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dem fragte ich nicht. Ist er nicht mein Schüler?«

      »Sein Heimatland, seine Rasse, sein Dorf, – Muselmann – Sikh – Jaina – niedere Kaste oder hohe?«

      »Warum sollte ich fragen? Auf dem mittleren Pfade gibt es weder hoch noch niedrig. Da er mein Chela ist. Kann jemand ihn mir nehmen? Denn siehe! Ohne ihn werde ich meinen Fluß nicht finden.« Er wiegte feierlich sein Haupt.

      »Niemand soll ihn Dir nehmen. Gehe, setze Dich zu meinen Baltis,« sprach Mahbub Ali, und der Lama, beruhigt durch dies Versprechen, trottete fort.

      »Ist er nicht ganz verrückt?« fragte Kim, wieder vorwärts ins Licht tretend. »Warum sollte ich Dich belügen, Hadje?«

      Mahbub paffte schweigend an seiner Hookah. Dann begann er, fast flüsternd: »Umballa liegt auf dem Wege nach Benares – wenn wirklich Ihr beiden dahin geht –«

      »Tck! Tck! Ich sage Dir, er versteht nicht zu lügen, wie wir beide es verstehen.«

      »Und wenn Du eine Botschaft bis Umballa für mich befolgen willst, werde ich Dir Geld geben. Es betrifft ein Pferd – einen weißen Hengst – den ich einem Offizier auf meiner letzten Rückkehr von den Pässen verkaufte. Aber damals – tritt näher und halte Deine Hände empor, als ob Du betteltest – damals war das Pedigree des weißen Hengstes noch nicht vollständig festgestellt: und der Offizier, der jetzt in Umballa ist, forderte von mir, daß das klargestellt würde.« (Mahbub beschrieb nun das Pferd und das Äußere des Offiziers.) »Also, die Botschaft an den Offizier lautet: »Das Pedigree des weißen Hengstes ist vollständig festgestellt.« Dann wird er wissen, daß Du von mir kommst. Er wird dann fragen: »Welchen Beweis hast Du? Und Du wirst antworten: »Mahbub Ali hat mir den Beweis gegeben.«

      »Und das alles um einen weißen Hengst,« kicherte Kim, aber mit flammenden Augen.

      »Den Stammbaum will ich Dir jetzt geben in meiner eigenen Weise und etwas Schelten dazu.« Ein Schalten huschte hinter Kim vorbei und ein käuendes Kamel. Mahbub Ali hob die Stimme:

      »Allah! Bist Du der einzige Bettler in der Stadt? Deine Mutter ist tot. Dein Vater ist tot. So sprechen sie alle. Na, na« – Er drehte sich um, als fühle er nach etwas auf dem Fußboden neben sich, und warf dem Knaben ein Stück weiches, fettiges, muselmännisches Brot zu. »Gehe nun und lege Dich für diese Nacht zu meinen Pferdejungen, Du und der Lama. Morgen vielleicht werde ich Dich in Dienst nehmen.« Kim schlich sich fort, die Zähne in dem Brot, und wie er erwartet, fand er ein kleines Päckchen zusammengefalteten Papieres, eingewickelt in Wachstafft, nebst 3 Silber-Rupien – eine enorme Großmut!

      Er lächelte und schob Geld und Papier in sein ledernes Amulett-Etui. Der Lama, von Mahbubs Baltis reichlich bewirtet, schlief schon in einem Winkel der Ställe. Kim legte sich neben ihn und lachte. Er wußte, daß er Mahbub Ali einen Dienst erwies, und nicht einen Augenblick glaubte er an das Märchen von des Hengstes Stammbaum.

      Aber Kim ahnte nicht, daß Mahbub Ali, bekannt als einer der besten Pferdehändler im Punjab, als reicher und unternehmender Handelsmann, dessen Karawanen tief ins Innere weltferner Länder eindrangen, eingeschrieben war in eins der Geheimbücher des indischen Überwachungs-Departements, als C. 25 I. B. Zwei oder dreimal jährlich pflegte C. 25 eine kleine Geschichte einzusenden, trocken erzählt, aber sehr interessant, und in den meisten Fällen erwies sich diese – durch Bestätigung von R. L. 7 und M. 4 – als ganz wahr. Die Geschichten betrafen alle möglichen abgelegenen Gebirgs-Fürstentümer, Forschungsreisende von nicht englischer Nationalität, den Handel mit Waffen – davon handelte, kurz gesagt, ein Teil jener großen Masse von übermittelten Informationen, nach denen das indische Gouvernement seine Maßregeln trifft. Aber kürzlich waren fünf verbündete Könige, höchst überflüssiger Weise verbündet, durch eine freundliche Macht des Nordens unterrichtet worden, daß Neuigkeiten aus ihren Territorien nach Britisch Indien durchsickerten. Die Premierminister dieser Könige waren ernstlich erzürnt und taten ihre Schritte nach orientalischer Weise. Unter vielen anderen hatten sie den unverschämten, rotbärtigen Roßhändler in Verdacht, dessen Karawanen, bis zum Bauch im Schnee, ihre Bergvesten durchfurchten. Wenigstens war seine Karawane vor kurzer Zeit auf dem Wege niederwärts zweimal überfallen und beschossen worden, wie Mahbubs Leute angaben, von drei fremden Strolchen, die zu dieser Leistung gedungen oder auch nicht gedungen sein konnten. Deshalb hatte Mahbub vermieden, sich in der ungesunden Stadt Peshawur aufzuhalten, und war ohne Zeitverlust durchmarschiert nach Lahore, wo er, der seine Landsleute kannte, auf merkwürdige Ereignisse vorbereitet war.

