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      »Das hier ist mir geblieben, nachdem ich zusammen mit ihm die ›Star-Pictures‹ aufgebaut habe«, erklärte Lester Nellen ohne jede Bitterkeit in der Stimme. »Ich war ein Trottel, ein Rindvieh, ein Idiot, ganz wie Sie wollen. Aber er schaffte es, mich auszubooten. Ganz elegant, ganz legal, nur mit einigen Kniffen!«

      »Sie können verstehen, daß ich Ihre Worte kaum einzuordnen vermag«, sagte der Butler höflich. »Können Sie mir unter Umständen mit Details dienen?«

      »Vor fünf Jahren machte er mich fertig«, redete Lester Nellen heiser weiter. »Ich überfuhr einen Stuntman auf dem Filmgelände. Ich hatte getrunken, die Polizei griff mich prompt auf, und es kam zu einer handfesten Anklage. Alles sprach gegen mich, verstehen Sie? Ich wurde für schuldig befunden und verurteilt. Die Frau des Stuntman zog eine Privatklage auf. Ich wurde verurteilt, ihr eine Million Schadenersatz zu zahlen. Sie kam damit durch. Ich zahlte also, wanderte ins Gefängnis und war pleite, als ich zurückkam.«

      »Das war wann, wenn ich mir diese Frage erlauben darf?«

      »Vor knapp einem halben Jahr. Und in dieser Zeit hat Stonewell es geschafft, mich aus der Firma herauszudrücken. Fragen Sie mich nicht nach Einzelheiten. Sie sind bitter genug!«

      »Ich möchte Ihnen auf keinen Fall lästigfallen«, entgegnete der Butler in seiner höflichen und gemessenen Art, »aber reichte die Verurteilung wirklich-aus, Sie finanziell zu ruinieren?«

      »Ich wurde während der Gefängnisstrafe aus dem Aufsichtsrat herausgedrückt. Um es noch deutlicher auszudrücken, ich flog!«

      »Besaßen Sie nicht so etwas wie einen Firmenanteil?«

      »Stimmt, ein Drittel war in meinen Händen. Aber dieses Drittel verkaufte meine Frau. Von der ich inzwischen geschieden bin. Noch einmal, verlangen Sie keine Einzelheiten! Sie sehen doch, daß ich pleite bin.«

      »Ich könnte mir vorstellen, daß Sie Mr. Stonewell nach all diesen Dingen nicht sonderlich schätzen!«

      »Schätzen?« Lester Nellen lachte heiser auf. »Ich hasse Stonewell, wenn Sie’s genau wissen wollen. Ich sinne Tag und Nacht darüber nach, wie ich ihm ein Bein stellen kann. Aber bisher ist mir nichts eingefallen. Was soll ich ohne einen Dollar gegen ihn ausrichten? Oder haben Sie zufällig eine Idee?«

      »Sie klingt banal genug«, antwortete Parker lächelnd. »Haß zahlt sich niemals aus, aber das wollen Sie vermutlich nicht von mir hören.«

      »Erraten, Mr. Parker...!« Nellen schüttelte abweisend den Kopf. »Für mich zahlt der Haß sich aus, verlassen Sie sich darauf! Und eines Tages bin ich soweit, dann wird er noch vor mir kriechen...!«

      »Lieben Sie zufällig Spinnen?« erkundigte sich der Butler. Gleichzeitig stand er auf und ging auf ein schmales Bücherbord zu, das an der Wand neben dem Fenster befestigt war. Auf dem schmalen Bord stapelte sich Krimskrams aller Art. Ein neues Buch aber fiel direkt auf. Es paßte einfach nicht in diese Umgebung.

      »Lassen Sie die Finger weg...!« hörte Parker plötzlich. Ohne sich um dieses heisere Schnarren zu kümmern, griff der Butler nach dem Band und nahm ihn in die Hand.

      Nellen tauchte neben ihm auf.

      Sein Gesicht war haßverzerrt.

      »Los, geben Sie das Buch her!« stieß er gereizt hervor.

      »Aber selbstverständlich«, antwortete Parker. »Sie sollen sich über mich nicht zu beklagen haben.«

      Er reichte das Buch so zurück, daß er sich den Titelumschlag genau ansehen konnte. Und es wunderte ihn kaum noch, unter der Abbildung einer behaarten Vogelspinne den Titel zu lesen: »Giftspinnen, eine Studie über Verhalten und Wirkung.«

      *

      Nach dieser aufschlußreichen Begegnung, die der Butler natürlich keineswegs überbewertete, ging er gemessen zu seinem Leihwagen zurück. In der großen Halle saßen noch immer die gelangweilten alten Männer und schlugen sich mit der Zeit herum. Sie sahen kaum hoch, als Parker dem Ausgang zustrebte.

