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Tränen heuchelnd, »ich wollte nur aufwaschen helfen, für einen Mundvoll.«

      »Ganz Umballa überläuft uns aus demselben Grund. Mach, daß Du fortkommst. Die Suppe wird jetzt hineingetragen. Meinst Du, daß wir, in Creighton’s Dienst, fremde Küchenjungen brauchen, uns bei einem großen Diner zu helfen?«

      »Es ist ein sehr großes Diner,« sagte Kim, nach den Schüsseln blickend.

      »Kein Wunder. Der Ehrengast ist kein anderer als der Jang-i-Lat Sahib.« (Der Höchstkommandierende).

      »Oho!« rief Kim in dem richtigen Gutturalton der Verwunderung. Er hatte erfahren, was er wissen wollte, und als der Küchenjunge sich umsah, war er fort.

      »Und das alles,« sprach Kim zu sich selbst, wie immer wenn er über etwas nachdachte, in Hindostanisch – »um eines Pferdes Stammbaums willen. Mahbub Ali sollte zu mir kommen, um ein wenig lügen zu lernen. Bisher, wenn ich eine Botschaft auszurichten hatte, betraf sie stets ein Weib. Jetzt betrifft sie Männer. Besser! Der lange Mann sagte, er wolle eine große Armee los lassen, um jemand zu bestrafen – irgendwo. – Die Nachricht geht nach Pindi und Peshawur. Da sind auch Kanonen. Wollte, ich wäre noch näher herangekrochen. Es ist eine große Neuigkeit.«

      Bei seiner Rückkehr fand er des Farmers Vetters jüngeren Bruder mit dem Farmer, dessen Frau und einigen Freunden eifrig dabei, den Familien-Prozeß nach allen Richtungen zu erörtern. Der Lama schlummerte. Nach der Abendmahlzeit gab man Kim eine Wasserpfeife, und er dünkte sich ein ganzer Mann, als er, mit ausgespreizten Beinen im Mondlicht liegend, an der glatten Kokosnußschale zog und ab und zu ein wenig mit der Zunge schnalzte. Seine Wirte waren sehr höflich, denn des Farmers Frau hatte ihnen von seiner Vision von dem Roten Stier erzählt und daß Kim wahrscheinlich aus einer anderen Welt stamme. Überdies war der Lama eine große und ehrwürdige Merkwürdigkeit. Später kam der Familien-Priester, ein alter, toleranter Sarsut-Brahmane, hinzu und brachte natürlich bald ein theologisches Argument vor, um Eindruck auf die Familie zu machen. Nach ihrem Bekenntnis waren sie natürlich alle auf ihres Priesters Seite; der Lama aber war der Gast und die Neuheit. Seine sanfte Freundlichkeit und seine eindrucksvollen chinesischen Zitate, die wie Zaubersprüche klangen, entzückten sie außerordentlich, und der Lama entfaltete sich in dieser einfachen, sympathischen Umgebung gleich des Bodhisats eigener Lotosblüte. Er erzählte von seinem Leben in den großen Bergen von Suchzen, bevor, wie er sagte: »ich mich aufmachte, um Erleuchtung zu suchen.«

      Da kam es auch heraus, daß er in jenen weltlichen Tagen ein Meister im Horoskop-und Nativitäten-Stellen war. Der Familien-Priester bewog ihn, seine Methode mit seiner zu vergleichen. Jeder gab aufwärts nach den großen Sternen deutend, die durch die Dunkelheit der Nacht segelten, den Planeten Namen, die der andere nicht verstand. Die Kinder zupften, ungetadelt, an des Lamas Rosenkranz, und er vergaß selbst des Verbotes, Frauen anzusehen, als er von den ewigen Schneegipfeln, von Erdrutschen, von blockierten Pässen, den entlegenen Felsen sprach, wo man Saphire und Türkisen findet, und zuletzt von der wundervollen Hochlandstraße, die in das große China führt.

      »Wie denkst Du über den da?« fragte der Farmer, den Priester bei Seite nehmend.

      »Ein heiliger Mann – wahrhaftig ein heiliger Mann. Seine Götter sind nicht die Götter, aber seine Füße sind auf dem Wege,« war die Antwort. »Und seine Methode beim Nativitäts-Stellen – wenn das auch über Deinen Verstand geht, ist weise und sicher.«

      »Sage mir,« fragte Kim schläfrig, »ob ich meinen Roten Stier auf einem grünen Felde finde, wie mir versprochen wurde?«

      »Welche Kenntnis hast Du von Deiner Geburtsstunde?« fragte der Priester, aufschwellend vor Wichtigkeit.

