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denkste!« murrte Thilo und führte einen kräftigen Sensenhieb gegen das Gras aus.

      Als die Sonne gegen Mittag so stark brannte, daß sich die Kühe auf der oberen Wiese in den winzigen Schatten unter die Felsen flüchteten, saßen die Brüder bei Käse, Brot und gekühlter Milch.

      Thilo war nicht gewillt. Sepp etwas vorzumachen. Er zerdrückte doch in großer Anspannung einen Brocken Brot zwischen seinen Fingern, als er ihm erklärte, der Hof werfe niemals genug für sie beide ab. Und deshalb würde er sich eine Arbeit suchen, aber von seinem Verdienst gern einen Teil an die Familie abgeben, um sie zu unterstützten.

      Davon kannst eine Hilfe bezahlen. Und von den Dollars, die ich mitgebracht hab’, bauen wir dir eine schöne Wohnung oben aus. Ein Liebesnest, wie deine Clara und du es erwarten können«, grinste er schelmisch. »Dann zieht die Mutter ins Häusle von der Theres, so daß die Clara sich nicht immer bevormunden lassen muß.«

      »Ans Gritli denkst wohl immer noch nicht, wie?«

      »Doch, Sepp. Wo auch immer ich sein werde, sie wird zu mir gehören. Nur, wenn sie bei der Großmutter im Häuschen leben will und keinesfalls mit mir gehen will, beuge ich mich ihrem Wunsch.«

      Sepp stieß die Luft heftig aus. »Gritli hat keine Wünsche, Thilo. Die lebt über den Wolken.«

      Sepp wollte noch etwas hinzufügen, aber er schluckte es herunter. Warum sollte er Thilo jetzt schon mit Alltagssorgen überfallen? Sein Bruder mußte selbst merken, daß es in Oberau nicht wie in Hollywood zuging und das Dorf Wesing nichts mit Las Vegas gemein hatte.

      »Willst dich wieder aus dem Staub machen, wie? Vorm Kummer kannst nicht mehr wegrennen, jetzt ist es wohl die Armut hier. Merkst denn nicht, daß ich ohne dich nicht weiter kann?«

      Thilo sah lange zu den Gipfeln hoch. »Du kannst alles, wenn du weißt, wofür. Und wenn die Clara die Richtige für dich ist, wirst alles schaffen, was du willst. So wie ich damals mit dem Hannerl.«

      »Vergiß nicht, daß unsere Mutter das Hannerl schließlich geduldet hat. Tante Theres war noch da, sie hat das Hannerl eingearbeitet. Jetzt ist keiner mehr da, der zu unserem Glück stehen wird.«

      »Doch, ich. Kannst auf mich rechnen.«

      Sepp lachte bitter. »Wenn die Mutter erfährt, daß du nicht bleiben willst, wird sie noch stockiger. Nein, denk dir nichts. Ohne dich wird nichts aus einer Zukunft für Clara und mich.«

      »Du kannst allein für dein Glück kämpfen, Sepp.«

      Sepp schwieg düster. Thilo ahnte, daß es die Angst vor der Mutter war, die seinem Bruder die Kehle zuschnürte. Die letzten Jahre voller Mühe und Plackerei unter der Fuchtel der mürrischen Agnes hatten ihm den Lebensmut genommen. Ob es ausgerechnet Clara, der Städterin, gegeben war, ihm durch ihre Liebe neuen Mut einzuflößen?

      »Bist du Claras Liebe sicher?« fragte er vorsichtig. Sepps Keuchen verriet große Zweifel.

      »Wenn ich doch nur mit ihr allein sein könnte. Einen Tag, eine Nacht, einige Stunden nur für uns beide«, stöhnte er.

      »Das wird gehen«, schmunzelte Thilo. »Laß mich nur machen.«

      »Aber du verrätst der Mutter nichts?«

      Thilo schüttelte den Kopf. »Erst, wenn du weißt, daß Clara dich will, muß unsere Mutter es wissen. Aber das kann ich dir nicht auch noch abnehmen.«

      Sepp lächelte verlegen. »Danke«, flüsterte er. Nach einer Weile fügte er lauter hinzu: »Seitdem ich Clara kenne, Thilo, weiß ich, was du fürs Hannerl empfunden hast. Und ich versteh auch, daß du ohne sie hier nicht mehr bleiben konntest. Gritli…«

      »Was ist mit Gritli?«

      »Die Sehnsucht nach Liebe hat sie immer wieder hoch auf die Gipfel getrieben, fort von mir, dem einsamen und mürrischen Onkel, und fort von der verbitterten Großmutter. Nur Tante Theres hat ’s Gritli verstanden. Jetzt versteh’ ich ’s auch. Denn seitdem Clara hier ist, hat es Gritli nie mehr hoch über die Wolken getrieben. Weißt warum?«

      Thilo nichte. »An Claras Seite hat sie ein wenig von dem Glück gefunden, das einem Kind wie ihr doch zusteht.«

      »… und daß ich ihr einfach nicht geben konnte«, gestand Sepp.

