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kleine Alte tauchte auf und verschwand wie ein Spuk.

      In die geflieste dämmerige Halle fiel nur wenig Licht. Es war kühl und gruftig. Kati fröstelte, wartete und sah sich verstohlen um. Hinter zwei halb offenen Türen erspähte sie ein Kinderbettchen neben dem anderen. Außer einem gelegentlichen Wimmern und Räuspern war nichts zu hören.

      »Wir halten gerade unsere Siesta«, sagte Dona Dolores und huschte über die Fliesen, um beide Türen mit Nachdruck zu schließen.

      »Darf man die Kinder nicht besuchen?« fragte Kati halblaut in die unnatürliche Stille.

      »Nur in besonderen Fällen«, erwiderte Dona Dolores, »und auch dann nur nach Vereinbarung. Sehen Sie«, ihre Stimme senkte sich, »wenn wir die Regel lockern würden, gäbe das zuviel Unruhe. Ein ständiges Kommen und Gehen täte weder den Kindern noch dem Personal gut. Dona Herta kennt ja die Grenzen, die uns gesetzt sind.«

      Die kleine Alte schlurfte wieder herbei, stellte einen Korb auf den Boden und füllte den Inhalt der Reisetasche hinein.

      »Sie haben ja lauter neue Sachen gebracht«, bemerkte Dona Dolores stirnrunzelnd.

      »Ja, zum Anziehen für Babys zwischen sechs und neun Monaten.«

      »Sagten Sie nicht, Sie hätten sie gesammelt?«

      »Wir – nun, wir haben dafür zusammengelegt«, stammelte Kati und tat so, als verstünde sie nur die Hälfte, und Dona Dolores Miene besagte, daß sie es ihr auch nur zur Hälfte glaubte.

      »Nun, wie auch immer«, sagte sie steif, »wir danken Ihnen im Namen der Kinder von Santa Monica. Grüßen Sie Dona Herta von mir.« Damit öffnete sie die schwere Eingangstür und fügte unmißverständlich hinzu: »Adios, Senora, kommen Sie gut wieder nach Hause!«

      Alte Hexe! dachte Kati, die Tasche wütend schwenkend. Keinen einzigen Blick auf die Kleinen hat sie mir gegönnt! Na warte! Vielleicht geschieht ja noch ein Wunder, und ich lerne hochgestellte Persönlichkeiten von großem Einfluß kennen, vor denen sich diese Türen wie von selbst öffnen.

      An diesem Gedanken berauschte sie sich nur so lange, bis ihr Dona Herta einfiel, deren Namen sie soeben mißbraucht hatte.

      Du lieber Gott! Wenn die zickige Dolores nun auf die Idee kam, sich bei Dona Herta nach einer gewissen jungen Deutschen zu erkundigen, die sozusagen in ihrem Auftrag Babyklamotten abgeliefert hatte!

      Wer weiß, welche Mißverständnisse sich daraus entwickeln konnten!

      Da gehe ich niemehr hin, dachte Kati, das abweisende Gebäude mit einem letzten Blick umfassend, bevor sie in ein klappriges Taxi stieg. Aber dann fiel ihr Miguel ein, sein kleines verweintes Gesicht, sein verzweifelt zurückgeworfenes Köpfchen, und sie knallte die Tasche auf den Rücksitz, knirschte mit den Zähnen und gab einen trotzigen Laut von sich.

      Der Fahrer sah sich erstaunt nach ihr um.

      So leicht lasse ich mich nicht unterkriegen! dachte Kati und beugte sich über die schmuddelige Lehne. »Ich möchte in die Caille Trinidad Nummer zwölf. Kennen Sie übrigens das Waisenhaus? Waren Sie da schon einmal drin?«

      »Ach ja, Senora«, er lächelte melancholisch und gab Gas, »lange genug. Von meinem dritten bis zu meinem dreizehnten Lebensjahr!«

      *

      »Irgend etwas stimmt da nicht«, sagte Dona Dolores mit bebender Stimme, »ich habe es sofort gemerkt! Diese junge Deutsche kam mir verdächtig vor!«

      »Und sie hat sich wirklich auf mich berufen?« fragte Herta Hersfeld zweifelnd.

      »Ja, so wahr ich hier stehe! Es ist erst eine halbe Stunde her. Sie hatte diesen scharfen, kontrollierenden Blick, den sie durch den Türspalt ins Babyzimmer wandern ließ. Sie wissen ja, wie sehr ich mich vorsehen muß. Es gibt immer undurchsichtige Elemente, die sich an unsere Kinder heranmachen. Der Menschenhandel blüht nach wie vor, auch wenn einzelne Fälle nicht mehr bekannt werden.«

      »Ich weiß, ich weiß«, murmelte Herta Hersfeld und angelte nach ihrer Kaffeetasse, »aber da die junge Frau sich so ungeschickt verhalten hat, besteht die Hoffnung, daß sie nicht viel kriminelles Potential besitzt. Trotzdem werde ich der Sache nachgehen, Dona Dolores. Sie können sich darauf verlassen.«

      »Wie ich schon sagte«, wisperte Dona Dolores, »außer Ihnen hat sie die deutsche Schule erwähnt. Aber vielleicht weiß man dort auch nichts.«

      Herta Hersfeld legte den Hörer auf, seufzte und warf einen Blick auf die goldenen Ziffern der kleinen alten Pendulen-Uhr, die unter ihrem Glassturz tickte.

