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einzurichten. Ich verließ Pondicherry-Lodge und nahm den alten Khitmutgar und Williams mit. Gestern erfuhr ich indessen, daß ein Ereignis von größter Wichtigkeit eingetreten sei. Der Schatz ist entdeckt worden. Ich schrieb sogleich an Fräulein Morstan wegen dieser Zusammenkunft, und wir brauchen jetzt nur noch nach Norwood hinauszufahren und unsern Anteil zu fordern. Ich habe Bruder Bartholomäus bereits gestern abend meine Ansicht auseinandergesetzt. Er erwartet unsern Besuch, wenn wir ihm auch schwerlich willkommen sein werden.«

      Thaddäus Scholto war zu Ende und saß mit unruhig zuckenden Mienen in seinem weichen Lehnsessel. Wir blieben alle eine Weile stumm vor Überraschung über die neue Wendung, welche die geheimnisvolle Angelegenheit genommen hatte, bis Holmes endlich aufsprang.

      »Sie haben richtig gehandelt, mein Herr, von Anfang bis zu Ende,« rief er. »Vielleicht werden wir imstande sein, uns Ihnen erkenntlich zu erweisen, indem wir aufzuklären versuchen, was bis jetzt noch dunkel ist. Lassen Sie uns nun aber auch ohne allen Aufschub ans Werk gehen.«

      Unser neuer Bekannter rollte den Schlauch seiner Hula sehr sorgfältig auf, holte dann hinter einem Vorhang seinen langen, gefütterten Ueberzieher mit Kragen und Aufschlägen von Astrachan hervor, den er trotz der drückend warmen Nacht fest zuknöpfte. Eine Kappe von Kaninchenfell mit Ohrenklappen vollendete seinen Anzug, so daß nichts von ihm sichtbar war, als das spitze, bewegliche Gesicht.

      »Ich bin etwas kränklich,« bemerkte er, während er den Gang hinunter uns voranschritt, »und bin genötigt, auf meine zarte Gesundheit Rücksicht zu nehmen.«

      Draußen stand unser Wagen schon bereit, und kaum waren wir eingestiegen, so fuhr der Kutscher sogleich in schnellem Trabe davon. Thaddäus Scholto sprach unaufhörlich mit seiner hohen, scharfen Stimme, die von dem Gerassel der Räder nicht übertönt wurde.

      »Bartholomäus ist ein gescheiter Kerl,« sagte er. »Wie denken Sie wohl, daß er den Versteck herausgefunden hat? Er war zu dem Schluß gekommen, daß der Schatz im Hause sein müsse; so stellte er denn überall Messungen an und prüfte jeden Raum, bis kein Kubikzoll übrig blieb, der nicht in Anschlag gebracht war. Die Höhe des Gebäudes betrug vierundsiebenzig Fuß, wenn er aber die Höhe der Zimmer rechnete, sowie die Zwischenräume, die er durchbohren ließ, um sie genau messen zu können, so brachte er im Ganzen nicht mehr als siebenzig Fuß zusammen. Die vier Fuß, die fehlten, konnten nur im obersten Raum des Gebäudes sein, er stieß deshalb ein Loch in die vergipste Lattendecke des unter dem Dach gelegenen Zimmers und traf dabei wirklich auf einen kleinen Zwischenboden, der mit Gips verstrichen war und von dessen Vorhandensein niemand eine Ahnung hatte. In der Mitte dieses Raumes stand der Schatzkasten auf zwei Balken. Er wurde durch das Loch heruntergelassen und nun haben wir ihn. Mein Bruder schätzt den Wert der Juwelen auf mindestens eine halbe Million Pfund.«

      Bei der Erwähnung dieser Riesensumme sahen wir uns mit großen Augen an. So würde Fräulein Morstan, wenn wir ihren Anspruch sicherstellen könnten, sich aus einer armen Erzieherin in die reichste Erbin Englands verwandeln. Jeder, der ihr aufrichtig wohlwollte, hätte sich billig über solche Nachricht freuen sollen, aber ich muß zu meiner Schande gestehen, daß meine Selbstsucht die Oberhand gewann und mir das Herz schwer wie Blei wurde. Ich stammelte ein paar unzusammenhängende Worte, die einen Glückwunsch vorstellen sollten und saß, taub für das weitere Geschwätz unseres neuen Bekannten, gesenkten Hauptes da. Er war durch und durch Hypochonder und hoffte wohl von mir Unterweisung über die Wirkung verschiedener Geheimmittel zu erhalten, von denen er sich einen günstigen Erfolg für seine Gesundheit versprach. Durch meine Antworten an jenem Abend wird er nicht viel klüger geworden sein, meine Gedanken waren verwirrt und ich sprach halb im Traum.

      Endlich hielt unser Wagen. Der Kutscher sprang vom Bock und öffnete den Schlag.

      »Dies ist Pondicherry-Lodge,« sagte Scholto, während er Fräulein Morstan beim Aussteigen behilflich war.

