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Nestorius überließen sich ihrem frommen oder persönlichen Grimme, die byzantinische Geistlichkeit war insgeheim über die Einschiebung eines Fremden erbittert, was irgend abergläubisch oder widersinnig war, erfreute sich des Schutzes der Mönche, und das Volk nahm für seine jungfräuliche Beschützerin Partei. Die Predigten des Erzbischofs und der Dienst des Altars wurden durch aufrührerisches Geschrei gestört. Sondergemeinden sagten sich von seiner Herrschaft und Lehre los; die Streitigkeiten wurden wie Blätter im Winde über das ganze Reich zerstreut, und die Stimmen der Kämpfenden auf einer geräuschvollen Bühne widerhallten in den Zellen von Palästina und Ägypten. Es war Cyrills Pflicht, den Eifer und die Unwissenheit seiner zahllosen Mönche aufzuklären. In der Schule von Alexandria hatte er die Lehre der Menschwerdung eingesogen und sich dazu bekannt, und der Nachfolger des Athanasius handelte ganz seinem Stolze und Ehrgeize angemessen, als er sich in Waffen gegen einen zweiten furchtbareren und schuldigeren Arius auf dem zweiten Throne der Hierarchie erhob. Nach einem kurzen Briefwechsel, worin die eifersüchtigen Prälaten ihren Haß hinter der Sprache der Hochachtung und der christlichen Milde verbargen, verkündete der Patriarch von Alexandria dem Fürsten und Volke, dem Osten und Westen die verdammenswerten Irrlehren des byzantinischen Bischofs. Aus dem Osten, insbesondere auch Antiochia, empfing er zweideutige Ratschläge der Duldung und des Schweigens, die an beide Parteien gerichtet waren, während sie eigentlich die Sache des Nestorius begünstigten. Der Vatikan dagegen nahm die Boten aus Ägypten mit offenen Armen auf. Cölestin in seiner Eitelkeit fühlte sich durch die Berufung an den Vatikan geschmeichelt. Die parteiische Übersetzung eines Mönches entschied den Glauben eines Papstes, der samt seiner lateinischen Geistlichkeit von der Sprache, den Künsten und der Theologie der Griechen nichts verstand. An der Spitze einer italienischen Kirchenversammlung untersuchte Cölestin den Streit, billigte das Glaubensbekenntnis des Cyrillus, verdammte die Ansichten und die Person des Nestorius, entsetzte den Ketzer seiner bischöflichen Würde, gab ihm eine zehntägige Frist zum Widerruf und zur Buße und beauftragte dessen Feind mit der Vollstreckung dieses übereilten, ungesetzlichen Urteils. Aber während der Patriarch von Alexandria die Blitze eines Gottes schleuderte, offenbarte er die Irrtümer und Leidenschaften eines Sterblichen; seine zwölf Flüche martern noch immer die orthodoxen Gläubigen, die in ihm einen Heiligen verehren, ohne ihrer Anhänglichkeit an die Kirchenversammlung von Chalcedon etwas vergeben zu wollen. Seine kühnen Behauptungen sind unauslöschlich mit apollinarischer Ketzerei befleckt, während die ernsten und vielleicht aufrichtigen Bekenntnisse des Nestorius noch die einsichtsvolleren und minder parteiischen Theologen der Gegenwart befriedigen.

