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erkundigt sie sich. »Und werden Sie zum Mittagessen wieder da sein?«

      »Das weiß ich noch nicht. Bitte, meinetwegen keine Rücksichtnahme.«

      Ehe sie das Zimmer verläßt und er ihr dabei die Tür weit offen hält, sagt er zu ihr: »Sie sind ein wirklich gütiger Mensch, Milli Bothe.«

      Sie murmelt etwas vor sich hin, was wie »Quatsch« klingt. Aber der Blick, den sie ihm dabei zuwirft, ist ein freudiger.

      Sie ist so glücklich, daß er den Weg zu ihr gefunden hat und voller Hoffnung, daß alles gut wird.

      *

      Es ist eine kleine Stadt, aber mit breiten, gepflegten Straßen und hellgestrichenen Häusern. Am Außenrand dieser Stadt gibt es aber auch noch kleine Gassen mit niedrigen, altmodischen Häusern und einer Fassade aus Fachwerk.

      In einer dieser Gassen befindet sich die Bar »Zum Blauen Engel«. Es ist eine Bar, die erst am Abend ihre Pforten öffnet und dafür bis in den frühen Morgenstunden Betrieb hat.

      Die Bar »Zum Blauen Engel« ist im weiten Umkreis bekannt. Nicht nur wegen seines guten Publikums, sondern auch wegen der gepflegten Atmosphäre, der guten Getränke und der Jazz-Band.

      Vor dem Eingang brennt eine Laterne mit einem blauen Engel. Dann kommt ein Vorraum mit Blattpflanzen, und dann die Halle mit den Glasvitrinen und den eleganten Auslagen der besten Geschäfte der Stadt. Rechts und links liegen die Barräume. Weiche Teppiche, runde, niedrige Tische mit polierten Platten und modernen, bequemen Sesseln. Überall Blumen, der Jahreszeit entsprechend, und kleine Lampen, die rosige Lichtwellen auf die Tische warfen.

      An der Bar hockten sie besonders gern, die Stammgäste des »Blauen Engels«. An jeder Bar, im rechten und linken Zimmer, bedienten drei Bardamen. Unter ihnen fiel die hochgewachsene rotblonde Frau mit den grünen Augen besonders auf.

      Sie verstand es ausgezeichnet, mit ihren Gästen umzugehen, ihre Wünsche zu erraten und ihnen besondere Drinks zu mixen.

      Sie ist eine seltsame Frau, von Geheimnissen umwittert. Wunderschön gewachsen mit Bewegungen, die an ein junges Raubtier erinnern, geschmeidig und von verhaltenem Temperament. Aber kühl und sehr unnahbar.

      So rätselt man an ihr herum. Man spricht von einer unglücklichen Liebe, von einem überaus eifersüchtigen Gatten und dergleichen mehr. Keiner kommt der Wahrheit nahe.

      Marion Wendland weiß, daß viel über sie gesprochen wird. Nach Schluß des Lokals verschwindet sie wie die anderen in ihre Garderobe, mit dem Unterschied, daß sie diese mit niemandem zu teilen hat. Durch eine zweite Tür verschwindet sie dann in ihre eigenen Räume. Dort beginnt ihr eigentliches Leben.

      Sie hat sich hinter den Räumen der Bar zwei Zimmer mit allem Komfort eingerichtet, und dort erwartet sie meist ein dunkelhaariger Mann, der sie mit einem langen, leidenschaftlichen Kuß empfängt, den sie mehr aus Gewohnheit, denn aus Liebe über sich ergehen läßt. Manchmal versteht sie sich selbst nicht mehr. Sie glaubt wie ausgebrannt und keines Gefühls mehr fähig zu sein. Aber zu einem gewissen Grad hat er ihr diese Bar vermittelt. Keiner weiß, daß sie die Inhaberin ist. Er hat seinen Namen dafür hergegeben, und sie das Geld.

      Sie weiß genau, daß sie Frank Bendler nicht liebt. Aber sie duldet seine Leidenschaftsausbrüche und duldet seine Liebkosungen mit geschlossenen Augen und leiser Abwehr, die der Mann zuerst nicht spürt. In letzter Zeit hat er oft das Gefühl, eine seelenlose Puppe im Arm zu halten, und überhäuft sie mit heftigen Vorwürfen, die sie dann, wachgerüttelt, mit einer forcierten Leidenschaft ihrerseits zu zerstreuen versteht.

      So ist ein ewiger, heimlicher Kampf zwischen den beiden Menschen. Frank Bendler weiß, daß er dieser nach außen hin so kühl erscheinenden Frau, die sich aber auch manchmal zu einem Vulkan in seinen Armen verwandeln kann, nicht viel bedeutet. Er beargwöhnt sie, spioniert heimlich hinter ihr her.

      Als sie sich heute aus seiner heißen Umarmung befreit und in einen der weichen, tiefen Sessel fallen läßt, die schönen langen Beine über die Lehne gestreckt, betrachtet er sie aufmerksam.

