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bestimmt nicht gefallen, oder?«

      »Und ich auch?«, setzte Chris-tian hinzu. Das Gedankenspiel begann ihm Spaß zu machen.

      Sofia seufzte. »Ich weiß nicht, ihr beiden. Wahrscheinlich wäre es mir lieber, ihr würdet eine Familie gründen, aber ich hoffe, ich würde es schaffen, mich trotzdem nicht einzumischen.«

      »Bei Chris müsstest du dich einmischen, Mama, er ist der letzte Sternberg«, sagte Konrad.

      Einen Augenblick war es still, dann setzte Konrad schnell hinzu: »Entschuldige bitte, Chris, ich … ich wollte nicht …«

      »Schon gut«, sagte der kleine Fürst. »Es stimmt ja, was du gesagt hast.« Aber der heitere Ausdruck war von seinem Gesicht verschwunden, und mit einer gemurmelten Entschuldigung verließ er den Salon.

      »Es tut mir leid, Mama. Ich wollte ihn nicht daran erinnern, dass seine Eltern tot sind und dass

      er …« Konrad brach ab. Er sah so unglücklich aus, dass Sofia Mitleid mit ihm empfand. Er hatte schneller geredet als nachgedacht

      »Ich weiß«, erwiderte sie. »Und ich glaube nicht, dass Christian dir böse ist. Er vergisst den Tod seiner Eltern sowieso nicht.«

      »Aber ich hätte ihn nicht in dieser Weise noch einmal daran erinnern müssen«, sagte Konrad unglücklich. »Mist, ich habe überhaupt nicht nachgedacht, die Bemerkung war schon draußen, als mir bewusst wurde, was sie bedeutet.« Sein Blick glitt zum Fenster. »Glaubst du, er geht jetzt auf den Hügel?«

      »Das halte ich für sehr wahrscheinlich.«

      »Dann … dann gehe ich ihm nach.«

      Sofia sah ihrem Sohn verwundert nach. Konrad war mehrere Jahre lang ein Sorgenkind gewesen – er hatte die falschen Freunde gehabt, die Schule geschwänzt und war nur schwer zu kontrollieren gewesen. Doch seit einiger Zeit veränderte er sich zum Positiven. Dazu gehörte, dass er viel weniger mit seiner jüngeren Schwester stritt – und eben auch, dass er selbst merkte, wenn er einen Fehler gemacht hatte und dann bestrebt

      war, diesen wieder gutzumachen. So wie jetzt.

      Sie ging zum Fenster und sah ihn durch den Park eilen. Viel weiter vor ihm lief tatsächlich der kleine Fürst, begleitet von seinem treuen Boxer Togo. Lächelnd wandte sie sich ab. Christian war nicht nachtragend, das gute Einvernehmen zwischen den beiden Cousins würde schon bald wieder hergestellt sein.

      *

      Der kleine Fürst hatte den Hügel erreicht, auf dem der Familienfriedhof untergebracht war. Hier hatten auch die sterblichen Über-reste seiner Eltern ihre letzte Ruhe gefunden. Mit raschen Schritten lief er den Weg hinauf, ging an den zum Teil uralten Grabsteinen vorüber bis zu der steinernen Gruft, die dem Fürstenpaar und seinen direkten Nachkommen vorbehalten war. Er kam jeden Tag hierher, sofern das möglich war – und immer fand er hier seine Ruhe wieder, wenn er aufgewühlt oder erregt war. So wie jetzt.

      Er war nicht böse auf Konrad, denn ihm war klar, dass sein Cousin ihn nicht hatte verletzen wollen. Ihm selbst rutschten gelegentlich auch Worte heraus, die er im nächsten Moment bereits bereute. Genauso war es bei Konrad gewesen, das hatte er ihm angesehen. Aber getroffen war er eben doch. Manchmal gelang es ihm über Stunden hinweg zu vergessen, dass er der letzte Sternberg war. Er liebte seine Tante Sofia, seinen Onkel Friedrich, Anna und Konrad. Sie waren seine neue Familie, aber sie waren auch schon Teil seiner früheren Familie gewesen. Sie gehörten zu seinem Leben, so lange er denken konnte. Dennoch überkam ihn manchmal das Gefühl, vollkommen allein und verlassen zu sein, obwohl er das in Wirklichkeit nicht war.

      Er stand vor der Gruft, starrte auf die Namen seiner Eltern und fragte sich gerade, was er ihnen heute »erzählen« würde – er sprach in Gedanken immer mit ihnen, wenn er an diesem Ort war – als er hinter sich ein Geräusch hörte. Schnell drehte er sich um.