      Thilo spürte, wie warm ihm ums Herz wurde. Mehr als ein flüchtiges Lächeln, das seine Dankbarkeit für das Verständnis seines Bruders ausdrückte, brachte er aber nicht zustande. Sepp nahm es trotzdem an, und in seinem Gesicht zuckte es verräterisch.

      *

      Einige Tage später ging Thilo seinem Bruder auf der Alm und im Wald zur Hand. Nachmittags machte er sich am Hof zu schaffen. Das Gerümpel verschwand, das Tor zum Stadl wurde repariert, das Holz für den Winter aufgestapelt, der Hasenstall vergrößert und die Hühnernester erneuert.

      Zu zweit gingen sie durch das obere Stockwerk des Hauses und entrümpelten einige der Kammern, um dann heimlich zu beratschlagen, wie hier eine schöne Wohnung für das junge Paar entstehen konnte. Nur teilte Sepp die Zuversicht seines Bruders immer noch nicht. Clara hatte einige Male angedeutet, sie müsse zurück in die Stadt. Weil die Sonne täglich nur wenige Stunden schien, wagte sie sich gerade zur Ludwigshöh, um dann den Rest des Tages der Großmutter aus den Augen zu bleiben und irgendwo auf einer Wiese auf Sepps liebevolles Winken zu harren. Sie mochte weiterhin behaupten, dieser Urlaub sei herrlich, aber sie fühlte sich unnütz, abgeschoben und einsam, seitdem Thilo wieder zurück war.

      Gritli saß nun nachmittags brav über ihren Schularbeiten, weil Thilo ihr dabei häufig über die Schulter schaute und darauf achtete, daß der kleine Tisch, den er ihr extra dafür aufgearbeitet hatte, nicht zum Stapeln der Eierkartons oder der Käseschachteln mißbraucht wurde.

      Eines Mittags, als alles getan war und er von der Alm herunterkam, geriet er in einen Regenguß. Nach wenigen Minuten schien die Sonne wieder, als hätte sie sich im Monat geirrt.

      Thilo ging ins Haus, holte das neue gelbe Regencape, das er für Gritli gekauft hatte, und wollte ihr damit entgegeneilen.

      »Gritli kommt bei jedem Wetter heim«, wollte Agnes ihn zurückhalten. »Du verwöhnst sie nur. Ein Extratisch für Schulaufgaben, ein neuer Ranzen mit Lichtern an der Seite! Ja, und neue, bunte Bettwäsche, das alles paßt nicht zu uns. Das Leben hier oben war immer hart, und so wird es bleiben.«

      Thilo stülpte sich einen der alten Filzhüte seines Bruders auf den Kopf. »Mag sein, Mutter, daß du dir das wünschst. Ich aber weiß, was mein Kind braucht. Und wenn Gritli verwöhnt wird, schadet ’s ihr auch nicht, Mutter. Viel zuviel hat sie entbehren müssen.«

      »Ja, weil ihr Vater ein Schwächling war und die Mutter eine zarte Pflanze aus der Stadt!«

      »Daß ich ein Schwächling war, weiß ich selbst. Aber auch, daß sie gerade deshalb so viel Liebe als möglich braucht.«

      »Liebe! Liebe! Alles Zeitverschwendung! Diese Flausen setzt ihr doch nur Clara Baumbeer in den Kopf. Ich hoffe, die fährt endlich nach München zurück.«

      »Sie bezahlt für jeden Tag«, entgegnete er verärgert. »Vergiß das nicht. Ich geh Gritli entgegen und dann hinunter ins Dorf. Kann sein, ich nehm den Bus nach Oberau und komm mit einem Fernseher für dich zurück, Mutter. Dann kannst schauen, wie andere Kinder leben.«

      Sie sah ihn wütend an. »Schaff mir lieber die Clara vom Hals! Dann wird alles gut.«

      Da knallte Thilo einfach die Küchentür zu und verließ schnell das Haus, um vor dem nächsten Regen noch den Eingang zum Tunnel zu erreichen. Gritli rannte ihm mit ausgestreckten Armen entgegen. Er hüllte sie in das neue Cape und versprach, gegen Abend wieder zurück zu sein und ihr neue, ganz weiße Strümpfe mitzubringen, wenn sie die Schulaufgaben fein säuberlich erledigt habe.

      »Weiße Strümpfe? Wie Clara?«

      »Ja, aber das sagst der Großmutter nicht!« Er mußte lachen, drückte sie an sich und entfernte sich durch den Tunnel aufs Dorf zu.

      Eine

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