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Doria durcheinander, bis endlich ein Befehlshaber nach dem andern sich entfernte, um die Vorbereitungen für die morgende Abfahrt zu treffen.

      Antonio Valani und Leone della Rota fanden sich erst nach geraumer Zeit wieder allein auf ihrem Verdeck.

      »Also die andern segeln, und wir bleiben hier? Auch gut!« sagte Leone. »Gehen wir also auf unsere eigene Jagd aus, Antonio, vor allem aber gehen wir jetzt zur Taverne. Ausführlich sollst du mir dort alles erzählen, was dein Verhältnis zu der holden Flamländerin betrifft.«

      »O nicht doch, Leone, laß mich!«

      »Nein, nein; du sollst und mußt. Ich will dich heilen, Carino; ich bin ein guter Arzt in solchen Leiden. Manch einer hat’s erfahren, und du sollst es auch erfahren, Tonino.«

      Widerwillig ließ sich der Kapitän fortziehen von seinem Schiff. Unmutig folgte er dem Luogotenente durch die Gassen von Antwerpen zur Taverne zum Wappen von Alcatara, wo die dicke Wirtin sich in den lustigen Leone della Rota verliebt hatte und der Schatz freie Zeche und – freies Quartier hatte, so oft es ihm angenehm schien. Es war ihm aber sehr oft angenehm und gelegen.

      Jan und Myga

       Inhaltsverzeichnis

      In einem der hohen Giebelhäuser hinter der Stadtmauer am Kai von Antwerpen saß am folgenden Abend Myga van Bergen neben ihrer kleinen Lampe, ganz in Trauer gekleidet, – die Tochter des weiland so reichen und angesehenen Kaufmanns Michael van Bergen, von dem es jetzt heißen konnte: Supremum diem obiit, senex et pauper.

      Wie wenn ein Sack voll neugeprägter Goldstücke ausgeschüttet wird, so, klang vor fünfzehn oder zwanzig Jahren die Firma van Bergen und Norris jedermann ins Ohr. Eins der reichsten Häuser des reichen Antwerpens repräsentierte diese Firma. Auf allen Meeren schwammen ihre Schiffe, ihre Warenhäuser waren voll der köstlichsten Schätze Indiens und Amerikas; ihre Schreibstube war voll emsiger Schreiber. Ja, vor zwanzig Jahren hättet ihr auf der Börse oder im Haus der Oosterlinge, der großen Hansaniederlage, nach der Firma van Bergen und Norris fragen sollen; wahrlich guter Bescheid würde euch zuteil geworden sein.

      Nun aber war Johann Geerdes Norris längst gestorben zu Amsterdam, und vor vierzehn Tagen war ihm zu Antwerpen sein ehemaliger Kompagnon in das Grab gefolgt, als Bettler.

      Hättet ihr jetzt an der Börse oder im Hause der Hansa nach der Firma van Bergen und Norris gefragt: man hätte euch eure Frage vielleicht mehr als einmal wiederholen lassen und dann den Kopf geschüttelt. Wer kannte jetzt noch die Firma van Bergen und Norris? Nur die ältesten Kaufleute und Makler wußten sich ihrer noch zu erinnern.

      Wie war das gekommen?

      Die Antwort darauf ist leicht zu finden. Als das Haus van Bergen und Norris in seinem höchsten Glanze strahlte, regten sich tätig zweimalhunderttausend Einwohner in den Mauern von Antwerpen; jetzt waren dieselben auf achtzigtausend zusammengeschmolzen. Genügt euch das?

      Werfen wir einen Blick zurück in die vergangenen Tage!

      Das war am zwanzigsten August des bösen Jahres 1585. An diesem Tage hielten die Reformierten ihren letzten Gottesdienst in der Kathedrale. Nach der Kapitulation, welche die Stadt mit ihrem gewaltigen Dränger, dem Prinzen Alexander von Parma, abgeschlossen hatte, sollte am folgenden Tage der Katholizismus wieder Besitz nehmen von dem Heiligtum unserer lieben Frau, das er so lange den Ketzern hatte überlassen müssen.

      Es war ein feierlicher, seltsamer Augenblick, als nun an diesem zwanzigsten August nach der letzten protestantischen Predigt die Tonwogen der protestantischen Orgel verrollten. Eine tiefe Stille trat ein, das Volk saß mit gesenkten Häuptern und betete leise und brünstig. Dann aber brach es aus – ein Ton halb Seufzer, halb unterdrückter Wutschrei – langhallend – Schmerz und Ingrimm! Ein Rauschen entstand, von den Sitzen erhob sich die Versammlung und stürzte wild und wirr gegen die Kirchtüren, gegen die hohen Portale, welche der katholische Teil der Bevölkerung bereits umlagerte.

      Triumph und Niederlage!

