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milden Theodosius war erschöpft. Entrüstet löste er diesen bischöflichen tumultuösen Rat auf, der heute, so viele Jahrhunderte später, den ehrwürdigen Titel der dritten allgemeinen Kirchenversammlung für sich in Anspruch nimmt. »Gott ist mein Zeuge«, ließ sich der fromme Fürst vernehmen, »daß ich nicht der Urheber dieser Verwirrung bin. Die Vorsehung wird den Schuldigen erkennen und bestrafen. Kehret in eure Sprengel zurück, und eure persönlichen Tugenden mögen das Unheil und Ärgernis eurer Zusammenkunft wieder gutmachen.« Sie kehrten in ihre Sprengel zurück, aber dieselben Leidenschaften, welche die Synode von Ephesus zerrüttet hatten, verbreiteten sich über die ganze morgenländische Welt. Nach drei hartnäckigen und unentschiedenen Feldzügen ließen sich Johann von Antiochia und Cyrill von Alexandria zu gegenseitigen Erklärungen und zur brüderlichen Umarmung herbei. Aber die scheinbare Aussöhnung der beiden Patriarchen muß mehr der Politik als der Überzeugung, mehr ihrer gegenseitigen Müdigkeit als ihrer christlichen Milde zugeschrieben werden.

      Der byzantinische Bischof hatte dem Kaiser ein verderbliches Vorurteil gegen den Charakter und das Benehmen seines ägyptischen Nebenbuhlers eingeflößt. Ein Schreiben voll Drohungen und Schmähungen, das den Vorladungsbrief begleitete, bezeichnete ihn als vorlauten, übermütigen und neidischen Priester, der die Einfachheit des Glaubens verwirre, den Frieden der Kirche und des Staates störe und durch seine listigen Sonderbriefe an die Gemahlin und Schwester des Theodosius sich erdreiste, den Samen der Zwietracht in der kaiserlichen Familie selbst vorauszusetzen oder dort auszustreuen. Auf Befehl seines Souveräns hatte sich Cyrill nach Ephesus begeben, wo ihn die Obrigkeiten im Interesse des Nestorius und der Orientalen befeindeten, bedrohten und einkerkerten und die Truppen von Lydien und Jonien zusammenzogen, um das fanatische und lärmende Gefolge des Patriarchen zu unterdrücken. Ohne die kaiserliche Erlaubnis abzuwarten, entfloh er seinen Wächtern, schiffte sich eilig ein, verließ die Synode und flüchtete nach seiner bischöflichen Feste in Sicherheit und Unabhängigkeit. Aber seine schlauen Sendlinge arbeiteten sowohl am Hofe als in der Stadt mit Erfolg daran, den Zorn des Kaisers zu besänftigen und seine Gunst zu erlangen. Der schwache Sohn des Arkadius wurde abwechselnd von seiner Gattin und von seiner Schwester, von den Eunuchen und den Frauen des Palastes regiert. Aberglaube und Habsucht waren ihre vorherrschenden Leidenschaften, und die Häupter der rechtgläubigen Partei ließen kein Mittel unversucht, jenen in Bestürzung zu versetzen und diese zu befriedigen. Konstantinopel und die Vorstädte waren durch zahlreiche Klöster geheiligt, und die frommen Äbte Dalmatius und Eutyches hatten ihren Eifer und ihre Treue der Sache Cyrills, der Verehrung der Maria und der Einheit Christi gewidmet. Vom ersten Augenblick ihres Mönchslebens an hatten sie sich niemals unter die Menschen gemischt oder den unheiligen Boden der Stadt betreten. Aber in diesem wichtigen Augenblick der Gefahr für die Kirche entband eine erhabenere und unerläßlichere Pflicht sie ihres Gelübdes. An der Spitze eines langen Gefolges von Mönchen und Einsiedlern, die brennende Wachslichter in den Händen trugen und Litaneien zur Ehre der Mutter Gottes sangen, zogen sie aus ihren Klöstern nach dem Palast. Das außerordentliche Schauspiel erbaute und entflammte das Volk, und der zitternde Monarch schenkte den Bitten und Beschwörungen der Heiligen Gehör, die kühn verkündeten, daß niemand auf Seligkeit hoffen könne, der nicht an der Person und dem Glaubensbekenntnisse des rechtmäßigen Nachfolgers des Athanasius festhielte. Zu gleicher Zeit wurde jeder Zugang zum Thron mit Gold erkauft. Unter dem züchtigen Vorwand von Belobungen und Segnungen bestach man die Höflinge beiderlei Geschlechts nach Maßgabe ihres Einflusses und ihrer Habsucht. Aber ihre unaufhörlichen Forderungen leerten die Heiligtümer von Konstantinopel und Alexandria, und die Macht des Patriarchen reichte nicht aus, um das gerechte Murren seiner Geistlichkeit, daß bereits eine Schuldenlast von sechzigtausend Pfund zur Bestreitung dieser Bestechung gemacht worden sei, zum Schweigen zu bringen. Pulcheria, die ihrem Bruder die Bürde eines Reiches abgenommen hatte, war die festeste Stütze der Rechtgläubigen, und so innig war die Synode und der Hof miteinander verbunden, daß Cyrill des Erfolges sicher war, wenn es ihm gelang, einen Eunuchen aus der Gunst des Theodosius zu verdrängen und einen anderen einzuschieben. Indessen konnte sich der Ägypter weder eines glorreichen noch eines entscheidenden Sieges rühmen. Der Kaiser beharrte mit ungewohnter Festigkeit bei seinem Versprechen, die Unschuld der orientalischen Bischöfe zu schützen und Cyrill milderte seine Bannflüche und bekannte sich doppelsinnig und widerstrebend zu einer zweifachen Natur Christi, bevor ihm gestattet wurde, seine Rache gegen den unglücklichen Nestorius zu stillen.