      Konrad kam mit verlegenem Lächeln auf ihn zu. »Es tut mir leid, Chris«, sagte er. »Ich hoffe, du glaubst mir das. Es war eine gedankenlose Bemerkung.«

      »Schon gut, ich bin dir gar nicht böse, Konny. Es ist nur …« Der kleine Fürst stockte. Erst nach einer Weile sprach er weiter, immer wieder nach Worten suchend. »Manchmal vergesse ich, was passiert ist. Ich meine, ich vergesse es nicht wirklich, aber ich denke zumindest eine Weile nicht daran. So war das vorhin – und dann hast du diesen Satz gesagt, und ich habe mich plötzlich schrecklich allein gefühlt.«

      Konrad stand jetzt neben ihm. Im Gegensatz zu seiner Schwester Anna bestieg er den Hügel nicht sehr häufig, Friedhöfe waren keine Orte, an denen er sich gerne aufhielt. »Aber du bist nicht allein!«, sagte er. »Deine Eltern sind tot, aber du bist nicht allein und wirst es auch nie sein. Wir sind eine Familie, wir halten zusammen, auch wenn wir uns zwischendurch auf die Nerven gehen.«

      Christian wandte den Kopf und sah Konrad an. Er hatte mit seinem Cousin viel weniger zu tun als mit Anna, aber in diesem Augenblick fühlte er sich ihm sehr verbunden. »Danke, Konny«, sagte er.

      Über ihnen fing eine Amsel an zu singen. Konrad sah erstaunt nach oben, der kleine Fürst aber lächelte, er sah die Amsel als Bote seiner Eltern, die ihm auf diese Weise sagten, dass sie noch bei ihm waren, auch wenn er sie nicht mehr sehen konnte. »Lass uns gehen«, sagte er. »Ich besuche meine Eltern später noch einmal.«

      Die Baronin, die die beiden Jungen einträchtig zum Schloss zu-rückkehren sah, lächelte. Sie hatte es genau so kommen sehen.

      *

      »Das hätten Sie eher haben können, Frau von Braun«, stellte Dr. Bertram fest, als er Albertinas Fuß noch einmal untersuchte. Er war noch ein bisschen blau, aber Albertina hatte keine Schmerzen mehr, und auch das Laufen ging jetzt wieder völlig problemlos.

      »Ich weiß«, erwiderte sie. »Ich war dumm.«

      »Aber Sie sind lernfähig, das ist die Hauptsache. Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf: Kühlen Sie auch weiterhin und legen Sie den Fuß hoch, so oft Sie können.«

      »Ich fahre am Wochenende weg«, gestand sie. »Da könnte es ein wenig schwierig werden mit dem Hochlegen.«

      »Versuchen Sie es – und kommen Sie nicht auf die Idee, bereits ausgedehnte Wanderungen zu unternehmen.«

      »Nein, nein, keine Sorge!« Sie reichte ihm verlegen die Hand. »Danke für alles«, sagte sie. »Ich weiß, dass ich eine schwierige Patientin war.«

      »Nur am Anfang«, entgegnete er. »Wie sieht es denn auf Ihrer Baustelle aus?«

      »Der stellvertretende Bauleiter steckt mit drin, so viel haben sie herausgefunden. Nächste Woche können wir wieder arbeiten, zum Glück. Aber wir haben mehrere Tage verloren, ich weiß gar nicht, wie wir die wieder aufholen sollen. Es war vorher schon knapp, jetzt sieht es noch schlechter aus.«

      »Vielleicht haben Sie Glück und ab jetzt läuft alles reibungslos«, meinte Dr. Bertram.

      »Auf jeden Fall brauchen wir mehr Leute – und ob wir die bekommen, bezweifele ich. Die Firmen sind sehr vorsichtig im Augenblick, keiner will etwas riskieren.«

      »Seltsam, dass Sie sich so einen Beruf ausgesucht haben.«

      »Mir gefällt er, es kam von Anfang an kein anderer in Frage.«

      »Ich kann mir Sie auf einer Baustelle nicht vorstellen, muss ich gestehen.«

      Sie lachte. »Sie würden mich gar nicht erkennen, glauben Sie mir.« Sie reichte ihm die Hand. »Auf Wiedersehen kann ich nicht sagen, denn ich rechne nicht damit, dass ich noch einmal hier lande – also: Leben Sie wohl, Herr Dr. Bert-ram.«

      »Sie auch, Frau von Braun. Und versuchen Sie nicht mehr, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen.«

      »Wird mir schwerfallen, aber vielleicht klappt es, wenn ich an Sie denke!«, lachte Albertina.

      Draußen vor dem Krankenhaus atmete sie tief durch. Als Nächstes kam der Ausflug nach Sternberg – wo sie allerdings wegen des Konzerts elegante Kleidung tragen musste, das war lästig. Sonst ging es auf dem Schloss nicht so steif zu, aber bei einer Veranstaltung

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