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können, der eiserne Mann brach in dieser Minute zusammen

      Verworfen im Vaterland!

      Er griff in die Mähne seines Pferdes, so dunkel, wie es um ihn her war, so dunkel war es in seiner Seele. Er schwankte im Sattel und sank langsam zur Erde nieder. Das erschreckte Roß sprang fort von ihm, und er hörte es in den Wald hinein galoppieren. Aus der Ferne leuchteten die Lichter des Trautensteins.

      Anfangs hatte der Liegende das vollkommene Bewußtsein seiner Lage. Er fühlte sich nicht krank, aber unfähig ein Glied seines Körpers zu regen. Allmählich ging dieser seltsame Zustand in einen Halbtraum über, während dessen sich der Wald mit den seltsamsten Phantasiegebilden füllte.

      Männer in wunderlichen uralten Rüstungen zogen an ihm vorbei und nickten ihm zu und deuteten auf ihre Schilde, welche das Wappen von Rhoda trugen. Es kamen Reiter in goldgestickten, geschlitzten Gewändern und winkten ihm; es kam eine Reiterin in der Tracht des sechzehnten Jahrhunderts vorüber, die wandte aber das Gesicht ab; nun ritt auf falbem Roß ein finsterer Mann vorbei in der Kriegertracht des dreißigjährigen Krieges mit der schwedischen Feldbinde; hämisch grinste dieser ihm zu und lüftete den Federhut dabei und deutete in den Wald hinein, wo der »wüste Ort« lag. Ihm folgte auf schwarzem Roß ein Gesell im grünen vornehmen Jagdkleid des achtzehnten Jahrhunderts, der küßte gegen den letzten Herrn von Rhoda die Hand, – es kamen noch mehr Reiter, aber jetzt ging der Halbtraum allmählich in eine tiefe Ohnmacht über, nur ganz dumpf klang noch in diese hinein eine Frauenstimme, welche sang:

      »Und sie ritten bergauf, und sie ritten thalein,

       Die Nacht war so dunkel, kein Sternlein gab Licht;

       Dem Hufschlag ich folgt’ über scharfes Gestein,

       Durch Dornen und Distel, und spürte es nicht.

      Was Dornen und Distel und scharfes Gestein?

       Was Nachtwind und Regen und höhnendes Wort?

       Wohl schlug mir das Herze zu schlimmerer Pein,

       Sie führten den Liebsten in Ketten mir fort.«

      »Das ist das Weib, das uns mit Jammern folgte, als wir den gefangenen brigand fortführten!« sagte der Oberst, dann war alles Finsternis und leeres Nichts; und er erwachte erst wieder auf dem Trautenstein, wo seine Tochter und ich neben seinem Lager saßen. – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

      Wir begruben den Oberst an einem regnerischen Morgen.

      Der Wagen, auf welchem der Sarg stand, sank oft tief genug auf den aufgeweichten Waldwegen ein; die Pferde hatten Mühe ihn fortzubringen. Der Nebel zog in zerrissenen Wolken und Wölkchen durch die Baumwipfel; alle Höhen und Berge waren vom grauen Duft verhangen. Nur der Leutnant Bart, der Vetter Kaltenborn und ich folgten der Leiche zu ihrer Ruhestatt. Unser Freund, der Köhler, holte uns erst halben Weges ein. Anna von Rhoda weinte, krank, in ihrem Bettchen auf dem Trautenstein. Auf dem Kirchhofe von Dornhagen erwartete uns der alte Pastor Klemm, derselbe, welcher im Betsaale des Trautensteins zu predigen hat. Wir senkten den Sarg in die Gruft, und jeder warf ihm die drei Schaufeln voll Erde nach. Wenige Worte und ein kurzes Gebet wurden über dem Hügel gesprochen. Als wir von diesem traurigen Thun heimkehrten, fanden wir das Ännchen bleich und fröstelnd in einem dunkeln Winkel, umgeben von den Trost zusprechenden Frauen des Trautensteins. In einer anderen Ecke saß Susanne Reußner und hatte das Haupt mit der Schürze verhüllt.

      Als wir eintraten, sank Ännchen von Rhoda dem Leutnant an die Brust und schluchzte:

      »O fort, fort von hier! bitte, laß mich fort, laß uns weg von hier, ich sterbe, wenn ich hier bleiben muß. Bitte, bitte, laß uns heim, gleich laß uns heim fahren!«

      Wir hielten eine kurze Beratung, zu welcher auch der Pastor von Dornhagen kam. Das Ergebnis davon war, daß der Wille der armen Anna in Erfüllung ging. Schon am Nachmittag führte ein Wagen den Leutnant, das Ännchen und mich weg vom Trautenstein. Die ganze Einwohnerschaft versammelte sich, um uns abfahren zu sehen; nur Susanne Reußner befand sich nicht darunter. Die Weiber und Kinder weinten und rieben mit den Schürzenzipfeln die Augen; alle Männer reichten uns traurig die harten Hände.