      Aber weder der Kaiser noch der Primas des Morgenlandes waren geneigt, dem Befehl eines italienischen Priesters zu gehorchen. Eine Versammlung der katholischen oder vielmehr der griechischen Kirche wurde einstimmig als das einzige Hilfsmittel bezeichnet, um diesen kirchlichen Streit zu schlichten oder zu entscheiden. Das von allen Seiten zu Wasser und zu Lande zugängliche Ephesus wurde zum Orte, das Pfingstfest (431) zum Tage der Zusammenkunft ausersehen. Jeder Metropolit erhielt ein Einladungsschreiben, und man stellte eine Wache auf, um die Väter zu schützen und von der Menge abzuschließen, bis sie die Geheimnisse des Himmels und den Glauben der Erde bestimmt haben würden. Nestorius erschien nicht als Verbrecher, sondern als Richter. Er verließ sich mehr auf den Einfluß als auf die Zahl seiner Prälaten. Seine stämmigen Sklaven aus den Bädern des Zeuxippus waren sowohl für den Angriff wie die Verteidigung bewaffnet. Aber sein Gegner Cyrill gebot über mächtigere Waffen des Fleisches und des Geistes. Dem Schreiben oder wenigstens dem Sinne des kaiserlichen Einladungsschreibens entgegen, ließ er sich von fünfzig ägyptischen Bischöfen begleiten, die vom Winke ihres Patriarchen die Eingebung des Heiligen Geistes erwarteten. Er hatte ein festes Bündnis mit dem Bischof Memnon von Ephesus geschlossen. Der despotische Primas von Asien gebot über dreißig bis vierzig bereitwillige Bischöfe, aber eine Schar der Kirche ergebener Bauern strömte in die Stadt, um durch Schläge und Geschrei einen metaphysischen Lehrsatz zu verteidigen. Das Volk hielt eifrig an der Ehre der Jungfrau fest, deren Gebeine in Ephesus ruhten. Die Flotte, mit der Cyrill von Alexandria eintraf, war mit den Reichtümern Ägyptens beladen. Er setzte eine zahlreiche Schar Seeleute, Sklaven und Schwärmer ans Land, die den Fahnen des heiligen Markus und der Mutter Gottes in blindem Gehorsam folgten. Diese Entfaltung kriegerischer Streitkräfte schüchterte die Väter, ja selbst die Wachen der Kirchenversammlung ein. Die Gegner Cyrills und Marias wurden auf den Straßen beleidigt oder in ihren Häusern bedroht; seine Beredsamkeit und Freigebigkeit vermehrte täglich die Zahl seiner Anhänger. Bald vermochten die Ägypter zu berechnen, daß er auf die Anwesenheit und Stimmen von zweihundert Bischöfen zählen könne. Aber was der Verfasser der zwölf Anathemata voraussah und fürchtete, war der Widerstand Johanns von Antiochia, der mit einem kleinen, jedoch achtbaren Gefolge von Metropoliten und Theologen in kleinen Tagereisen von der fernen Hauptstadt des Ostens heranzog. Zürnend über einen Verzug, den er als absichtlich und verbrecherisch brandmarkte, kündete Cyrill die Eröffnung der Synode sechzehn Tage nach dem Pfingstfeste an. Nestorius, der auf die baldige Ankunft seiner orientalischen Freunde baute, beharrte gleich seinem Vorgänger Chrysostomus auf der Ableugnung der Gerichtsbarkeit, auf Ungehorsam gegen die Vorladung seiner Feinde. Diese aber beschleunigten seinen Prozeß, und sein Ankläger führte den Vorsitz auf dem Richterstuhle. Achtundsechzig Bischöfe, darunter zweiundzwanzig von erzbischöflichem Range, verteidigten die Sache des Nestorius durch einen bescheidenen und gemäßigten Protest; sie wurden von der Ratssitzung ihrer Brüder ausgeschlossen. Gandidian forderte im Namen des Kaisers einen Aufschub von vier Tagen; aber die weltliche Obrigkeit wurde mit Schimpfworten aus der Versammlung der Heiligen vertrieben. Diese ganze wichtige Verhandlung spielte sich in der kurzen Zeit während eines Sommertages ab (22. Juni). Die Bischöfe gaben ihre Stimmen abgesondert ab, aber die Gleichförmigkeit des Stils offenbarte den Einfluß oder die Hand eines Meisters, den man beschuldigte, ihre Urkunden und Unterschriften gefälscht zu haben. Ohne auch nur eine einzige abfällige Stimme erkannten sie in den Episteln Cyrills das nicäische Glaubensbekenntnis und die Lehre der Väter an; aber die parteiischen Auszüge aus den Briefen und Predigten des Nestorius wurden durch Flüche und Bannstrahlen unterbrochen und der Ketzer seiner Würde als Bischof und Geistlicher entsetzt. Das Urteil, boshafterweise »an den neuen Judas« überschrieben, wurde in den Straßen von Ephesus angeheftet und verkündet; die ermüdeten Prälaten wurden, als sie aus der Kirche der Mutter Gottes kamen, als deren Verteidiger begrüßt und ihr Sieg durch Festbeleuchtung, Gesänge und nächtlichen Lärm gefeiert.

      Am fünften Tage danach wurde der Triumph durch die Ankunft der entrüsteten orientalischen Bischöfe getrübt. In einem Gemache des Gasthofes gab Johann von Antiochia, noch bevor er den Staub von seinen Schuhen geschüttelt hatte, dem kaiserlichen Minister Candidian Gehör, der ihm über seine vergeblichen Bemühungen, das Ungestüm des verwegenen Ägypters zu hemmen oder ihn zu vernichten, Bericht erstattete. Mit gleicher Eile und gleichem Ungestüm entsetzte die aus fünfzig Bischöfen bestehende orientalische Synode Cyrill und Memnon ihrer bischöflichen Würden, verdammte in den zwölf Anathemen die giftige apollinarische Ketzerei und beschrieb den Primas von Alexandria als ein zur Zerstörung der Kirche geborenes und erzogenes Ungeheuer. Sein Thron war fern und unzugänglich, aber sie beschlossen auf der Stelle, der Herde von Ephesus die Segnung eines treuen Hirten angedeihen zu lassen. Der wachsame Memnon ließ jedoch die Kirchen vor ihnen schließen und warf eine starke Besatzung in die Kathedrale. Unter Candidians Befehl rückten die Truppen zum Sturme vor; die Außenposten wurden besiegt und niedergemetzelt, aber der Platz blieb uneinnehmbar. Die Belagerer zogen sich zurück. Ein kräftiger Ausfall verfolgte sie. Sie verloren ihre Pferde und viele Soldaten erlitten gefährliche Keulen- und Steinwunden. Ephesus, die Stadt der Jungfrau, wurde durch Wut und Geschrei, durch Aufruhr und Blut geschändet. Die einander befeindenden Synoden schleuderten Bannflüche und Exkommunikationen aus ihren geistlichen Geschützen, und der Hof des Theodosius wurde durch die feindseligen und widerspruchsvollen Darstellungen bloßgestellt. Während einer Periode von drei Monaten versuchte der Kaiser geschäftig jedes Mittel, um diesen theologischen Streit zu schlichten, ausgenommen das beste, nämlich Gleichgültigkeit und Verachtung. Er unternahm es, die Anführer durch ein gemeinsames Urteil der Lossprechung oder Verdammung zu entfernen oder einzuschüchtern. Er versah seine Stellvertreter in Ephesus mit ausgedehnten Vollmachten und stellte Militär zu ihrer Verfügung. Er forderte von jeder Partei die Absendung von acht gewählten Abgeordneten zu einer freien und unparteiischen Besprechung in der Nähe der Hauptstadt, fern von jeder Berührung mit dem wütenden Volk. Aber die Orientalen weigerten

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