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habe, dank einigen Deiner Briefe, welche ich ihr gezeigt habe. Sie meint, es werde Dir gewiß nicht recht sein, daß ich sie zur Frau genommen habe. Ist dem so, Alter? Sie hat eine recht üble Meinung von dem Sever, und ich werde mich hüten, ihr eine bessere beizubringen; selbst muß der schwarze Mann kommen und sich in ein helleres Licht stellen, und seine Vortrefflichkeiten im vollen Glanze strahlen lassen. Die Frau Oberlehrerin – ich bin auch Oberlehrer geworden durch ein allerhöchstes Reskript – die Frau Oberlehrerin Wolkenjäger soll nach eigener Prüfung richten und ihr Urteil berichtigen; also komm Sever und zeige Dich.

      Ich fühl’s, ich sollte eigentlich nicht also scherzen über einen, dem der Adler an der Leber frißt. Glaube mir, Sever, ich weiß, weshalb Du Dich auf solche Weise selbst verbannt hast.

      Auch aus Deinem römischen Briefe klingt der alte Schmerz hervor; der alte Schmerz in vielleicht noch schlimmerer Weise. Zwischen den Gräbern des Römertums hast Du die Ruhe nicht gefunden. Du bist noch immer krank, mein armer Freund; aber solche kranke Leute, wie Du bist, braucht das Vaterland leider, und so müssen wir sie bemitleiden und dürfen nicht wünschen, daß es anders sei.

      Wann wird die Zeit gekommen sein, wo es solche deutsche Krankheit nicht mehr giebt? Nun wir haben manche böse Seuche überwunden im Laufe der Jahrhunderte, den Veitstanz, den schwarzen Tod, das schleichende Leiden der Empfindsamkeit und andere mehr: wir werden auch Deines Übels genesen sein, wenn die Sonne ein einiges, starkes, freies Volk auf der germanischen Erde bescheinen wird.

      Doch Du verbittest Dir ja alle Herzensergüsse über die politischen und sozialen Zustände der Heimat und verlangst nur in nuce einen Abriß von alle dem, was dem Schulmeister Fritz in Sachsenhagen bis zum heutigen Tage begegnet ist.

      Dein Wille geschehe, obgleich Du es nicht verdienst. Ich weiß eigentlich auch nicht viel zu erzählen; mein Leben läuft jetzt so still hin, ein Tag gleicht so sehr dem anderen, daß wirklich einem anderen als dem Freunde kaum etwas zu sagen wäre. Während des Winters lief ich im Schnee ein spitzwinkliges Dreieck zwischen meiner Wohnung, der Schule und der Schmiede und trat selten aus dieser Bahn heraus, gleich einem Gefangenen im Kerker. Ich war aber ein glücklicher Gefangener und begehrte nichts weiter von der Welt, die außerhalb der Thore meines Städtchens lag. Am Weihnachtsabend wurde dem Ännchen zum erstenmal ein deutscher Christbaum angezündet, und die Schmiede strahlte im echten Weihnachtsglanze.

      Die Tanne war vom Vetter Kaltenborn vom Trautenstein geschickt, und der Leutnant der Legion, Wolfgang Bart, und ich putzten sie an im Geheimen, und sowohl der alte als der junge Soldat waren vollständig befähigt zu solcher Aufgabe.

      Wie oft ging dem Leutnant vor Seligkeit die Pfeife aus! »Kamerad,« rief er mehr als einmal, »Kamerad, solltet Ihr es wohl für möglich gehalten haben, das Unsereiner noch einen Apfel vergolden kann?«

      »Ja Leutnant,« sagte ich, »das ist das Schöne, daß solches dem Deutschen angeboren wird. Kein Franzmann, kein Kosak, kein Teufel kann ihm diese Kunst ablernen und noch weniger, sie ihm rauben.«

      »‘s muß wohl wahr sein,« sagte der Alte; denn wenn einer ein Leben geführt hat, in welchem man solches vergessen kann, so bin ich das. Und seht nur, mache ich meine Sache nicht gut?«

      »Vortrefflich!« rief ich, und der Legionär warf sich mit verdoppeltem Eifer auf sein Werk.

      Von Zeit zu Zeit trat er zurück, den Gesamteindruck der Tanne in sich aufzunehmen. Wie rieb er sich dann die Hände!

      »Soll das Ännchen aber Augen machen!« rief er. »Dem armen Kinde ist so etwas auch noch nicht geboten; – es lebe das Vaterland für einen regelrechten Christabend.«

      »Tretet nicht in den Korb mit den Honigkuchengeschöpfen, Leutnant!« rief ich.