      Langsam setzte sich der uralte Kutschwagen in Bewegung und rumpelte fort über den Heerweg. Der Regen hatte aufgehört, aber der Nebel war dichter geworden. An der Stelle, wo wir den Oberst besinnungslos gefunden hatten, stand eine Gestalt, welche auf uns zu warten schien. Als sich der Wagen ihr näherte, winkte sie dem Fuhrmann, welcher seine Pferde anhielt. Es war Susanne Reußner, welche an den Schlag trat; sie reichte dem Ännchen einen Strauß von Waldblumen, ganz feucht vom Regen, und sagte:

      »Fahre hin, Kind, und vergieb der armen Susanne, daß sie Dich nicht lieb haben kann. Gott möge sich unser aller erbarmen!«

      Sie trat zurück und als der Wagen um die Walbecke bog, stand sie immer noch an derselben Stelle im grauen Nebel.

      Wir übernachteten in einem ärmlichen Dorfe: wir fuhren ohne Aufenthalt am anderen Tage durch ***. Gegen Abend kamen wir in das Dorf Walkenheim; wo die unglückliche Frau an unseren Wagen trat und fragte:

      »Habt Ihr meinen Karl nicht gesehen? Bringt Ihr mir keinen Brief aus dem kalten Rußland? Die ganze Nacht hat mir von einem Brief geträumt.«

      Der alte Buschhorn war auch da und schüttelte mir und dem Leutnant die Hand.

      Tief in der Nacht kamen wir in dem schlafenden Sachsenhagen an. Ein Uhr! rief der Nachtwächter auf dem Schulplatz, als ich in meiner Wohnung die Lampe wieder anzündete. Ich öffnete sogleich die Fenster, um die eingeschlossene dumpfe Luft zu vertreiben; es war mir unmöglich, ins Bett zu steigen. Wie lange Zeit wird es brauchen, bis sich alles in meiner Seele zurecht gelegt hat? Alles in mir ist verwirrendes Schwanken und Schweben, und nur ein Gedanke mag mir festen Halt geben – Anna von Rhoda, das Ännchen in der Schmiede liebt mich, wie es von mir geliebt wird. Wohl muß sie sich ausweinen; aber sie wird ganz dem Leben zurückgegeben werden, und an meinem Herzen wird sie Schutz finden, Schutz und Trost in allem Schmerz und Sorgen der Zukunft.

      Sever, lieber alter Sever, mir gehört das Herz des Ännchens aus der Schmiede!

      O, wie ist es doch gekommen, daß die lieblichste Krone des Erdenglücks mir, mir zugefallen ist. In Demut und unaussprechlicher Seligkeit beuge ich mein Haupt – durch wie schreckliche Zeiten voll Elend und Verderben, über wie viele blutige Schlachtfelder weg, sind der Fritz Wolkenjäger und das Ännchen von Rhoda zusammengeführt worden!

      Dem großen Zeus sei Dank! Sei mir gegrüßt, Severus!

       Fritz.

      Elfter Brief.

       Inhaltsverzeichnis

       Sachsenhagen, am 15. Oktober 1816.

      Allmählich geht der Herbst in den Winter über, und die Witterungskundigen behaupten, daß dieser Winter sich als ein sehr gestrenger Herr zeigen werde. Alle Morgen sind die Dächer mit weißem Reif überzogen und der Boden ebenfalls. Mit den bunten, welken Blättern der Bäume und Gesträuche spielt die Sonne so wehmütig, wie eine alte Jungfrau mit den Angedenken einer schönen Jugendzeit – verblaßten Bändern, vertrockneten Blumen, Haarlocken und Stammbuchsversen – tändelt. Die schwarzen Krähen gehen gravitätisch spazieren in den Gassen von Sachsenhagen, in welchen Gassen sich die Bürger und Bürgerinnen nicht länger aufhalten, als es unumgänglich notwendig ist.

      Die Thür der Schmiede steht jetzt nicht mehr offen, wie im warmen Sommer. Sie ist geschlossen, und es ist dadurch in der schwarzen Werkstatt noch ein wenig finsterer, aber durchaus nicht unbehaglicher geworden. Wir behalten jetzt den roten Schein und die Glut des Schmiedefeuers für uns, und geben der Gasse draußen so wenig als möglich davon ab.

      Springende Funken und Hammerklang, – – gesegnete Arbeit!

      Liebe treue Gesichter und Herzen drinnen; – was haben

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