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die Hand auf den Kopf und sah uns an und sagte: Kameraden, dies kleine Mädchen ist die verkörperte Erinnerung an alles, was die Heimat liebes und gutes und schönes hat; Kameraden, bringt das Ännchen in das Vaterland zurück! … Darauf fiel er zurück und war tot. Damals verstand wohl keiner, was der Rittmeister meinte; aber jetzt, jetzt weiß ich, was der Rede Sinn war. Schulmeister, die Legion hat das arme verlassene Ännchen in das Vaterland zurückgebracht; nun umschließe Du es mit Deinem Herzen und gieb ihm darin die Stelle, wo es in Glück und Liebe ruhen mag, nachdem es so lange draußen in der Fremde verloren war und verwaist umherwanderte.«

      Das war unsere Brautrede, Sever, und eine schönere ist wohl selten gehalten worden. –

      In der Abenddämmerung verließen Ännchen und ich, Hand in Hand, die Schmiede, und die Gebrüder Bart standen auf der Schwelle und sahen uns nach. Ich führte mein Weib unter ihr eigenes Dach, – ein hübsches altes Häuschen in der Nähe der Schule, auf der Stadtmauer, ein Nestchen, aus dessen Fenstern man die Aussicht über den Wiesengrund zu den blauen Bergen hat, welche – ich meine die Aussicht, welche ich Dir, Sever, wenn ich nicht irre, früher schon einmal beschrieben habe. Auch wir haben ein Gärtchen mit einer Holunderlaube vor dem Fenster, und die Brüstung der Stadtmauer dient uns zur Gartenmauer. In dieser Laube saßen wir an unserem Hochzeitstage noch tief in die warme Nacht hinein ganz allein mit uns. Die Sterne flimmerten über uns, und unsere Herzen waren voll Seligkeit.

      Alles, alles war gut geworden; jeder Mißklang war verhallt; – eins hatte in dem anderen seine Heimat gefunden; – es war Friede, Friede! – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

      Wie das alles gekommen war, wie das alles so kommen mußte, das auszusagen wird wohl unsere ganze Lebenszeit in Anspruch nehmen. –– – – – – – – – – – – – –

      Jetzt sitze ich in der holden Herbstnacht über diesen Brief. Der Schein der Lampe spielt auf den Blättern des Weinstockes vor den geöffneten Fenstern. Am Fenster lehnt das Ännchen; sie hat mir zugewinkt und hält den Finger an den Mund. Drunten durch den Wiesengrund, an der Stadtmauer von Sachsenhagen vorüber, ziehen wandernde Studenten und singen im vollen Chor:

      Ans Werk, ans Werk mit Herz und mit Hand,

       Zu bauen das Haus, das Vaterland!

       Ans Werk, ans Werk und laßt euch nicht Ruh,

       Gegraben, gehämmert zu und zu!

       Mit Händen hart, mit Händen weich

       Behauen die Steine zum Bau für das Reich:

       Ans Werk, ans Werk, sei’s Tag, sei’s Nacht,

       Keine Rast bis das Haus zu Stand gebracht –

       Ans Werk, ans Werk!

      Wühlt auf den Grund und fürchtet euch nicht,

       Wenn nieder das alte Gemäuer bricht;

       Grabt tief, nur tief und achtet es klein,

       Wenn brechen die wilden Gewässer herein!

       Ihr sorgenden Männer, zum Bund! zum Bund!

       Und leget dem Vaterhaus den Grund,

       Und leget den Grund dein Vaterland,

       Ans Werk, ans Werk mit Herz und Hand –

       Ans Werk, ans Werk!

      Was kümmert Euch Hohn, was kümmert Euch Spott?

       Ihr baut ja die feste Burg in Gott!

       Was kümmert Euch jegliches Menschenleid!

       Ihr baut ja den Herd der kommenden Zeit!

       Wälzt Stein auf Stein nach dem rechten Lot; –

       Was kümmert euch andere Lebensnot?

       Ans Werk, ans Werk für das Vaterland,

       Mit brennender Stirn, mit wunder Hand –

       Ans Werk! ans Werk!

      Ihr Meister vom Bau, ihr Gesellen gut,

       Die die Fugen ihr kittet mit Herzensblut,

       Laßt nimmer euch irren und haltet euch recht,

       Es ist keine Stunde zum Bau zu schlecht!

       Laßt nimmer euch täuschen durch falsches Wort,

       Laßt schaufeln und hämmern, laßt mauern uns fort!

       Ans Werk, ans Werk durch Tag und Nacht,

       Bis das Vaterhaus unter Dach gebracht –

       Ans Werk! ans Werk!

      Es harret das Weib, es harret das Kind,

       Ohne Heimat die Frauen und Kinder sind!

       O denket der Kraft, die vergebens verglüht,

       O denket des Geist’s, der vergebens versprüht,

       Weil der Heimatherd fehlt dem Vaterland;

       O schaffet mit Herz und Hirn und Hand!

       Es wohnt sich so gut unter eigenem Dach,

       O laßt euch nicht irren, o lasset nicht nach –

       Ans Werk, ans Werk!

      Nicht irren laßt euch, o lasset nicht nach,

       Auch schlummerts sich gut unter eigenem Dach:

       O denkt, wen die Arbeit fordert ins Grab,

       Den senken wir mit in den Grund hinab;

       Und der Grund ist unser, es schlafen darin

       Die toten Väter von Anbeginn; –

       Aus der Helden Asche soll steigen das Haus,

       Ans Werk, ans Werk! o haltet aus –

       Ans Werk! ans Werk!

      Keine Hand ist so schwach, keine Kraft so gering

       Sie mag thun zu dem Bau ein gewaltig Ding:

       Mancher Geist gar stolz, von gar hellem Schein

       Mag doch nur verwirrend leuchten darin!

       O bietet die Herzen, o bietet die Hand,

       Daß sich hebe der Herd im Vaterland!

       Ans Werk, ans Werk, es ist Gottes Will’!

       Fluch dem, der dem Ruf nicht folgen will:

       Ans Werk! ans Werk!

      Immer dasselbe Wort! immer dieselbe Klage! immer dieselbe Hoffnung und derselbe gute Wille! Wo werden aber die jugendlichen Sänger sein, wenn »das Vaterhaus« unter Dach gebracht ist, und die Krone der Ehren von seinem Giebel leuchtet über alle Lande der Welt?

      Leise schließt Ännchen das Fenster und blickt mir über die Schulter in meinen Brief an den Sever.

      »Sage ihm, er möge bald zurückkommen in das Vaterland,« flüstert sie. »Sage ihm, er fände in der Fremde doch nicht, was er suche! Sage ihm, ich, das Ännchen, wisse das!«

      Also, Sever, lieber Sever – kehre bald zurück in das Vaterland, Du findest doch nicht das was Du suchst in der Fremde; Ännchen hat’s erfahren.

       Fritz Wolkenjäger.

       Inhaltsverzeichnis

       I.

       II.

       III.

       IV.

      

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