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neuen Proselyten gebaut und durch die fromme Freigebigkeit Justinians mit leinenen Gewändern, Bibeln, Liturgien und goldenen und silbernen Gefäßen versehen. Die Juden, die nach und nach ihrer Freiheit beraubt worden waren, wurden durch ein drückendes Gesetz gequält, das sie zwang, das Osterfest an demselben Tage zu begehen, an welchem es von den Christen gefeiert wurde. Sie hatten um so mehr Grund sich zu beklagen, weil die Katholiken selbst mit den astronomischen Berechnungen ihres Souveräns nicht übereinstimmten: das Volk von Konstantinopel verzögerte den Anfang der Fasten um eine ganze Woche nach dem Zeitpunkte, der schließlich von der Behörde festgesetzt worden war, und es hatte das Vergnügen, sieben Tage zu fasten, während auf Befehl des Kaisers Fleisch zum Verkauf ausgeboten wurde. Die Samaritaner von Palästina waren ein bunt durcheinander gewürfelter Menschenstamm, eine zweifelhafte Sekte, von den Heiden als Juden, von den Juden als Schismatiker, von den Christen als Götzendiener verworfen. Schon war das von ihnen verabscheute Kreuz auf ihrem heiligen Berge Garizim aufgepflanzt worden; aber die Verfolgung des Justinian ließ ihnen nur die Wahl zwischen Taufe und Empörung. Sie wählten die letztere, erhoben sich unter der Fahne eines verzweifelten Führers und rächten die erlittenen Unbilden an dem Leben, dem Eigentume und den Tempeln eines wehrlosen Volkes. Die Samaritaner wurden zuletzt durch die regulären Truppen des Ostens unterworfen. Zwanzigtausend fanden den Tod, zwanzigtausend verkauften die Araber an die Ungläubigen von Persien und Indien, und der Rest dieses unglücklichen Volkes sühnte das Verbrechen des Hochverrates mit der Sünde der Heuchelei. Man hat berechnet, daß in dem samaritanischen Kriege, der die einst fruchtbare Provinz in eine menschenleere und kahle Wildnis verwandelte, einhunderttausend römische Untertanen ausgerottet wurden. Aber nach dem Glaubensbekenntnisse Justinians war die Niedermetzelung Ungläubiger kein Mord, und er bestrebte sich frommer Weise, die Einheit des christlichen Glaubens mit Feuer und Schwert herzustellen.

      Bei solchen Gesinnungen lag ihm ob, wenigstens immer auf dem rechten Pfade zu bleiben. In den ersten Jahren seiner Regierung zeigte er seinen Eifer als Schüler und Beschützer der Rechtgläubigen. Nach Aussöhnung der Griechen mit den Lateinern wurde das Tome des heiligen Leo als das Glaubensbekenntnis des Kaisers und des Reiches aufgestellt. Die Nestorianer und Eutychianer waren auf beiden Seiten mit doppelter Schärfe der Verfolgung preisgegeben, und die vier Synoden von Nicäa, Konstantinopel, Ephesus und Chalcedon wurden in einem Kodex von einem katholischen Gesetzgeber genehmigt. Aber während Justinian die Einheit des Glaubens und Gottesdienstes zu bewahren strebte, hatte seine Gattin Theodora, deren Laster offenbar mit Frömmelei nicht unvereinbar waren, den monophysitischen Lehren Gehör geschenkt, und die offenen und heimlichen Feinde der Kirche erhoben sich wieder und vermehrten sich bei dem Lächeln ihrer gnadenreichen Beschützerin. Hauptstadt, Palast und Ehebett wurden durch geistliche Zwietracht zerrüttet. So zweifelhaft war aber die Aufrichtigkeit des kaiserlichen Paares, daß ihre scheinbare Uneinigkeit von vielen einem geheimen und verderblichen Bündnisse gegen die Religion und das Glück des Volkes zugeschrieben wurde. Der berühmte Streit, betreffend die drei Kapitel, der mehr Bände gefüllt hat als er Zeilen verdienen würde, trägt tiefe Spuren dieses spitzfindigen und unaufrichtigen Geistes. Dreihundert Jahre waren nun verflossen, seit der Körper des Origenes im Grabe verfaulte. Seine Seele, an deren Vorhandensein er geglaubt hatte, befand sich in den Händen ihres Schöpfers, aber seine Schriften wurden von den Mönchen von Palästina gierig gelesen. Der scharfsichtige Justinian vermochte in diesen Schriften mehr als zehn metaphysische Irrtümer zu entdecken, und der Urvater wurde gemeinsam mit Pythagoras und Plato durch die Geistlichkeit den ewigen Höllenflammen überliefert, die er zu leugnen gewagt hatte. Unter dem Deckmantel dieses Vorspieles wurde ein verräterischer Streich gegen das Konzil von Chalcedon geführt. Die Kirchenväter hatten mit Ungeduld dem Lobe Theodors von Mopsu Hestia zugehört; sie hatten gerechterweise oder mit Nachsicht sowohl Theodoret von Cyrrhus als auch Ibas von Edessa wieder in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen. Aber diese orientalischen Bischöfe waren mit Ketzerei befleckt, die man ihnen vorwarf; der erste war der Lehrer, die beiden anderen waren die Freunde des Nestorius gewesen. Die verdächtigsten Stellen wurden unter dem Titel der drei Kapitel angeprangert, und durch ihre Verdammung mußte die Ehre einer Synode angetastet werden, deren Name von der ganzen katholischen Welt mit aufrichtiger oder vorgeblicher Ehrfurcht genannt wurde. Wenn diese Bischöfe, sie