Скачать книгу

der Lama, und eine Schlinge von Perlen über das Gras ziehend, sang er:

      Dies ist ‘ne Handvoll Cardamom,

       Dies ein Stück Ghi (Butter) dazu,

       Dies ist Hirse, Pfeffer und Reis:

       Nun schmausen wir, ich und Du!«

      Das Kind kreischte vor Freude und haschte nach den dunklen, schimmernden Perlen.

      »Oha!« rief der alte Soldat, »woher hast Du dieses Lied, Verächter der Welt?«

      »Ich hörte es in Pathankot, wo ich auf einer Türschwelle rastete,« sagte schüchtern der Lama. »Es ist gut, freundlich mit Kindern zu sein.«

      »Wie ich mich erinnere, sagtest Du mir, ehe der Schlaf über uns kam, daß Heirat und Geburt Verdunkler des wahren Lichtes sind. Steine des Anstoßes auf dem Pfade. Füllen in Deinem Lande die Kinder vom Himmel? Ist das so Sitte, ihnen Lieder zu singen?«

      »Kein Mensch ist ganz fehlerlos,« sprach ernsthaft der Lama und zog den Rosenkranz ein. »Lauf nun zu Deiner Mutter, Kleiner.«

      »Hör ihn!« wandle sich der Soldat zu Kim. »Er schämt sich, ein Kind erfreut zu haben. Es ist ein guter Hausvater an Dir verloren, mein Bruder. Heda, Kind!« Er warf ihm eine Kupfermünze zu – »Zuckerwerk ist immer süß.« Und, als die kleine Gestalt im Sonnenschein forthüpfte: »Die wachsen heran und werden Männer. Heiliger, ich bedauere, daß ich mitten in Deiner Predigt einschlief. Vergib mir.«

      »Wir sind beide alte Männer,« sprach der Lama. »Mein ist der Fehler. Ich lauschte Deiner Rede von der Welt und ihrer Torheit und ein Fehler leitete zu dem nächsten.«

      »Hör ihn! Welchen Schaden erleiden Deine Götter durch Dein Spiel mit einem Kinde? Und das Lied hast Du sehr gut gesungen. Laß uns weiter wandern und ich will Dir den Sang von Rikal Seyn vor Delhi singen – den alten Sang?«

      Und sie verließen die schattige Dämmerung der Mango-Gruppe. Die schrille Stimme des alten Soldaten tönte über das Feld, wie er in langgezogener Wehklage die Sage von Rikal Seyn (Nicholson) vortrug – das Lied, das die Leute im Punjab bis zum heutigen Tage singen. Kim war entzückt, und der Lama hörte mit tiefem Interesse zu.

      »Ahi! Rikal Seyn ist tot – er fiel vor Delhi! Lanzen vom Norden, nehmt Rache für Rikal Seyn.« Er tremulierte den Sang bis zu Ende, die Triller schlug er mit der flachen Seite des Degens auf des Pony’s Hinterteil.

      »Und nun Kommen wir auf die große Heerstraße,« sagte er, als Kim sein Lob gesungen halte – der Lama war auffallend schweigsam. »Lang ist es her, daß ich diese Straße geritten bin; Deines Knaben Rede munterte mich dazu auf. Betrachte, Heiliger, die große Heerstraße, die das Rückgrat ist von ganz Hind. Zum größten Teil ist sie, wie hier, beschattet von vier Reihen von Bäumen; die Mittelstraße, ganz hart, nimmt der schwere Verkehr. In den Tagen vor den Eisenbahn-Wagen reisten die Sahibs hier zu Hunderten auf und ab. Jetzt sieht man nur Bauernwagen und dergleichen. Rechts und links ist der gröbere Weg für schwere Fuhrwerke – Getreide und Baumwolle und Bauholz, für Kalk, Häute und Felle. Hier geht man in Sicherheit – denn alle paar Kos weit ist eine Polizeistation. Die Polizisten sind Diebe und Erpresser, ich selbst würde hier mit Kavallerie abpatrouillieren lassen, mit jungen Rekruten unter einem tüchtigen Kapitän, aber sie dulden wenigstens keine Rivalen. Alle Arten und Kasten von Menschen bewegen sich hier. Schau! Brahmanen und Chumars (Schuster), Bankiers und Zimmerleute, Barbiere und Banjä (zur Baischiga-Kaste der Hindu gehörig, die sich des Fleischgenusses enthalten), Bunnias, Pilger und Töpfer – alle Welt kommt und geht. Mir scheint es wie ein Fluß, von dem ich fortgetrieben werde wie ein Klotz nach der Hochflut.«

      Und wahrlich, die große indische Heerstraße bietet ein wunderbares Schauspiel. Sie läuft fünfzehnhundert englische Meilen geradeaus, trägt ohne Gedränge Indiens Handelsverkehr – ein Strom von Leben, wie er nirgendwo sonst in der Welt existiert.

