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aus Das Phantom der Oper, die sich mein Vater vor ein paar Jahren aufgesetzt hatte, kurz bevor er kam, um mich für die Schule aufzuwecken, mit der Absicht – und dem vollen Erfolg – mich zu Tode zu erschrecken.

      Dann gab es noch Gummihandschuhe, deren Finger in sichelartigen Klauen endeten, ein nachtleuchtendes Plastikvampirgebiss, einen großen Plastikkessel, Latexfledermäuse, die kicherten, wenn man sie schüttelte, verschiedene Holzmistgabeln, Umhänge, Fellmützen, ein paar davon mit Hörnern, übergroße Clownschuhe, ein Superman-T-Shirt, mein altes ferngesteuertes Rennauto (ich hatte keinen blassen Schimmer, wie es in der Halloween-Kiste gelandet war), ein strasssteinübersätes Bikinioberteil und einen Hula-Sarong neben zahlreichen anderen Dingen.

      Fast zwanzig Minuten stöberte ich durch die Kiste, bevor ich sie schließlich wieder schloss, da meine Bemühungen nichts Brauchbares zu Tage gefördert hatten und ich nach wie vor mit leeren Händen dastand. Dann fiel mir jedoch eine Dose Schuhcreme auf einem Regal ins Auge und mit dieser machte mich auch davon.

      In meinem Zimmer schob ich eine Springsteen-Kassette in den Rekorder und drehte laut Born to Run auf, während ich mir ein schwarzes Kapuzensweatshirt, dunkle Jeans und meine lauftauglichsten Sneakers anzog. Ich stellte mich vor den Spiegel, der innen an meiner Schranktür hing, und bemalte mich an Wangen, Stirn und unter den Augen mit der schwarzen Schuhcreme.

      Unten schnappte mich dann meine Großmutter an einem Zipfel meines Pullis und warnte: »Schwarz in Schwarz ist nachts keine besonders gute Idee, meinst du nicht? Dich könnte ein Auto anfahren.«

      Ich stöhnte genervt. Meine Großmutter lag mir ständig damit in den Ohren, dass ich noch irgendwann von einem Auto überfahren würde. »Mir passiert schon nichts. Ich bin doch immer vorsichtig.«

      »Ja, das mag sein, aber sei heute Nacht besonders vorsichtig.« Sie musste erst gar nicht erklären, was sie damit meinte. »Und vergiss nicht, wann du wieder zu Hause zu sein hast.«

      »Werde ich nicht«, beteuerte ich, obwohl ich wusste, dass ich dieses Versprechen womöglich nicht halten können würde. Mein Vater arbeitete jedes Jahr in der Teufelsnacht, und er würde vor Tagesanbruch auch nicht zu Hause sein.

      »Pass auf dich auf«, appellierte sie noch einmal und gab mir einen Kuss auf die Wange.

      An jedem normalen Abend hätte ich mein Fahrrad genommen, doch meine Freunde und ich würden uns in dieser Nacht verstohlen zu Fuß durch die Schatten schleichen, also machte ich mich auch zu Fuß auf den Weg durch das Viertel, vorbei an Scharen ähnlich gekleideter Teenager mit Rucksäcken auf den Schultern und einem schelmischen Funkeln in den Augen. Ein paar von ihnen erkannten mich und hoben grüßend die Hand oder bewarfen mich mit Steinchen; in einem Fall kam sogar ein Ei auf meinen Kopf zugeflogen. Ich wich sämtlichen Geschossen gekonnt aus und legte einen Zahn zu.

      Als ich am hinteren Parkplatz des Generous Superstore ankam, knisterte unheimliche Musik aus der Lautsprecheranlage an den gemauerten Säulen bei den Laderampen. Ein einzelner Sicherheitswachmann mit Taschenlampe beäugte mich argwöhnisch dabei, wie ich um die Seite des Gebäudes herumgelaufen kam und auf den Randstein hüpfte. Hier gab es einen Ziegelalkoven, ausgestattet mit einer Reihe Münztelefone, einer Holzbank und einer einzigen Flutlichtlampe, die schon kaputt war, solange ich denken konnte. Meine Freunde warteten dort in den Schatten auf mich.

      »Hey«, grüßte ich, als ich dazu stieß.

      »Alter«, moserte Michael. »Kannst du nie pünktlich sein?«

      »Ich werde mich bemühen, pünktlicher zu sein, wenn du daran arbeitest, weniger hässlich auszusehen.«

      »Ha! Du Ganove!« Er schwang einen vollgestopften Rucksack von seiner Schulter und setzte ihn zu seinen Füßen ab. Er trug Jeans und ein dunkles Kapuzensweatshirt, ähnlich meinem, hatte sich aber zusätzlich noch einen alten Tropenhelm aufgesetzt, den er sich auf dem Kopf etwas zurückgeschoben hatte. »Was hast du denn mit deinem Gesicht angestellt?«

      »Schuhcreme«, erklärte ich, holte die Dose aus der Kängurutasche meines Sweatshirts hervor und reichte sie Scott.