mochten nun schuldig oder unschuldig sein, im Tode Vernichtung gefunden hatten, weckte sie wahrscheinlich das Geschrei nicht, das hundert Jahre später über ihren Gräbern erhoben wurde. Und wenn sie sich bereits in den Fängen des Satans befanden, konnten ihre Qualen durch Menschen weder verstärkt noch gemildert werden. Erfreuten sie sich dagegen in der Gemeinschaft der Heiligen und Engel des Lohnes ihrer Frömmigkeit, so mußten sie die eitle Wut der theologischen Insekten belächeln, die noch auf der Oberfläche der Erde krochen. Das vorderste dieser Insekten, der römische Kaiser, streckte seinen Stachel und spritzte sein Gift aus, vielleicht ohne die eigentlichen Beweggründe der Theodora und ihrer kirchlichen Partei zu sehen. Die Opfer waren seiner Gewalt nicht mehr unterworfen, und der Stil seiner heftigen Edikte konnte nur ihre Verdammung kundtun und die Geistlichkeit des Ostens auffordern, mit ihm im vollen Chore Bannflüche und Verwünschungen auszustoßen. Der Osten pflichtete etwas zögernd seinem Souverän bei. Die fünfte allgemeine Kirchenversammlung, aus drei Patriarchen und einhundertfünfundsechzig Bischöfen bestehend, wurde in Konstantinopel (533) abgehalten; die Verfasser sowie die Verteidiger der drei Kapitel wurden aus der Gemeinschaft der Heiligen ausgeschlossen und dem Fürsten der Finsternis feierlich überantwortet. Die lateinischen Kirchen jedoch hielten fester an der Ehre Leos und der Synode von Chalcedon, und wenn sie wie gewöhnlich unter dem Banner Roms gestritten hätten, würden sie vernunftgemäß und nach menschlichem Ermessen vielleicht gesiegt haben. Aber ihr Oberhaupt war Gefangener ihres Feindes. Der durch Simonie geschändete Thron des heiligen Petrus wurde durch den feigen Vigilius verraten, der nach langem, unstetem Kampfe dem despotischen Justinian und den sophistischen Griechen nachgab. Seine Abtrünnigkeit erbitterte die Lateiner, und nur zwei Bischöfe fanden sich, um ihre Hände seinem Diakon und Nachfolger Pelagius segnend aufzulegen. Aber die beharrlichen Päpste stempelten allmählich ihre Gegner mit dem Namen Schismatiker; die Kirchen von Illyrien, Afrika und Italien wurden durch bürgerliche und kirchliche Obrigkeiten nicht ohne einige Hilfe des Militärs unterdrückt. Die Barbaren bekannten sich zum Glauben des Vatikans, und nach Ablauf eines Jahrhunderts nahm auch die Spaltung wegen der drei Kapitel ein Ende, die in Aquileja im Jahre 698 gänzlich behoben wurde. Aber die religiöse Unzufriedenheit der Italiener hatte bereits die Eroberungen der Langobarden gefördert, und die Römer selbst waren gewohnt, an dem Glauben ihres byzantinischen Tyrannen zu zweifeln und seine Regierung zu verabscheuen. Justinian ging in dem schwierigen Unternehmen, seine und seiner Untertanen unbeständige Meinungen zu festigen, weder stetig noch folgerichtig vor. In seiner Jugend erbitterte ihn die geringste Abweichung von der Rechtgläubigkeit; in seinen alten Tagen überschritt er das Maß gemäßigter Ketzerei, und sowohl Jakobiten als auch Katholiken nahmen Anstoß an seiner Erklärung, daß der Leib Christi unverweslich sei und er im Mannesalter weder die Bedürfnisse noch die Schwächen fühlte, die unseres Fleisches Erbteil sind. Diese phantastische Meinung wurde in den letzten Edikten Justinians verkündigt, und im Augenblicke seines Verscheidens hatte sich die Geistlichkeit geweigert, ihnen Folge zu leisten. Der Fürst war zur Verfolgung und das Volk zum Märtyrertume und Widerstand entschlossen. Der Bischof Nicetius von Trier redete aus sicherer Ferne jenseits der Grenzen seiner Gewalt den Monarchen des Ostens mit Worten der Macht und Liebe an: »Erhabener Justinian, gedenke deiner Taufe und deines Glaubensbekenntnisses. Beflecke deine grauen Haare nicht mit Ketzerei. Rufe deine Kirchenväter aus der Verbannung, deine Anhänger vom Verderben zurück. Es kann dir nicht unbekannt sein, daß bereits Italien und Gallien, Spanien und Afrika deinen Fall beklagen und deinen Namen mit Anathemen belegen. Wenn du nicht ohne Verzug widerrufst, was du gelehrt hast, wenn du nicht mit lauter Stimme ausrufst, ich habe mich geirret, ich habe gesündigt, Fluch dem Nestorius, Fluch dem Eutyches, so wirst du deine Seele denselben Flammen überliefern, in denen die ihrigen ewig brennen werden!« Justinian starb ohne Zeichen der Reue. Sein Tod stellte den Frieden der Kirche einigermaßen wieder her, und die Regierungen seiner vier Nachfolger, Justin, Tiberius, Mauritius und Phocas, sind wegen dem seltenen aber glücklichen Umstand hervorzuheben, daß sie nicht in der Kirchengeschichte des Orients aufscheinen. Sinne und Vernunft können am wenigsten auf sich selber einwirken; das Auge ist dem Sehen, die Seele dem Denken höchst unzugänglich und doch denken wir, ja fühlen sogar, daß ein Wille, ein einziges Prinzip des Handelns zu unserem vernünftigen und selbstbewußten Sein wesentlich notwendig ist.

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