      Mönche aller Orden drängten sich hohnlächelnd oder drohend den gedemütigten, still weinenden oder grollenden Ketzern in den Weg, ihre Rosenkränze frohlockend erhebend.

      Wie lange war es her, seit sie vor dem Rufe: »Papen uyt! Papen uyt! Die Pfaffen fort! Fort mit den Pfaffen!« diesen selben Ketzern hatten weichen müssen?

      So wechseln die Geschicke der Menschen, so wechseln Triumphe und Niederlagen im Kampfe der Geister.

      Am zwanzigsten August bestand noch in voller Kraft und großem Ansehen das Handlungshaus van Bergen und Norris; – am siebenundzwanzigsten August löste sich die Firma. Alexander Farnese zog mit großem Pompe in die gewonnene Stadt ein; Jan Geerdes Norris verließ sie mit seinem zehnjährigen Söhnlein und vielen anderen, welche die spanische Gewalt nicht ertragen wollten. In der Stadt zurück blieb Michael van Bergen mit seinem sechsjährigen Töchterchen. Jeder der beiden Kompagnons handelte nach seinem Charakter, der starkmütige, zornmütige Norris und der ängstliche, weiche van Bergen. Der eine trotzte dem Verhängnisse, solange es ging, und wich, als der Kampf entschieden war, an dieser Stelle, um ihn anderswo wieder aufzunehmen. Der andere beugte sich den Verhältnissen und litt schweigend, was er nicht zu ändern vermochte.

      Doch das ist lange vorüber, und unsere beiden Helden sind nicht Geerdes Norris und Michael van Bergen, sondern Jan Norris und Myga van Bergen, die Kinder der einst so berühmten Firma.

      In was für einer schreckenvollen, verwüsteten, grauenhaften Welt hatten die beiden Armen das Licht erblickt. Wie oft waren die Wiegenlieder der Mutter durch das Krachen des Geschützes nah und fern zum Schweigen gebracht worden. Wie oft hatten die Väter Söhnchen und Töchterlein niedersetzen müssen vor den Knien, weil die Notglocke sie hinausrief auf die Wälle oder zum Rathaus!

      Arme kleine Wesen! Niemals hatten sie gleich andern, in glücklicheren Zeiten geborenen Kindern gefahrlos in schattigen Wäldern, auf grünen Wiesen sich herumtummeln dürfen. Niemals hatten sie die blauen Kornblumen, den roten Feldmohn vom Rande der Ackerfelder zum Kranze winden dürfen.

      Die Wälder füllten ja die streifenden Parteien des katholischen Königs, die wilden Rotten der Waldgeusen, das rechtlose, heillose, versprengte Gesindel aller Völker Europas.

      Auf den grünen Wiesen schlugen die Heere Spaniens, die Söldnerhaufen aus Deutschland, England, Frankreich, Italien, die Krieger der Provinzen, des Prinzen von Oranien ihre Hütten und Gezelte auf.

      Die Kornfelder fielen, noch ehe die goldene Frucht reifte, noch ehe die roten und blauen Blumen blühten, den Rossen und Fußtritten der ziehenden Heerscharen zum Opfer.

      Wo war ein friedliches Fleckchen zu finden auf diesem zertretenen Erdenwinkel, welchen der König von Spanien sein Eigentum nannte?

      In den engen, dunkeln Gassen der Stadt Antwerpen hinter den hohen Mauern, Wällen und Türmen Paciottis hatten die armen Kinder ihre Spielplätze, und oft genug waren auch diese unsicher und gefahrbringend. Oft genug verwandelten sich die Häuser der Bürger in Kerker, in welchen die Bewohner sich selbst einschließen, in welchen sie ihre eignen Kerkermeister sein mußten, um sich vor dem draußen umgehenden Unheil zu schützen.

      Ganz anders mußte sich die Weltanschauung dieser beiden Kinder als anderer, glücklicherer gestalten, und manche schöne Blüte wurde durch das finstere, kalte Gewölk, das über den Zeiten lag, in der Knospe erstickt und vernichtet.

      Wie oft sahen Jan und Myga während der ganzen langen Belagerungen des Prinzen von Parma von den Fenstern aus, in welchen sie ihre bunten Puppen und Tiere aufstellten, den Krieg mit seinen Schrecken in der Gasse vorüberziehen!

      Ein Paar sollten Jan und Myga werden, hatten die Väter und Mütter unter sich ausgemacht, als die große Firma van Bergen und Norris noch stand. Als die Kapitulation zwischen dem Prinzen Alexander und der Stadt aber unterzeichnet wurde, zerriß in seinem Sinn Jan Geerdes Norris den Vertrag über das Hochzeitsbündnis seines Söhnleins mit dem Töchterlein seines Kompagnons Michael van Bergen. Die Ehefrauen

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