

      »Jarvis … oh Jarvis. Du bist da unten besser nicht gestorben. Wir sind noch nicht fertig mit dir«, dröhnte eine Stimme aus dem Lautsprecher.

      Mein Blut kochte, als ich die Waffe hob und auf die Scheibe richtete. Dieser Hurensohn am anderen Ende des Funkgeräts hatte uns so viel Schmerz bereitet.

      »Du musst abdrücken. Ihr habt nicht mehr viel Zeit. Tue es«, flüsterte Jarvis.

      Kyle griff nach unten und legte seine Hand auf das Rohr, das aus Jarvis’ schlimm zugerichtetem Bein ragte.

      »Es tut mir leid, alter Freund.« Mit einem schnellen Ruck wackelte er an dem Metallrohr hin und her und riss es von der Decke des Cockpits los.

      Jarvis biss die Zähne zusammen, und ich konnte sehen, wie eine Träne über sein rotes Gesicht lief, aber er schrie nicht. Kyle ließ das Metallrohr fest in seinem Bein und brachte Jarvis in eine sitzende Position, lehnte ihn gegen die Wand aus verdrehten Drähten und Metall.

      Das Funkgerät knisterte erneut. »Kommt schon, Jungs. Ihr gebt doch nicht schon auf, oder? Wir haben so viel Spaß vor uns.«

      Rodgers hielt Abstand von mir und schrie vergeblich in Richtung des Funkgeräts. Er rief nach Hilfe. Dann fixierte er wieder die Waffe. Ich konnte sehen, dass er mich aufhalten wollte, aber ich hielt die Karten in der Hand und er wusste, dass ich nicht in der Stimmung war zu bluffen.

      Kyle hob Jarvis zum vorderen Bereich des Choppers und stütze sich selbst gegen den Sitz davor. Dann sah er mich an.

      »Bist du bereit?«

      »Nein«, erwiderte ich und sah ihm direkt in die Augen.

      »Ich auch nicht«, entgegnete er mit einem grimmigen Lächeln. Ich sah mich zu Rodgers um, während ich die Waffe hochnahm und auf die Scheibe zielte.

      Dreihundert Kilometer lagen noch vor uns, ein Verrückter war uns auf den Fersen … die Welt hatte sich gegen uns verschworen. Aber wie heißt es so schön? Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

      »Tue es nicht, Mann. John. John! Bitte Mann, tue es nicht. Es muss einen anderen Weg geben!«, flehte Rodgers mich an und kam näher.

      Das Funkgerät knackte ein letztes Mal. »Kommt schon hoch, Leute … dieses Spiel hat gerade erst begonnen.«

      Vor seiner Stimme abgeschreckt spähte ich durch das knackende Fenster, und ein einziger Gedanke lief durch meinen Verstand. Die Uhr tickte. Wir hatten nur noch fünfzehn Stunden Zeit. Mit jeder Sekunde, die verging, verloren wir ein kleines Stück unserer verbleibenden …

      

       900 Minuten

       Früher an diesem Tag, bevor wir in einem Unterwassergrab festsaßen, umgeben von den Toten, die dort herumkrochen … und uns ein Verrückter auf den Fersen war.

      Kapitel 2

       In dieser neuen Welt war ich zu einem Todbringer geworden, und dieser Hammer war mein Ass im Ärmel.

      

      Ich hatte mich seit zwei Wochen nicht mehr rasiert. Die Stoppeln hätten ein Bart sein können, wenn ich mit einem ordentlichen Bartwuchs gesegnet gewesen wäre. Die Haarpracht war nicht mehr, als ein Durcheinander voller Lücken und bedeckte nur Teile meines Gesichts. Mein Spiegelbild zeigte mir Augenringe, die schlimmer zu sein schienen als sonst. Ich atmete tief ein und sah, wie sich mein Brustkorb hob und wieder senkte. Dabei bemerkte ich, dass mein Gesicht um zehn Jahre gealtert zu sein schien. Zumindest seitdem die Toten angefangen hatten … nun, nicht tot zu bleiben. Ich war tief im unterirdischen Bunker begraben und fragte mich oft, ob wir die richtige Wahl getroffen hatten … diese schicksalhafte Entscheidung, nach Avalon zurückzukehren. Selbst damals schien es eine ziemlich furchtbare Idee gewesen zu sein, zu einem Ort zurückzukehren, an dem wir dazu gezwungen worden waren, als Gladiatoren in einer Arena zu kämpfen, während eine Revolte in den Mauern dieses angeblich sicheren Hafens ausbrach.