      Der Wagen stand unversehrt am Straßenrand.

      Parker schloß die Tür auf und stieg ein. An besondere Zwischenfälle dachte er keineswegs. Und seit seinem Kontakt mit den beiden Gangstern hatte es bisher keinen Ärger gegeben.

      Er betätigte den Anlasser und wollte gerade losfahren, als er jedoch plötzlich eine haarsträubende Entdeckung machte. Und diese Entdeckung verdankte er eigentlich seiner angeborenen Ordnungsliebe.

      Die gepolsterte Sonnenblende an der Windschutzscheibe stand seiner bescheidenen Ansicht nach nicht im korrekten rechten Winkel zur Scheibe.

      Parker griff mit seiner behandschuhten Linken nach dieser Sonnenblende, um in der nächsten Sekunde unwillkürlich zusammenzuzucken, was bei seiner sonst üblichen Beherrschung sehr viel zu bedeuten hatte.

      Nun, diese Reflexbewegung war schließlich durchaus verständlich. Denn am Rand der Sonnenblende zeigten sich plötzlich behaarte und gefährlich lange Spinnenbeine. Wenig später war der Körper einer äußerst angriffslustigen Vogelspinne zu sehen.

      Die Vogelspinne - wahrscheinlich hatte auch sie seit längerer Zeit nichts mehr zu sich genommen -war verständlicherweise gereizt und dachte nur noch daran, ihren Ärger auf ein geeignetes Opfer abzuladen.

      Da Parker in greifbarer Nähe war, ging die Vogelspinne prompt zum Angriff über. Sie ließ sich herunterfallen und steuerte geschickt die Oberschenkel des sitzenden Butlers an.

      Parker verwandelte sich in ein sehr junges Füllen, was seine blitzschnelle Sprungkraft anging. Er fiel fast hinaus aufs Pflaster und entging so dem Angriff der ›Schwarzen Witwe‹.

      Die Spinne landete auf den Bodenbrettern, beziehungsweise auf dem Veloursteppich, der darüber lag. Sie witterte frische Luft und stieg ebenfalls auf das Pflaster über. Dann verharrte sie und überlegte augenscheinlich, was zu tun war.

      Parker, sonst ein Tierfreud, wie er im Buche steht, genierte sich nicht, seinen Universal-Regenschirm in Tätigkeit zu setzen. Mit der Spitze des Schirms nagelte er die Spinne fest und sorgte so für einen schnellen Tod.

      War er beobachtet worden?

      Parker fühlte deutlich, daß er die ganze Zeit über intensiv betrachtet wurde.

      Etwa vom Palast aus?

      Blitzschnell sah er an der schäbigen Hausfront hoch. Und dabei entdeckte er irgendwo hinter einem Fenster in der zweiten Etage eine Bewegung hinter der Gardine. Er wußte nicht, ob es sich um das Zimmer von Lester Nellen handelte.

      Oder saß der heimliche Beobachter in irgendeinem der vielen Wagen, die längs der Straße abgestellt waren? Möglich war das schon, doch Parker fand nicht heraus, wer ihn hier so aufmerksam unter die Lupe nahm, daß er es fast körperlich gespürt hatte.

      Um einen weiteren Zwischenfall aus dem Weg zu gehen, barg Parker die tote Spinne mit einem Wischtuch, das er in einer Seitentasche des Wagens fand, steckte sie in den Handschuhkasten, setzte sich schleunigst ans Steuer und verließ diesen ungastlichen Platz vor dem imitierten Dogenpalast.

      Wurde er verfolgt?

      Parker sah zwar wiederholt in den Rückspiegel, doch er konnte nichts feststellen. Er war gespannt, was sein junger Herr zu diesem Abenteuer sagen würde.

      Falls Mike Rander nicht selbst das Opfer solch eines Zwischenfalls geworden war.

      »Schon wieder eine Spinne?«

      Mike Rander hatte dieses Stichwort noch nicht ganz gehört, als er, wie von einer Tarantel gebissen, von seinem Sessel hochwischte und sich äußerst mißtrauisch vergewisserte, daß keine »Schwarzen Witwe‹ in der Nähe war.

      Parker saß seinem jungen Herrn im Hotelzimmer gegenüber und wartete, bis Mike Rander sich wieder gesetzt hatte. Dann holte er noch einmal zu seiner Geschichte aus und brachte sie ohne weitere Zwischenfälle hinter sich.

      »Ich kann von Spinnen schon nichts mehr hören«, sagte Mike Rander und zündete sich eine Zigarette an. »Machen

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