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ist für die scheiß Kleinanzeigen zuständig«, wehrte Peter ab. »Was sollte der schon wissen? Es sei denn, der Killer hat eine Anzeige schalten lassen, weil er ein Fahrrad oder ne gebrauchte Waschmaschine loswerden will …«

      »Die Cops haben jedenfalls nicht gemeint, dass es eine Verbindung gibt«, warf ich ein.

      »Nichts gegen deinen Dad«, erwiderte Scott, »aber selbst die Cops wissen nicht alles. Ich meine, wenn dem so wäre, hätten sie die anderen Jugendlichen doch schon lange gefunden, oder nicht?«

      Ich schlürfte durch einen Strohhalm an meiner Cola und räumte ein: »Ja, schon möglich.«

      »Wenn diese anderen drei nicht ausgerissen sind«, überlegte Peter, »und sie in Wirklichkeit umgebracht wurden von irgendeinem Wahnsinnigen …«

      »Serienmörder«, korrigierte Scott.

      »Schon gut, Serienmörder«, wiederholte Peter. »Wenn sie also umgebracht wurden – wo sind dann ihre Leichen? Die Polizei hätte sie inzwischen gefunden.«

      »Vielleicht wurden sie ja versteckt«, mutmaßte Scott. »Vielleicht sind sie ja irgendwo da draußen im Wald, so wie Courtney Cole, und die Cops haben sie nur noch nicht gefunden.«

      »Unmöglich«, dementierte ich. »Die Polizei hat zwei Tage damit verbracht, den gesamten Wald zu durchkämmen. Sie hatten Hunde dabei und alles.« Das wusste ich deshalb, da ich mit dem Rad in den Park gefahren war und den uniformierten Beamten dabei zugesehen hatte, wie sie mit Leichenspürhunden, die an ihren Leinen zerrten, die Gegend durchsuchten.

      »Drogenspürhunde?«, fragte Peter.

      »Leichenspürhunde«, berichtigte ich.

      Peter zog die Augenbrauen hoch und sah beeindruckt aus.

      »Dann sind die anderen Leichen eben woanders versteckt.« Scott ließ sich nicht beirren. Wenn er sich erst einmal an einem Gedanken festgebissen hatte, ließ er ihn so schnell nicht wieder los.

      »Und wo wäre das?«, wollte ich wissen.

      »Naja, irgendwo. Ich weiß doch auch nicht. Vielleicht hat er die anderen zu Fischfutter zerstückelt und sie in der Chesapeake Bay entsorgt.«

      »Und ihre Knochen?«, wand Peter ein. »Knochen kann man nicht zerstückeln und an Fische verfüttern.«

      »Knochen kann man zertrümmern. Man kann sie auch verbrennen. Oder der Piper hat sie vielleicht einfach auch mit in die Bucht geworfen. Treiben Knochen auf dem Wasser oder gehen sie unter?« Er sah mich an.

      »Woher zum Teufel soll ich das bitte wissen?«, empörte ich mich. »Was glaubst du denn, wie viele Leichen ich schon entsorgt habe?«

      »Und wo würde er das mit dem Kleinhacken abwickeln?«, spekulierte Peter. »In seinem Haus?«

      »Klar«, entgegnete Scott. »Warum nicht?«

      »Wenn dein toller Killer aus seinen Leichen Geschnetzeltes macht und die Stückchen in der Bucht versenkt, wieso hat er dann Courtney Cole einfach so im Wald liegen lassen?«, zweifelte ich.

      »Vielleicht hat er das ja nicht mit Absicht gemacht«, blieb er hartnäckig an seiner Theorie. »Vielleicht hätte man sie auch nie gefunden, wenn diese betrunkene MacMillan-Tussi nicht von der Straße abgekommen wäre und ihren Wagen im Wald versenkt hätte.«

      »Okay«, musste ich zugestehen, »das ist ein Argument. Aber das bedeutet trotzdem noch nicht gleich, dass die anderen drei getötet wurden.«

       »Ach nein?«, hielt Scott dagegen. »Dann frage ich dich Folgendes: Wenn es angeblich wirklich so unwahrscheinlich ist, dass die anderen Jugendlichen ermordet wurden, warum haben die Cops dann den Wald mit den Leichenhunden durchsucht, nachdem sie das Cole-Mädchen gefunden hatten? Wonach hätten sie – wenn nicht nach Leichen – sonst suchen sollen?«

      Peter und ich tauschten Blicke.