      Der unbesonnene und hartnäckige Nestorius wurde vor Beendigung der Synode von Cyrill unterdrückt, vom Hofe verraten und von seinen orientalischen Freunden schwach unterstützt. Ein Gefühl der Furcht oder der Entrüstung bestimmte ihn noch zur rechten Zeit, den Ruhm einer freiwilligen Abdankung für sich in Anspruch zu nehmen. Sein Wunsch wurde erfüllt oder wenigstens sein Ansuchen gern gewährt; er wurde mit Ehren von Ephesus nach seinem alten Kloster in Antiochia geleitet, und kurz darauf wurden seine Nachfolger Maximian und Proklus als die rechtmäßigen Bischöfe von Konstantinopel anerkannt. Aber in seiner stillen Zelle vermochte der abgesetzte Patriarch die Unschuld und Zufriedenheit eines gewöhnlichen Mönches nicht mehr zu finden. Er bedauerte die Vergangenheit, war unzufrieden mit der Gegenwart und hatte Ursache, die Zukunft zu fürchten. Die orientalischen Bischöfe lösten einer nach dem anderen ihre Sache von einem verhaßten Namen, und jeder Tag verminderte die Zahl der Schismatiker, die Nestorius als den Bekenner des Glaubens verehrten. Nachdem er sich vier Jahre in Antiochia aufgehalten hatte, unterzeichnete Theodosius ein Edikt, das ihn auf eine Stufe mit dem Zauberer Simon stellte, seine Meinungen und Anhänger ächtete, seine Schriften zum Scheiterhaufen verdammte und ihn selbst zuerst nach Petra in Arabien und zuletzt nach der Oasis, einer der Inseln der Lybischen Wüste verbannte. Ausgeschlossen von der Kirche und der Welt, wurde der Verbannte fortwährend von Religionsschwärmern verfolgt und von Plünderern heimgesucht. Ein wandernder Stamm der Blemmyer oder Nubier drang in seinen einsamen Kerker. Auf dem Rückwege entließen sie eine Schar nutzloser Gefangener. Kaum hatte aber Nestorius die Ufer des Nils erreicht, als er einsehen mußte, daß er besser aus einer römischen und rechtgläubigen Stadt in die mildere Knechtschaft von Wilden entflohen wäre. Seine Flucht wurde als neues Verbrechen bestraft. Die Gesinnung des Patriarchen beseelte die bürgerlichen und kirchlichen Gewalten von Ägypten. Obrigkeiten, Soldaten, Mönche quälten frommerweise den Feind Christi und Cyrills, und der Ketzer wurde abwechselnd bis an die Grenzen von Äthiopien geschleppt und wieder zurückberufen, bis sein greiser Körper den Beschwerden oder Unfällen der häufigen Reisen erlag. Sein Geist aber blieb unabhängig und ungebeugt. Seine Hirtenbriefe schüchterten den Statthalter der Thebais ein. Er überlebte den katholischen Tyrannen von Alexandria, und nach sechzehnjähriger Verbannung würde ihm die Kirchenversammlung von Chalcedon vielleicht in die Gemeinschaft der Kirche wieder aufgenommen haben. Der Tod hinderte jedoch Nestorius, ihrer Vorladung Folge zu leisten. Die Art seiner Krankheit verlieh dem schimpflichen Gerücht, daß seine Zunge, das Werkzeug der Gotteslästerung, von Würmern zerfressen worden sei, einigen Halt. Er wurde in einer unter dem Namen Chemnis oder Panopolis oder Akmim bekannten Stadt Oberägyptens begraben. Der unsterbliche Haß der Jakobiten hat jahrhundertelang die Sitte, Steine gegen sein Grab zu schleudern und die törichte Sage bewahrt, daß es nie vom Regen des Himmels bewässert werde, der doch in gleichem Maße auf die Gerechten wie auf die Gottlosen niederfällt. Die Menschlichkeit mag dem Schicksale des Nestorius eine Zähre weihen, der Gerechte aber ist zur Bemerkung gezwungen, daß er nur die Verfolgung erlitt, die er bei anderen gebilligt und vielen zugefügt hatte.

      Der Tod des alexandrinischen Primaten nach zweiunddreißigjähriger Regierung überließ die Katholiken der Übermäßigkeit des Religionseifers und dem Mißbrauch des Siegers. Die monophysitische Lehre (eine inkarnierte Natur) wurde in den orientalischen Kirchen und Klöstern gepredigt; den ursprünglichen Glauben des Apollinaris schützte die Heiligkeit Cyrills, und der Name des Eutyches, seines ehrwürdigen Freundes, ward jener Sekte beigelegt, die der syrischen Ketzerei des Nestorius am schroffsten gegenüberstand. Sein Nebenbuhler Eutyches war Abt oder Archimandrit oder Oberer über dreihundert Mönche. Aber die Meinungen eines einfachen und ungelehrten Einsiedlers würden verborgen geblieben sein, da er in der Zelle bereits siebzig Jahre verbracht hatte, wenn nicht der ingrimmige oder unkluge byzantinische Bischof Flavian das Ärgernis vor den Augen der christlichen Welt aufgedeckt hätte. Er berief unverzüglich die Geistlichkeit seines Sprengels. Geschrei und Hinterlist befleckten diese Versammlung, die den greisen Ketzer in ein scheinbares Bekenntnis verstrickte, Christus' Leib sei nicht vom Fleische der Jungfrau Maria

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