      Scott nahm den Deckel ab, dann prüfte er den Inhalt. Er hielt sich die Dose an die Nase, schnupperte daran und verzog das Gesicht.

      »Lässt sich ganz leicht wieder abwaschen«, versicherte ich, obwohl ich überhaupt nicht wusste, ob dem auch tatsächlich so war.

      Scott zuckte mit den Schultern, nahm sich eine Portion der teerartigen Schmiere aus der Dose und verteilte sie über sein ganzes Gesicht. Er hatte Plastikvampirzähne im Mund, die seine Lippen ausbeulten, und sich einen Dracula-Umhang um den Hals gebunden.

      Ich lugte über Michaels Schulter, als er den Reißverschluss des Rucksacks öffnete und die Tasche so weit aufzog, dass alle den gesamten Inhalt inspizieren konnten: Klopapierrollen, zwei volle Eierschachteln, mehrere Dosen Rasierschaum, einen großen Schraubendreher und einen Schraubenschlüssel, die er ein paar Tage zuvor aus dem Second Avenue Hardware mitgehen lassen hatte, und anderen vielversprechenden Kram, der für einen unvergesslichen Abend sorgen würde.

      »Ich hoffe doch mal schwer, das Klopapier ist noch unbenutzt«, kommentierte Peter neckend.

      Michael boxte ihn gegen den Unterarm.

      »Hier.« Scott reichte Peter die Schuhcreme.

      Es sah aus, als hätte Scotts Gesicht die volle Rußwolkenladung nach dem Auspuffknall eines alten Buick abbekommen. Ich versuchte, mir das Lachen zu verkneifen.

      »Hey«, moserte Scott und spuckte die Vampirzähne in seine Hand aus. »Das war deine Idee.«

      »Nein, nein, sieht hammermäßig aus. Ehrlich …« Dann brach ich in schallendes Gelächter aus.

      »Na klasse«, meinte Peter und schwärzte nun sein eigenes Gesicht mit Schuhcreme. Er fuhr sich mit den Fingern über die Wangen und hinterließ dabei vertikale schwarze Streifen, die wie Kriegsbemalung aussahen. Er trug einen enganliegenden marineblauen Pullover, der im Dunkeln eher schwarz schien, strahlend weiße Sneakers und auf seinem Kopf zurückgeschoben eine Batman-Maske aus dem Billigladen, deren Gummi ihm unter seinem Kinn einschnitt.

      »Du solltest deine Schuhe auch mit Schuhcreme tarnen«, schlug Scott vor. »Die sind so weiß, dass sie einen blenden.«

      »Das sind nagelneue Schuhe!«, protestierte Peter. »Die werde ich sicher nicht besudeln.«

      »Ja, aber die sind so grell, dass sie schon fast im Dunkeln leuchten. Wir müssen inkognito bleiben.«

      »Gott.« Peter ging in die Hocke und musterte seufzend seine neuen weißen Sneakers … bis er sie schließlich mit Schuhcreme einschmierte. Nach der Hälfte des zweiten Schuhs hielt er kurz inne, um sein Werk zu begutachten. »Meine Mom wird völlig abdrehen.«

      Michael zog eine Karte aus seinem Rucksack, faltete sie auf und breitete sie auf der nächsten Bank aus. Es war eine Karte von Harting Farms, und selbst in den schlechten Lichtverhältnissen konnte ich erkennen, dass Michael etliche Stellen – zu viele zum Zählen – mit entweder rotem oder grünem Leuchtstift markiert hatte.

      »Puh, das sind aber ganz schön viele Zwischenstopps«, merkte ich an.

      »Locker doppelt so viele wie letztes Jahr«, fügte Scott hinzu.

      »Ich fühle mich dieses Jahr eben besonders nachtragend«, klärte uns Michael verschmitzt auf.

      Er nahm die Teufelsnacht wirklich ernst, und wenn man ihm unterm Jahr zu irgendeinem Zeitpunkt blöd kam, hätte er es sich gemerkt. Es hätte mich nicht im Geringsten überrascht, wenn er tatsächlich auch noch Tagebuch über diese Vorfälle geführt hätte.

      Peter befasste sich nun auch mit der Karte, während er Michael die Schuhcreme reichte. »Rot und grün«, kommentierte er und schnappte sich eine Rolle Klopapier aus dem Rucksack, damit er und Scott sich die Schuhcreme von den Händen abwischen konnten. »Wir haben Halloween, nicht Weihnachten.«

      Michael verpasste sich mit der Schuhcreme ein Hitlerbärtchen, bevor er die Dose wieder an mich zurückgab. »Teufelsnacht«, korrigierte er. »Das ist viel besser als Halloween.«

      »Wozu

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