       Zurück

      Es war beinahe elf Uhr, als wir diese Endstation unserer nächtlichen Fahrt erreichten. Wir hatten den feuchten Nebel der großen Stadt hinter uns gelassen; die Nacht war mild und schön. Ein warmer Wind wehte aus Westen und von Zeit zu Zeit blickte der Mond durch die schweren Wolken, welche langsam am Himmel hinzogen. Obgleich wir recht gut auf einige Entfernung sehen konnten, nahm Thaddäus Scholto noch eine Seitenlaterne des Wagens herab, um unsern Weg besser zu beleuchten.

      Das Grundstück, auf dem Pondicherry-Lodge lag, war ringsum von einer Steinmauer eingeschlossen, auf welche man zu besserm Schutz Glasscherben gemauert hatte. Den Eingang bildete eine schmale, eisenbeschlagene Thür, an der unser Führer zweimal kurz hintereinander auf eigentümliche Art klopfte.

      »Wer ist da,« rief eine mürrische Stimme von innen.

      »Ich bin es, Mc. Murdo. Du solltest doch endlich mein Klopfen kennen.« Man vernahm einen brummenden Ton und das Klingen und Klirren von Schlüsseln. Die Thür schwang sich schwerfällig zurück und in der Oeffnung stand ein kurzer, breitschulteriger Mann, dessen vorgestreckter Kopf mit den blitzenden, mißtrauischen Augen von der Laterne beleuchtet wurde.

      »Ihr seid’s, Herr Thaddäus? Aber wer sind die andern? Der Herr hat mir keinen Befehl erteilt sie einzulassen.«

      »Nicht, Mc. Murdo? Das wundert mich! Ich sagte meinem Bruder gestern abend, daß ich ein paar Freunde mitbringen würde.«

      »Er ist heute gar nicht aus seinem Zimmer gekommen, Herr Thaddäus. Ich habe keine besondere Anweisung und muß mich an die alten Regeln halten. Ihr mögt eintreten; aber Eure Freunde müssen bleiben, wo sie sind.«

      Das war ein unerwartetes Hindernis. Thaddäus Scholto blickte mit betroffener Miene hilflos um sich.

      »Wie unrecht von dir, Mc. Murdo; wenn ich mich für sie verbürge, so muß dir das genügen. Die junge Dame hier kann doch nicht zur Nachtzeit auf der Landstraße warten.«

      »Thut mir leid, Herr Thaddäus,« sagte der unerschütterliche Thorwart. »Die Leute mögen Eure Freunde sein und doch nicht Freunde meines Herrn. Er bezahlt mich gut dafür, daß ich meine Pflicht thue und so will ich auch meines Amtes warten. Ich kenne keinen von Euern Freunden.«

      »O ja, Ihr kennt mich, Mc. Murdo,« rief Holmes freundlich. »Ich meine, Ihr werdet mich nicht vergessen haben. Wer war’s, der vor vier Jahren an Euerm Benefiz-Abend in Alksons Saal drei Gänge mit Euch ausgefochten hat, he?«

      »Was, Sie sind’s, Herr Sherlock Holmes!« brüllte der Preisfechter. »Bei Gott! Sie hätte ich erkennen sollen. Wenn Sie nur, statt still dazustehen, gleich mit Ihrem Kreuzhieb unter den Kinnladen auf mich losgegangen wären! Wie schade, daß Sie Ihre Gaben ungenützt lassen. Wahrhaftig, Sie hätten Ehre und Ruhm ernten können, wenn Sie unsere Kunst ergriffen hätten.«

      »Sie sehen, Watson, wenn alles fehl schlägt, so bleibt mir doch noch ein wissenschaftlicher Beruf offen,« sagte Holmes lachend. »Der wackere Mc. Murdo wird uns nun gewiß nicht länger hier draußen stehen lassen.«

      »Herein mit Ihnen, Herr – herein mit Ihnen und Ihren Freunden,« rief er. »Nehmen Sie’s nicht übel, Herr Thaddäus, ich habe strengen Befehl und mußte erst gewiß sein, mit wem ich’s zu thun hatte.«

      Innerhalb der Mauer wand sich der Weg durch verwilderte Anlagen bis zu einem hohen, kastenartigen Gebäude, das ganz in Dunkelheit begraben dalag. Nur auf eine Ecke fiel der Mondstrahl und glitzerte am Dachkammerfenster. Der große, düstere Bau mit seiner Totenstille machte das Herz erschauern. Selbst Thaddäus Scholto schien sich unbehaglich zu fühlen und die Laterne bebte und klapperte ihm in der Hand.

      »Ich kann nicht klug daraus werden,« murmelte er. »Es muß da ein Mißverständnis obwalten. Ich habe Bartholomäus deutlich gesagt, daß wir kommen würden, und doch ist kein Licht in seinem Fenster. Das weiß ich mir nicht zu erklären.«

      »Läßt er das Haus immer auf solche Weise bewachen?« fragte Holmes.

      »Ja,

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