      »Zwischen dem ersten und zweiten Hahnkrähen in der ersten Nacht des Mai.«

      »In welchem Jahr?«

      »Ich weiß nicht; aber in der Stunde, wo ich den ersten Schrei tat, war das große Erdbeben in Srinagar, das in Kashmir liegt.« Dies hatte Kim von der Frau, die ihn beherbergte, und diese wieder von Kimball O’Hara. Das Erdbeben hatte man in ganz Indien gespürt, und es blieb für lange Zeit ein leitendes Datum im Punjab.

      »Aha!« rief aufgeregt eine Frau. Dies schien ihr Kims übernatürliche Herkunft noch gewisser zu machen. »War nicht irgend jemandes Tochter auch da geboren?«

      »Und ihre Mutter gebar dem Manne vier Söhne in vier Jahren – alles hübsche Knaben,« bestätigte die Farmersfrau, außerhalb des Kreises im Schatten sitzend.

      »Kein in der Wissenschaft Erzogener,« sprach der Familien-Priester, »vergißt, wie die Planeten in jener Nacht in ihren Häusern standen.« Er begann in dem Staube des Hofes zu zeichnen. »Jedenfalls hast Du auf die Hälfte vom Hause des Stieres Anrecht. Wie lautet Deine Prophezeiung?«

      »Eines Tages,« hub Kim an, entzückt von dem Aufsehen, das er erregte, »eines Tages werde ich durch Hilfe eines Roten Stieres auf einem grünen Felde mächtig werden; aber erst werden zwei Männer antreten, um alles bereit zu machen.«

      »Ja, so ist es immer bei Beginn einer Vision. Eine tiefe Dunkelheit, die allmählich heller wird; dann kommt einer mit einem Besen und macht den Platz klar. Dann beginnt die Erscheinung. Zwei Männer sagst Du? Ei! Ei! Die Sonne, wenn sie das Haus des Stieres verläßt, tritt ein in das der Zwillinge. Daher die zwei Männer der Prophezeiung. Laß uns überlegen. Hole mir einen Zweig, Kleiner!«

      Er zog die Augenbrauen zusammen, kratzte, wischte aus und kratzte wieder mysteriöse Zeichen in den Staub. Alle standen verwundert dabei, nur der Lama nicht, der sich mit seinem Takt vor jeder Einmischung hütete. Nach einer halben Stunde warf der Priester murrend die Rute fort. »Hm! So sprechen die Sterne. Innerhalb dreier Tage kommen die zwei Männer, um alles klar zu machen. Nach ihnen kommt der Stier, aber das Zeichen über ihm ist das Zeichen des Krieges und bewaffneter Männer.«

      »Es war in der Tat ein Mann von den Ludhiana-Sikhs in dem Wagen von Lahore,« sagte die Farmersfrau, freudig aufgeregt.

      »Tck, Bewaffnete Männer – viele Hunderte. Was hast Du mit Krieg zu tun?« fragte der Priester Kim. »Deins ist ein rotes und ein böses Zeichen von Krieg, der bald losbrechen wird.«

      »Es geht ihn nichts an – nein – wir suchen nur Frieden und unseren Strom,« sprach ernsthaft der Lama.

      Kim lächelte, sich dessen erinnernd, was er vor dem Toilettenzimmer erlauscht. Gewiß, er war ein Liebling der Sterne.

      Der Priester strich mit dem Fuß über des Horoskop. – »Mehr als dies kann ich nicht sehen. In drei Tagen kommt der Stier zu Dir, Knabe.«

      »Und mein Fluß, mein Fluß,« sprach flehentlich der Lama. »Ich hatte gehofft, der Stier würde uns beide zu dem Flusse leiten.«

      »Ach, der wunderbare Fluß, mein Bruder,« antwortete der Priester. »Solche Dinge sind nicht gewöhnlicher Art.«

      Am nächsten Morgen, trotz der Bitten ihrer Wirte, daß sie noch bleiben möchten, bestand der Lama auf der Abreise. Sie gaben Kim ein großes Bündel guter Lebensmittel und beinahe drei Annas in Kupfermünze mit auf den Weg, und mit vielen Segenswünschen sahen sie die beiden im Morgengrauen südwärts wandern.

      »Schade ist es,« sprach der Lama, »daß diese und solche wie diese nicht frei werden können von dem Rad der Dinge.«

      »Nein,« sagte Kim, »dann würde nur böses Volk auf der Erde zurückbleiben, und wer würde uns Obdach und Fleisch geben?« Und lustig schritt er aus mit seinem Bündel.

      »Dort ist ein kleiner Fluß,« sprach der Lama. »Laß uns sehen.« – Er ging von der weißen Landstraße ab querfeldein und geriet in ein wahres Wespennest von herrenlosen Hunden.

      Kapitel 3.

       Inhaltsverzeichnis

      Hinter ihnen schwenkte ein erboster Bauer eine Bambusstange. Er war ein Handelsgärtner von der Arain-Kaste und zog Gemüse und Blumen für die Stadt Umballa; und gut genug kannte Kim die Sorte.

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