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Dr. Trautner und seine Art nicht unbedingt in den üblichen Rahmen paßten, war ihm schon bewußt gewesen, doch die Bergklinik genoß einen ausgzeichneten Ruf; vor allem Patienten, die einmal dagewesen waren, schwärmten von der einmaligen Atmosphäre des Hauses.

      Als Clemens Stolzenbach gegen zwanzig Uhr sein Appartement betrat, wartete Bettina Wagner bereits auf ihn. Sie hatte sich sehr sorgfältig auf die Begegnung vorbereitet, sah ausgesprochen gut aus, lächelte sehr lieb und begrüßte ihn mit zwei Küssen, die ein ganz klein wenig mehr waren als Begrüßungsküsse.

      Stolzenbach trug noch seinen Arztkittel, entschuldigte sich, weil es ein wenig länger gedauert hatte, verschwand im Bad, und als er zwanzig Minuten später zurückkam, war er geduscht und bat nochmals um Entschuldigung.

      »Es tut mir leid, aber ich habe es leider nicht früher geschafft«, sagte er und wollte dann wissen, was er seiner Besucherin anbieten könne.

      »Hast du einen Whisky?« fragte Bettina Wagner.

      Clemens Stolzenbach schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, aber ich kann mal nachsehen. Einige Getränke standen nämlich im Kühlschrank oder lagen im Eisfach.«

      Bettina lachte. »Wenn du den Whisky nicht selbst besorgt hast«, sagte sie, »wirst du wohl keinen finden. Doktor Trautner wird ganz sicher keinen vorrätig haben. Whisky gehört nach seinen Vorstellungen sicher zu den bösen Dingen.«

      Einen Augenblick lang hatte ­Clemens Stolzenbach das Gefühl, als hätte seine Besucherin bereits ­etwas getrunken, doch den Gedanken verwarf er gleich wieder, denn Bettina hatte sich früher nie etwas aus alkoholischen Getränken gemacht.

      »Erzähl mir doch mal, wie es dir ergangen ist«, sagte sie, während Stolzenbach in den Schränken nach Getränken sah. »Hast du eigentlich keine Frau, auf die du Rücksicht nehmen mußt?«

      Als der Professor zurückkehrte, hielt er eine Flasche Champagner in Händen. »Das ist das einzige, was ich dir bieten kann. Whisky hab’ ich keinen.«

      »Champagner tut’s zur Not auch«, sagte Bettina. Dann sah sie Stolzenbach neugierig an. »Also, hast du eine Frau oder hast du keine?«

      »Ich bin nicht verheiratet, falls du das wissen willst.«

      »Aber du lebst in einer Beziehung?«

      »Auch damit kann ich nicht dienen.«

      »Nicht verheiratet, keine Beziehung? Kennst du nur deine Arbeit?«

      Clemens Stolzenbach öffnete die Champagnerflasche und goß das perlende Getränk in zwei Wassergläser. Er hob entschuldigend die Arme. »Es tut mir leid, aber ich habe keine Champagnergläser da, bin noch nicht eingerichtet.«

      Bettina Wagner hielt ihr Glas bereits in Händen. »Zum Wohl. Darauf, daß wir uns wieder begegnet sind.«

      »Ich habe übrigens deine Krankengeschichte sorgfältig studiert«, sagte Stolzenbach, nachdem er an dem Champagner lediglich genippt hatte.

      »Und?« Bettina Wagner lachte. »Bin ich noch zu retten?«

      »Wenn ich den Berichten glauben darf, fehlt dir nichts«, antwortete Stolzenbach.

      »Ich möchte jetzt nicht über meine Beschwerden reden«, sagte Bet­tina, während sie sich das Glas erneut füllte, »ich möchte über dich reden.«

      »Über mich?« Clemens Stolzenbach tat sehr erstaunt. »Über mich gibt es nicht viel zu reden.«

      »Du kannst mir nicht erzählen, daß ein Mann deines Formats und deines Aussehens keine Frau und keine Beziehung hat.« Bettina Wagner lächelte. »Du verschweigst mir doch nichts?«

      »Was sollte ich dir verschweigen? Vor allem, warum sollte ich dir etwas verschweigen?«

      »Nun ja, immerhin waren wir beide mal zusammen«, antwortete Bettina Wagner. Sie hatte ihr Glas schon wieder leer getrunken und suchte in ihrer Handtasche nach Zigaretten. Dann hatte sie die Packung gefunden und wollte sich eine anzünden.