      Am Ende kehrten wir vor allen Dingen deswegen zurück, weil wir nirgendwo anders hingehen konnten. Wir hatten also keine richtige Wahl. Da war nur noch Fort Gordon in Augusta und Georgia, was aber eine Sackgasse war. Außerdem waren die Bewohner Avalons dazu bereit, uns mit offenen Armen zu empfangen. Die Helden der Arena. Die Männer, die dabei geholfen hatten, die Elite zu stürzen.

      Ich persönlich war der Meinung, als wäre das alles Bullshit. Wir hatten nur versucht, zu überleben.

      Im Waschbecken spülte ich die siebeneinhalb Zentimeter lange Rasierklinge aus Metall ab und beobachtete, wie die klare Flüssigkeit die Metallschüssel füllte und dann in einer Spirale den Abfluss hinunterfloss. Rasiercreme war heutzutage ein seltenes Gut und ich hatte mich schon viel zu lang davor gedrückt.

      Ich wandte mich vom Spiegel ab und hörte ein winziges Husten aus dem schwach beleuchteten, provisorischen Kinderbett auf der anderen Seite des Raums. Dann legte ich die Rasierklinge hin und schüttelte eine Plastikflasche, die ich in jener Nacht bereits vorbereitet hatte, ging um den Tisch herum und an der langen Seite des Bettes vorbei. Dort lag Tyler. Seine tiefblauen Augen blickten zu mir auf, während er seine klitzekleinen Füße zu seinem Gesicht zog und sie durchknetete.

      Mit meinem linken Arm griff ich nach unten und nahm ihn vom Kinderbettchen hoch. Dann plumpsten wir zusammen auf die Couch. Im Vergleich zu dem, was die meisten Menschen in Avalon hatten, war dieser Raum riesig. Ich denke, die anderen hatten ihn uns nur überlassen, weit weg vom Gemeinschaftsbereich, damit sie nicht mitten in der Nacht das Babygeschrei hören mussten.

      Na ja … ich beschwerte mich nicht.

      Langsam steckte ich ihm den Sauger der Flasche in den Mund und sah auf seine inzwischen geschlossenen Augen hinunter, während er die Milch in einem Zug hinunterstürzte. Man hätte denken können, dass er tagelang nichts zu essen bekommen hatte, aber ich hatte genau dasselbe nur Stunden zuvor getan.

      Ausspülen und wiederholen, die ganze Nacht lang, bis zum Morgen.

      Diese dunklen Nächte mit meinem Sohn, während ich ihn nah an mich drückte und seinen Herzschlag spürte, sollten die schönsten Momente meines Lebens sein. Stattdessen schien ich dadurch einfach viel zu viel Zeit zum Nachdenken zu haben. Zu viel Zeit für Erinnerungen. Zu viel Zeit für Schmerzen.

      Ich saß in der Dunkelheit und versuchte meinen Kopf freizubekommen, aber ich konnte nicht anders und starrte auf sein Gesicht hinunter. Meine Augen wollten sich mit Tränen füllen. Ich schüttelte den Kopf und sah mir den Rost an, der über die metallverkleidete Decke kroch. Noch einmal atmete ich die wiederaufbereitete Luft in meine Lungen.

      Er sah ihr so ähnlich …

      Meine Gedanken drifteten oft zu dem Moment ab, als ich meine Frau zum letzten Mal gesehen hatte. Die Erinnerungen schienen sich immer einen Weg durch diesen dunklen Pfad zu bahnen, bis zu dem Moment, wo sie sich verwandelt hatte. Diese wilden, roten Augen starrten mich ausdruckslos an.

      Ich denke an den Tag zurück, als ich an ihrem Grab stand.

      Das Meiste, was an diesem Tag geschah, war verschwommen … bis auf den Moment, in dem ich meine Frau begraben hatte.

      Ich erinnere mich daran, dass ich eine verrostete Schaufel benutzte. Meine Hände bekamen Blasen wegen des abgenutzten Griffs, während ich haufenweise rote Tonerde hochschaufelte, um ein flaches Grab auszuheben … ich bettete ihren Leichnam genau in der Nähe des Landeplatzes in Augusta zur Ruhe.

      Eine Frau wurde ihrem Mann entrissen. Ein Junge, der niemals seine Mutter kennenlernen würde.

      Wir konnten sie nicht

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