      Und Mahbub Ali barg etwas bei sich, das er nicht eine Stunde länger als nötig zu behalten wünschte, ein Päckchen dicht zusammen gefaltetes Faserpapier, in Wachstaffet eingewickelt, einen unpersönlichen, nicht adressierten Bericht mit fünf mikroskopisch kleinen Löchern in einer Ecke, der die fünf verbündeten Könige, die freundlich gesinnte nordische Macht, einen Hindu-Bankier in Peshwaur, die Firma einer Waffenfabrik in Belgien und einen halb unabhängigen, wichtigen, mohammedanischen Regenten des Südens aufs Schmählichste verriet. Dieses letzte war das Werk von R. 17, welches Mahbub jenseits des Dora-Passes an sich nahm und für R. 17 weiter trug, da dieser, Umstände halber, über die er keine Macht hatte, seinen Beobachtungsposten nicht verlassen konnte. Dynamit war mild und harmlos neben diesem Rapport von C. 25, und selbst ein Orientale mit eines Orientalen Ansichten über den Wert der Zeit mußte sich sagen, daß der Bericht je früher je besser in den richtigen Händen sein mußte. Mahbub hatte keinen besonderen Wunsch, auf gewaltsame Weise zu sterben, weil zwei oder drei Familien-Blutfehden jenseits der Grenze noch unerledigt an seinen Händen hingen. Er beabsichtigte, sobald diese Schuld beglichen, sich als mehr oder weniger tugendhafter Bürger zur Ruhe zu setzen. Seit seiner Ankunft vor zwei Tagen hatte er das Gitter der Karawanen-Herberge noch nicht durchschritten, wohl aber ostentativ Telegramme versendet nach Bombay, wo er etwas Geld auf der Bank hatte, nach Delhi, wo ein untergeordneter Geschäftsteilhaber von einem Clan Pferde verkaufte an den Agenten eines Rajputana Staates, und nach Umballa, wo ein Engländer dringend den Stammbaum eines weißen Hengstes forderte. Der öffentliche Briefschreiber, der englisch verstand, verfaßte ausgezeichnete Telegramme, wie: – »Creighton, Laurel-Bank, Umballa-Pferd ist Araber wie bereits gemeldet. Bedaure Stammbaum Verzögerung, welchen übersetze.« Und später an dieselbe Adresse: »Bedauere sehr Verzögerung. Sende Stammbaum ab.« Seinem Unterpartner in Delhi drahtete er: »Lutuf Ullah. Drahtete 2000 Rupien Eurem Conto, Luchmann Narains Bank.« Das war alles ganz kaufmännisch, aber jedes dieser Telegramme wurde besprochen und wieder besprochen von Leuten, die sich für berechtigt hielten, die Telegramme zu lesen, bevor sie aus den Händen eines einfältigen Balti, der sie unterwegs alle möglichen Leute lesen ließ, zur Station gelangten.

      Als Mahbub in seiner eigenen bilderreichen Sprache so den Brunnen der Nachforschung mit dem Stab der Vorsicht getrübt hatte, kam ihm Kim wie vom Himmel gesendet in den Weg, und gewöhnt, die geringsten Chancen zu nutzen, nahm er diesen, ebenso rasch entschlossen wie gewissenlos, in Dienst.

      Ein wandernder Lama mit einem knabenhaften Diener niederer Kaste konnte wohl ein augenblickliches Interesse erregen auf der Pilgerfahrt nach Indien, dem Land der Pilger, aber verdächtigen würde man sie nicht, noch, was wichtiger war, berauben.

      Er rief nach frischem Feuer für seine Hookah und überlegte noch einmal. Wenn im schlimmsten Falle der Knabe zu Schaden käme, konnte das Papier niemanden ernstlich kompromittieren, er würde zu passender Zeit nach Umballa gehen und mit geringem Risiko, daß neuer Verdacht entstünde, seine Geschichte mündlich den betreffenden Personen übermitteln. Aber der Rapport von R. L. 7 war der Kernpunkt der ganzen Sache, und käme er nicht in die rechten Hände, konnte das außerordentlich störend werden. Immerhin, Gott war groß, und Mahbub Ali war sich bewußt, alles, was möglich war, getan zu haben. Kim war das einzige Wesen in der Welt, das ihm niemals eine Lüge vorgebracht hatte. Das wäre nun ein fataler Fleck auf Kims Charakter gewesen, hätte Mahbub nicht gewußt, daß er in seinen eigenen Angelegenheiten andere Leute anlog wie nur irgendein Orientale.

      So machte sich denn Mahbub Ali auf, quer durch die Herberge bis zu der Pforte der Harpyen, die ihre Augen malen und die Fremdlinge in ihren Netzen fangen. Nicht ohne Mühe fand er das Mädchen, das, wie er vermutete, die spezielle Freundin eines bartlosen Pundit von Kashmir war, der seinem dummen Balti mit den Telegrammen aufgelauert hatte. Es war ein ganz törichtes

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