      Clemens Stolzenbach runzelte die Stirn. »Du hast Doktor Trautner versprochen, zumindest während deines Aufenthalts auf das Rauchen zu verzichten.«

      »Der kann mich mal!« Bettina zündete sich die Zigarette an und blies den Qualm geräuschvoll in die Luft. »Seit wann bist du so gehorsam? Das kenne ich gar nicht an dir. Früher warst du etwas rebellischer.«

      »Mit dem Alter wird man vernünftiger…!«

      »Das ist sehr bedauerlich.« Bettina Wagner sah Stolzenbach lange und betont zärtlich an. »Weißt du eigentlich, daß du wieder alte Gefühle in mir hast wach werden lassen? Ich habe gemeint, die Sache zwischen uns sei längst vorüber, aber anscheinend habe ich mich geirrt.«

      Clemens Stolzenbach hob die Augenbrauen empor. »Das erstaunt mich.«

      »Wieso?«

      »Na ja, weil du es warst, die mich vor reichlich sieben Jahren vollkommen überraschend verlassen hat.« Stolzenbach nippte wieder nur an seinem Champagner.

      »Das weiß ich.« Bettina Wagner wirkte müde. »Und wenn ich in der gleichen Situation wäre, würde ich es wieder tun… tun müssen.«

      »Und jetzt willst du neue, beziehungsweise alte Gefühle zu mir entdeckt haben?« Um Clemens Stolzenbachs Mundwinkel zeichnete sich ein spöttisches Lächeln ab.

      »Du glaubst mir nicht?« fragte Bettina.

      »Es ist keine Frage des Glaubens.«

      »Was denn?« Bettina Wagner fixierte den Professor. Inzwischen hatte sie die ganze Flasche Champagner ausgetrunken. »Hast du etwa keine Gefühle für mich?«

      Clemens Stolzenbach zuckte mit den Schultern. »Es tut mir leid, Bettina, aber was uns einmal verbunden hat, existiert nicht mehr. Außerdem bist du als Patientin gekommen.«

      »In diesem Augenblick bin ich privat bei dir.«

      »Deshalb bitte ich dich jetzt zu gehen.« Clemens Stolzenbach stand auf und sah auf die Uhr. »Es ist spät, und ich habe morgen einen anstrengenden Tag vor mir.«

      »Du… du wirfst mich hinaus?« Bettina stand etwas unsicher auf den Beinen. »Ist das hier so üblich? Zuerst dieser alte Doktor Trautner und jetzt du?«

      »Ich werfe dich nicht hinaus«, antwortete Stolzenbach, »ich bitte dich lediglich, auf meine besondere Situation Rücksicht zu nehmen und zu gehen. Ich werde dich in dein Zimmer bringen.«

      Bettina Wagner hatte inzwischen auch Clemens Stolzenbachs Champagnerglas geleert. »Dann bring’ mich bitte in mein Zimmer.«

      Sie hakte sich bei Clemens Stolzenbach unter und lehnte sich, da sie sich nur mühsam auf den Beinen halten konnte, bei ihm an. Er öffnete die Tür seines Zimmers, das im Personaltrakt untergebracht war, und begleitete Bettina Wagner auf ihre Etage.

      Daß sich eine Tür geöffnet hatte und Oberschwester Theresa ihnen hinterhersah, bemerkten in diesem Moment beide nicht.

      *

      Monika Gratlinger war ein bildhübsches Mädchen mit dunklen Haaren und wunderschönen haselnußfarbenen Augen. Sie wirkte sehr zierlich, war aber nicht klein, eher schmal, und sie hatte einen solchen Charme, daß sie bei ihren Kommilitonen in München sehr beliebt war und manch einer ein Auge auf sie geworfen hatte.

      Monika war vor wenigen Stunden zu den Semesterferien nach Hause gekommen und sofort zu ihrem Großvater auf die Predigtstuhl-Alm aufgebrochen.

      »Herrschaftszeiten, Madel«, rief der alte Lois, »laß dich anschauen. Gut siehst aus. Die Burschen in München werden dumm aus der Wäsche schauen, wenn das hübscheste Madel weit und breit im Sommer net da ist und net mit in die Biergärten gehen kann.«

      »Hör auf, Großvater!« Monika Gratlinger lachte und fiel dem Lois um den Hals, dann gab sie ihm einen langen herzhaften Kuß und sah ihn erwartungsvoll an. »Und? Hast du ihn gefragt?«

      »Wen denn?« Der Lois wußte selbstverständlich, wen die Moni meinte

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