      Sie sahen die grün überwölbte, schattengesprenkelte Länge der Straße hinab, die mit langsam schreitendem Volk besät ist. Eine zweiräumige Polizei-Station lag am Wege.

      »Wer trägt hier, dem Gesetz zuwider, Waffen?« rief lachend ein Konstabler, als er das Schwert des Soldaten erblickte. »Sind nicht genug Polizisten da, um Übeltäter umzubringen?«

      »Gerade wegen der Polizei habe ich es gekauft,« war die Antwort. »Steht Alles wohl in Hind?«

      »Ressaldar Sahib, Alles steht wohl.«

      »Ich bin wie eine Schildkröte, siehst Du, die auf dem Ufer ihren Kopf heraus streckt und wieder einzieht. Ah, dies ist die Straße von Hindostan. Alle Menschen kommen dieses Weges …«

      »Sohn eines Schweines, ist der weiche Teil der Straße dazu da, daß Du Deinen Rücken darauf kratzest?

      Vater aller Töchter der Schande und Gatte von zehntausend Unkeuschen, Deine Mutter hatte sich einem Teufel ergeben und war von ihrer Mutter dazu verleitet; Deine Tanten haben seit sieben Generationen keine Nase gehabt! Deine Schwester! – Welche Eulen-Torheit hieß Dich Deine Karren quer über die Straße treiben? Ein zerbrochenes Rad? Nimm einen zerbrochenen Kopf dazu und flick die beiden gelegentlich wieder zusammen!«

      Die Stimme und wütendes Peitschenknallen Kam aus einer fünfzig Yards entfernten Staubsäule, wo ein Wagen zusammengebrochen war. Eine hohe, magere Kattiwar-Stute schwang sich, mit glühenden Augen und Nüstern, schnaubend und ausschlagend aus dem Gewühl hervor. Ihr Reiter zwang sie quer über den Weg, einen schreienden Mann vor sich herjagend. Der Reiter, hochgewachsen und graubärtig, saß auf dem fast rasenden Tier, als wäre er ein Stück von ihm, und schlug ruckweise und gleichmäßig auf sein Opfer los.

      Des alten Soldaten Gesicht leuchtete vor Stolz. »Mein Junge!« sagte er kurz und bemühte sich, den Hals des Pony in eine geziemende Wölbung zu zügeln.

      »Muß ich mich vor den Augen der Polizei prügeln lassen?« schrie der Fuhrmann. »Gerechtigkeit! Ich fordere Gerechtigkeit – –«

      »Muß ich mich blockieren lassen von einem schreienden Affen, der zehntausend Säcke vor der Nase eines jungen Pferdes umstürzt? Das verdirbt ein Pferd.«

      »Er spricht wahr. Er spricht wahr. Aber das Pferd gehorcht gut dem Zügel,« rief der alte Soldat. Der Fuhrmann rannte unter die Räder seines Wagens, und von dort schwur er alle möglichen Rachemaßregeln.

      »Starke Männer sind Deine Söhne,« sagte der Polizist, gleichmütig seine Zähne stochernd.

      Der Reiter führte einen letzten, bösartigen Schlag mit der Peitsche und kam in kurzem Galopp heran. »Vater!« Er zügelte zehn Yards rückwärts und stieg ab.

      Der alte Mann war augenblicklich von seinem Pony herunter, und sie umarmten sich wie Vater und Sohn im Osten tun. –

      Kapitel 4.

       Inhaltsverzeichnis

      Dann sprachen sie leise mit einander. Kim wollt unter einem Baume ausruhen, der Lama aber zupfte ihn ungeduldig am Ellbogen.

      »Laß uns weiter gehen. Der Fluß ist nicht hier.«

      »Ho! Ho! Sind wir nicht für eine Weile genug gegangen? Unser Fluß wird nicht fortlaufen. Geduld! Er wird uns ein Almosen geben.«

      »Dieser,« sagte plötzlich der alte Soldat, ist der Freund der Sterne. Gestern brachte er mir die Nachricht. In einer Vision sah er Ihn selbst, den Mann, der die Befehle für den Krieg gab.«

      »Hm!« brummte sein Sohn tief in seiner breiten Brust, »er hörte zufällig ein Bazar-Geschwätz und zog Nutzen daraus.«

      Der Vater lachte. »Wenigstens kam er nicht zu mir hergeritten, um ein neues Schlachtroß und, die Götter wissen wie viel Rupien zu erbetteln. Sind die Regimenter Deiner Brüder auch beordert?«

      »Ich weiß es nicht. Ich nahm Urlaub und Kam rasch zu Dir, für den Fall – –«

      »Für den Fall, daß sie Dir

Скачать книгу