      Halb drei. Immer noch Siesta-Zeit in Montelindo.

      Noch dazu war es Samstag, und jedem galt das Wochenende als heilig.

      Aber Dona Dolores war ebenso hartnäckig wie mißtrauisch. Nicht zuletzt deshalb stand sie dem Waisenhaus seit zwanzig Jahren vor. Spätestens heute abend würde sie sich wieder melden mit der Frage, was die Leitung der deutschen Schule zu dem seltsamen Auftritt der jungen Frau in der Casa de Santa Monica geäußert hatte.

      Herta Hersfeld stand auf, um die Kaffeemaschine noch einmal anzuwerfen, ein Gerät, das außer ihr und dem Botschafter kein Mensch in Montelindo besaß.

      Auch die Tatsache, daß sie ein Apartment im ersten Stock eines Geschäftshauses bewohnte, war untypisch für eine Frau ihres Alters und ihres Standes. Normalerweise hätte sie in einer Villa mit Schwimmbad logieren und mindestens zwei Dienstboten beschäftigen müssen. Aber über all diese gesellschaftlichen Zwänge war Herta Hersfeld schon lange hinaus.

      Der große Wohnraum, mit Antiquitäten und Erinnerungsstücken ausgestattet, diente ihr als Büro, die Terrasse mit üppig rankenden blühenden Pflanzen als Sitzplatz. Küche, Bad und Schlafzimmer lagen hinter einem bogenförmigen Durchgang.

      Die Wohnung war leicht zu bewirtschaften, bedurfte außer einer Zugehfrau keines Personals und lag in unmittelbarer Nähe des großen Einkaufszentrums. Herta Hersfeld in ihrem fünfundfünfzigsten Jahr weinte dem verschachtelten Hanghaus mit seinen undurchdringlichen Gärten, das sie früher bewohnt hatte, keine Träne nach.

      In ein bequemes weites Gewand aus braunem Leinen gekleidet, das ihre hagere Gestalt bis zu den Waden umhüllte und nur am Halsausschnitt eine schmale Stickereiborte aufwies, ging Herta, die Kaffeetasse in der Hand, ungeduldig vor ihrem Schreibtisch auf und ab. Ihr dichtes, erdbraunes Haar war kurz geschnitten, ihre bernsteinfarbenen Augen blickten von Zeit zu Zeit auf die Uhr.

      Na endlich! Halb vier. Jetzt durfte man es wagen, die Knobels anzurufen, ohne allzu unhöflich zu erscheinen.

      »Das kann nur unsere neue Junglehrerin gewesen sein«, meinte Erich Knobel bedächtig, nachdem ihm Herta den Sachverhalt erklärt hatte, »schade, daß meine Frau gerade beim Frisör ist. Sie könnte Ihnen genauer Auskunft geben. Wir haben schon versucht, Katharina von allen Aktivitäten abzubringen, die sie sich in den Kopf gesetzt hat – ohne Erfolg, wie ich nun festellen muß.«

      »Katharina?«

      »So heißt sie. Katharina Busch. Jung, idealistisch, frisch aus der Heimat importiert – sie kann sich mit den Gegebenheiten noch nicht abfinden. Aber sie wird es lernen, wie wir es alle gelernt haben. Keinesfalls steckt irgendeine unlautere Absicht hinter ihrem Besuch in der Casa de Santa Monica. Das kann ich Ihnen guten Gewissens versichern. Wollen Sie vielleicht selbst mit ihr sprechen?«

      »Nicht unbedingt«, sagte Herta zögernd.

      »Es könnte hilfreich sein, Frau Hersfeld.«

      »Nun, da sie sich auf mich bezogen hat, ohne mich auch nur zu kennen, wäre es tatsächlich angebracht. Wer weiß, was sie sich noch einfallen läßt!«

      Erich Knobel ließ ein unbehagliches Lachen hören.

      »Also damit brauchen wir wohl nicht zu rechnen. Trotzdem will ich gern veranlassen, daß sie sich bei Ihnen meldet.«

      »Das kann nicht schaden«, erwiderte Herta trocken, »ich wünsche Ihnen ein schönes Wochende, und grüßen Sie Ihre Frau von mir!«

      Gegen

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