      »Hurra!« schrie der alte Soldat, »die hätten wir ja beinahe vergessen! Himmeltausenddonnerwetter, und ich habe alle Läden ausgekauft, um alle Kreaturen in Zucker und Mehl zusammen zu haben! Hier, seht, was sagt Ihr zu diesem alten Blücher, Schulmeister? O Annie, Annie, wie wirst Du die Augen aufsperren!« – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

      In der rechten Stunde führten wir das Ännchen ein in die deutsche Weihnachtsfeier, und jedermann in der Schmiede brachte seine Gaben dar. Dann lief der Schulmeister mit dem süßen Bräutchen durch die Kinderfreude der halben Stadt Sachsenhagen; das Ännchen mußte ja lernen für künftige glückliche Jahre, um den stolzen Stand einer deutschen Mutter einst recht ausfüllen zu können. Mit unaussprechlicher Rührung belauschte ich, wie seit dieser heiligen Nacht die Röte der Gesundheit leise, leise dem bleichen Gesichtchen wiederkehrte. –

      Wir feierten nach altem Brauche die Neujahrsnacht und fingen mit hoffenden Herzen das neue Jahr an. Der Schnee verging, es wurde wieder Frühling und das Osterfest brachte mir meine Anstellung als Oberlehrer samt ungeheurer Gehaltszulage. Das Ännchen aber erfuhr jetzt, was für ein sonderbares Tier der deutsche Hase ist. Wir suchten die bunten Eier des Meister Lampe unter den Büschen und dem Gesträuch des Gartens. Unter einem grünen Stachelbeerbusch fand Annie das Reskript mit dem großen roten Siegel in einem Nest voll roter, blauer und gelber Eier. Sie hatte wohl Grund, die Hände über dem Kopfe zusammen zu schlagen.

      Zu Pfingsten, dem »Fest der Freude«, fand Ännchen, zu neuer Verwunderung nach löblicher uralter Sitte ganz Sachsenhagen mit grünen Birken geschmückt. Vor die Thür der Schmiede hatten Hennig, der Braunschweiger, und der Oberlehrer Wolkenjäger die »Maien« aufgepflanzt. Wir zogen an diesem Tage, im holdesten Sonnenschein in den Wald und trafen auf einem der Vorberge des Gebirges mit der Verwandtschaft vom Trautenstein zusammen. Auch der Köhler vom Seigergrund erschien daselbst und spielte dem jungen Volk auf der Geige zum Tanze auf. Während dieses Tanzes verlor der Braunschweiger Hennig sein Herz an Jungfer Hannchen Kaltenborn vom Trautenstein, des Vetters Kaltenborn älteste Tochter.

      Nun ist es Sommer geworden; ach, ein böser, hungriger Sommer! Die armen Leute haben recht ihre Not; es giebt viel Elend im Land; manch einer sieht mit zagendem Herzen dem Winter entgegen und fragt sich: was daraus werden soll?

      Am 26. Juni ist auch zu Celle unser armer Freund Ernst Schulze sanft entschlafen. Seine Sehnsucht nach Italien ist nicht erfüllt worden; er ist zu einem schöneren Lande hinübergegangen. Sänger der Liebe und Schönheit, und Soldat der Freiheit ist er den vorangegangenen Genossen gefolgt, und nach klinge ihm sein eigenes Wort:

      »Seliges Los! wer im frühesten Glanz der entfalteten Schönheit

       Hinsinkt, vielen geliebt, vielen noch lange beweint.«

      Er ist nur neunundzwanzig Jahre alt geworden; – sanft ruhe seine Asche!

      Still durchlebten wir den Juli, und still haben wir vor fünf Tagen, am 25. August, unsere Hochzeit gehalten. Seit fünf Tagen ist Anna von Rhoda mein herziges Weib. Wir haben kein großes Festmahl erduldet, und Trompeten und Pauken haben uns nicht die Sinne verwirrt und die Ohren betäubt.

      Als das Ännchen im Brautschmuck dem Leutnant weinend in den Armen lag, schluchzte auch der Alte wie ein Kind, und es dauerte geraume Zeit, ehe er sich soweit gefaßt hatte, daß er mit beiden Armen sein liebliches Pflegetöchterlein von sich abhalten, sie von oben bis unten beschauen und ausrufen konnte:

      »Sollte man es für möglich halten, daß das aus dem winzigen schreienden Ding geworden ist, welches ich bei Talavera fand und vor mich auf den Sattel hob. Ach, Annie, Annie, Annie, Gott segne Dich, daß Du es bei dem alten, rauhen Burschen, dem Wolfgang Bart, so lange ausgehalten hast. Kamerad, Ihr müßt mit einer Glückshaube geboren worden sein, weil Euch der Himmel mein Ännchen gegeben hat. O, Annie, Annie, vergiß den alten Kriegsknecht nicht ganz um den jungen Schulmeister; – o, Annie, Annie, was würde das schwere Dragonerregiment der Legion sagen, wenn es Dich so sehen könnte! Wie würden sie über die kleine Annie staunen und Hurra rufen und die Säbel senken! Ach, Annie, vergiß die Dragoner der Legion nicht ganz, da Du nun eine lateinische Schulmeistersfrau bist!«

      Einmal über das andere versicherten Fritz und Ännchen dem Alten, daß sie nicht ohne ihn leben könnten, und schluchzend beteuerten sie, daß sie sich nie von ihm trennen würden.

      »Weißt

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