      »Du siehst übermüdet aus, Liebling«, sagt er, aus innerer Besorgnis heraus. »Warum schindest du dich so ab? Hast du nicht schon genügend Geld verdient?«

      Sie sieht ihn mit einem rätselhaften Blick an, dann greift sie zur Zigarettendose. Gleichmütig erwidert sie: »Man kann nie genug davon haben.«

      »Du bist wie besessen. Tagsüber schläfst du, machst die nötigsten Besorgungen, und nachts steckst du in dem nervenaufreibenden Betrieb. Wozu, frage ich dich?«

      Sie entzündet die Zigarette, bläst bedächtig das Streichholz aus und legt es in die Aschenschale. »Du fragst zuviel, Frank. Ich habe meine Gründe.«

      »Die möchte ich gern wissen«, beharrt er voller Hartnäckigkeit, die bei ihr ein Stirnrunzeln hervorruft. »Du bist nicht ehrlich zu mir. Ich fühle das. Was verbirgst du eigentlich vor mir?«

      Sie hält die Augen geschlossen. Die dichten Wimpern werfen einen langen Schatten auf die Haut. »Nichts! Was soll ich vor dir verbergen?«

      Ärgerlich erhebt er sich, schwingt sich auf die freie Lehne ihres Sessels und legt den Arm um sie.

      »Wollen wir nicht eine schöne Reise zusammen machen? Nach dem Rhein, nach Heidelberg an den Nekkar. Nach Hamburg? Wohin du willst. Meinetwegen auch ins Ausland.«

      Sie ist leise in seiner Umarmung zusammengezuckt. »Ich möchte hierbleiben. Ich fühle mich wohl hier. Später vielleicht«, vertröstet sie ihn.

      »Dann muß ich wohl gehen«, sagt er enttäuscht. Sie kommt auf ihn zu, legt ihre Hände um seinen Hals und lächelt ihn an.

      »Sei lieb, Frank. Ich bin wirklich fertig für heute. War ein toller Betrieb. Erst noch das Geld nachzählen und die Abrechnung prüfen.« Sie reicht ihm den Mund zum Kuß. Es ist ein kalter, flüchtiger Kuß. Zögernd wendet er sich zum Gehen.

      »Hast du mir die Zeitung besorgt?« fragt sie noch.

      »Sie liegt auf deinem Nachttisch«, erwidert er, setzt seinen Hut auf und verläßt den Raum.

      Wie befreit atmet sie auf, als seine Schritte verklingen. Sie schließt ab und beginnt sich zu entkleiden. Im Badezimmer macht sie sich für die Nacht zurecht und kehrt in einem Hausanzug zurück

      Von dem Nachttisch holt sie sich die Zeitung, wirft sich auf die breite Couch und schaltet die Wandbeleuchtung ein. Eifrig studiert sie das Blatt. Das, was sie sucht, findet sie nicht.

      Grübelnd starrt sie vor sich hin. Frank beginnt unbequem mit seinen Fragen zu werden. Er versucht, in ihre Vergangenheit einzudringen, und das will sie auf jeden Fall vermeiden. Warum er sie immer wieder, wenn auch unbewußt, daran erinnert?

      Kann er nicht zufrieden sein mit dem, was sie ihm gibt? Was sie ihm geben kann? Vielleicht ist sie überhaupt keines tiefen Gefühls fähig?

      Manchmal, wie eben jetzt, empfindet sie etwas wie Ekel vor sich selbst. Sie hat genommen, nur genommen, aber nichts gegeben.

      Sie hat Intrigen gesponnen, hat die Männer gegeneinander aufgebracht und eine wahre Freude daran gehabt. So wie manche das Spiel mit den Karten lieben, so hat sie das Spiel mit Menschenherzen geliebt. Und heute noch kann sie es nicht lassen, dieses prickelnde Gefühl zu empfinden, wenn die Männer sich gegenseitig belauern, daß sie keinen zu freundlich, keinen bevorzugt behandelt. Noch hat sie sich zurückhaltend benommen. Aber wie lange noch, und ihre wahre Natur bricht wieder hervor?

      Frank Bendler – sinnt sie weiter – und lächelt mitleidig dabei. Er ist ein Narr wie all die anderen. Er merkt kaum, daß sie ihn nur duldet, weil sie ihn augenblicklich nötig hat, weil sie im Hintergrund bleiben will und muß.

      Aber das weiß sie jetzt schon. Eines Tages wird sie ihn verlassen wie die anderen. Und sie wird keinen Schmerz dabei empfinden, höchstens Erleichterung, und ein anderer wird seine Stelle einnehmen.

      Ihre Züge sind unerbittlich, kalt, nichts Bezauberndes liegt mehr darin. Weiter arbeitet ihre Phantasie. Plötzlich verwandelt sich der kosige Raum in eine enge Zelle,

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