      Dann, zum zweiten Mal an diesem Morgen, patschte wieder etwas dumpf gegen die Glasscheibe, was uns drei vor Schreck von unseren Plätzen hochfahren ließ. Gegen das Glas gepresst, rosa und haarlos wie zwei Osterschinken, bot sich uns der Anblick der zwei vor Kälte zitternden Backen von Michael Sugarlands nacktem Arsch. Er beobachtete unsere Reaktionen über seine Schulter und brach in dermaßen brüllendes Gelächter aus, dass ich durch seinen weit aufgerissenen Mund die Füllungen in seinen Backenzähnen zählen konnte. Er zog seinen Hintern an der Scheibe entlang und verursachte damit dasselbe Geräusch wie die Gummisohle eines Turnschuhs, der über den Boden einer Turnhalle schlitterte.

      Wie das Leben so spielt, kam just in diesem Moment die Bedienung an unseren Platz und legte uns die Rechnung auf den Tisch.

      »Reizend«, kommentierte sie und wandte sich rasch wieder ab.

      ***

      Im Juniper genehmigten wir uns die Doppelvorstellung, Metaluna IV antwortet nicht und Die unglaubliche Geschichte des Mister C.

      Während der Pause lehnte sich Scott nah zu mir herüber und sagte: »Er muss hier direkt in der Stadt wohnen.«

      »Wer?«

      »Der Killer«, hauchte er mir entgegen und sein Atem roch nach gebuttertem Popcorn. »Der Piper. Meinst du nicht?«

      Ich gab keine Antwort.

      ***

      Als ich nach Hause radelte, bemerkte ich in der Einfahrt des Dunbar-Anwesens nebenan einen Umzugswagen. Es war auch schon an der Zeit, da ich die neuen Nachbarn bereits wochenlang im Haus hatte umherlaufen sehen. Ich vermutete, dass es sich um ältere Herrschaften handelte, denn die meisten alten Leute, die ich kannte – einschließlich meiner Großeltern – wagten sich nicht allzu häufig aus dem Haus.

      Ich drehte achterförmige Runden in unserer Straße, während die Umzugshelfer Möbel und Pappkartons ins Haus schleppten, und hoffte, einen Blick auf unsere neuen Nachbarn zu erhaschen. Einmal war mir kurz, als hätte ich jemanden in einem der oberen Fenster auf mich herunterspähen sehen. Ich blieb mitten auf der Straße stehen und blickte nach oben. Da war ganz sicher ein Gesicht im Fenster – weiß, rund, ansonsten nicht genauer zu erkennen. Zu meiner Überraschung sah es aus wie ein Kind, vielleicht sogar jemand meines Alters. Ich winkte, fühlte mich aber auf der Stelle wie ein Vollidiot, als sich das Mondgesicht in die Dunkelheit zurückzog.

       Einer der Möbelpacker stieg knurrend die Lastwagenrampe herunter. Er trug zwei aufeinandergestapelte Kartons, auf welchen je in großen Druckbuchstaben aus schwarzem Marker das Wort COMICHEFTE geschrieben stand. Einer meiner Mundwinkel zog sich in halbem Lächeln nach oben.

      Ich radelte zu unserem Haus, hüpfte noch auf dem Rad über den Randstein der Einfahrt und ließ es auf dem Rasen ausrollen. Die Luft roch intensiv nach Holzfeuer und eine träge Wolke schwärzlichen Rauchs schraubte sich aus dem Kamin der Mathersons gegenüber. Ich lehnte mein Rad gegen die Hauswand und ging hinein.

      »Der Möbelwagen der neuen Nachbarn ist endlich aufgetaucht«, berichtete ich sofort meiner Großmutter, als ich auf dem Weg in die Küche bei ihr am Wohnzimmer vorbeihuschte. Sie hatte es sich dort in einem Sessel am Fenster gemütlich gemacht und strickte. Die Vorhänge waren zurückgezogen – offenbar hatte sie ebenfalls eifrig das Kommen und Gehen nebenan verfolgt.

      »Ich habe sie bisher noch nicht zu sehen bekommen«, rief sie mir zu. »Und du?«

      »Nein.« Ich holte mir eine Cola aus dem Kühlschrank und riss den Verschluss der Dose auf, dann gesellte ich mich zu meiner Großmutter ans Fenster. Ich positionierte mich strategisch günstig hinter ihren Sessel, damit sie mein lädiertes Gesicht nicht sehen konnte. »Aber ein paar Schachteln waren voll mit Comics.«

      »Ich habe ein frisches Blech Haferflocken-Rosinen-Kekse gebacken.«

      »Oh, klasse!«, freute ich mich. »Ich bin schon am Verhungern.«

      »Eigentlich hatte ich daran gedacht, du würdest sie nach nebenan bringen.«

      »Zu den Neuen? Muss ich?«

      »Sei nicht unhöflich, Angelo!«

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