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ändere, »dass die Unabhängigkeit der DDR von imperialistischen Störmanövern hergestellt werden muss«.

      Am Nachmittag war Leuschner bei Patolitschew, dem Außenhandelsminister. »Dort war folgende Linie: So viel Metall und andere Rohstoffe in Westdeutschland kaufen wie nur möglich und die Sowjetunion entlasten. Unsere Schulden (im Westen – d. Verf.) nicht vermindern, sondern gleichlassen bzw. erhöhen.«

      Das stand klar im Widerspruch zu Mikojan, der gefordert hatte, die DDR solle sich »von imperialistischen Störmanövern« unabhängig machen, aber die Antwort schuldig blieb, wie das geschehen sollte.

      Die Spannungen zwischen Berlin und Moskau wurden im Frühjahr 1961 selbst in vergleichsweise kleinen Begebenheiten sichtbar. Am 5. Mai 1960 verletzte eine westliche Militärmaschine bei Boizenburg den Luftraum der DDR. Generaloberst Iwan I. Jakubowski, Oberkommandierender der Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD), protestierte bei den Westmächten.

      Aber wie!

      Das machte klar, wer in diesem Land das tatsächliche Sagen hatte.

      Ganz in diesem Geiste war auch ein Brief Jakubowskis an Ulbricht formuliert, den der Militär am 15. Juli 1961 im Zentralkomitee der SED abliefern ließ. Der Oberkommandierende mahnte den Staatsratsvorsitzenden: »Für Bau- und Reparaturarbeiten in einigen Garnisonen, in denen Truppenteile der Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland stationiert sind, hatten wir gebeten, für 1961 Kabellieferungen im Wert von 1,098 Millionen DM einzuplanen. Die Staatliche Plankommission der DDR hat Kabel nur im Wert von 849000DM bereitgestellt, d.h. für 249000 weniger als geplant. […] Ich sehe mich genötigt, mich an Sie um Hilfe zu wenden und Sie zu bitten, die Staatliche Plankommission anzuweisen, Möglichkeiten für die Bereitstellung folgender benötigter Kabel zu finden.«

      Ulbricht vermerkte handschriftlich: »Gen. Apel und Neumann zur Stellungnahme und Maßnahmen W.U.«

      Forderungen sowjetischer Militärs waren durchaus üblich. Zwei Monate später verlangte Marschall Konew, der seit Anfang August neben Jakubowski die sowjetischen Interessen in der DDR wahrnahm, von Walter Ulbricht gleichfalls Unterstützung. Zwischenzeitlich war die Grenze geschlossen worden, worauf Konew am 18. September schrieb: »Zur Durchführung der Maßnahmen, die der Erhöhung der Gefechtsbereitschaft der GSSD im Interesse der Verteidigungsfähigkeit der DDR dienen, werden kurzfristig über den Plan hinaus bestimmte Materialien und Einrichtungsgegenstände für Kasernen benötigt. Ich bitte zu veranlassen, dass die GSSD im IV. Quartal 1961 von der Industrie der DDR zusätzlich mit folgenden Materialien beliefert wird.«

      Die zähen Wirtschaftsgespräche in Moskau zogen sich über das ganze Frühjahr 1961 hin. Am 3. Mai trafen sich in Berlin Walter Ulbricht, Bruno Leuschner und Günter Mittag. Das Papier, in welchem die Runde dokumentiert ist, trägt den Stempel »Streng vertraulich!«. Die drei kamen überein, dass »ungefähr im Juli« eine offizielle Delegation nach Moskau reisen solle, um die Sache zum Abschluss zu bringen. Ulbricht, ganz Internationalist und Stratege, wollte einerseits nicht, dass die Sowjetunion bloßgestellt und verärgert werden könnte, und dass andererseits die Lage der DDR im Westen offenbar wurde. Deshalb wies er an: »Das Material über die Verhandlungen in Moskau ist so zu behandeln, dass dem Gegner der Inhalt nicht zugänglich ist. Die verantwortlichen ­Leiter ­erhalten nur das Material (Auszüge), was sie unmittelbar für ihre Arbeit benötigen. Es muss verhindert werden, dass eine Vielzahl von leitenden Funktionären einen zusammenhängenden Überblick über die gesamte Lage erhält.«

      Wenige Tage zuvor, am 28./29. März 1961, hatte in Moskau der Politisch Beratende Ausschuss der Warschauer Vertrags-Staaten getagt. Aus der DDR nahmen an der Sitzung Walter Ulbricht, Außenminister Lothar Bolz, ZK-Sekretär Erich Honecker und Verteidigungsminister Heinz Hoffmann teil. Thema war das bevorstehende Gipfeltreffen in Wien. Am 3./4. Juni wollten erstmals der sowjetische Ministerpräsident Nikita S. Chrusch­tschow und US-Präsident John F. Kennedy zusammentreffen. Drei Themen standen auf der Agenda: Einstellung der Kernwaffenversuche, Abschluss eines Friedensvertrages mit Deutschland und die Regelung der Westberlin-Frage.

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