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stöhnt vor sich hin.

      Immer wieder martert sie dieses Bild. Es verfolgt sie unbarmherzig. Aber sie will es nicht sehen… sie will nicht!

      *

      »Ist Herr Meinhardt zu sprechen?« wendet Ulrich Karsten sich an die Dame im Vorzimmer des Bauunternehmers, mit dem er früher gut zusammengearbeitet hat.

      Die Frau sieht sich um, erkennt ihn und erschrickt. »Herr Karsten – Sie?«

      »Ja – ich«, sagt er bitter. »Ist Herr Meinhardt da?«

      »Ja, ich glaube – einen Augenblick, bitte«, stammelt sie und verschwindet. Sie kehrt bald zurück und nähert sich zögernd dem Mann, der immer noch auf demselben Fleck steht.

      »Herr Meinhardt hat eine Besprechung«, erklärt sie. »Es wird etwas dauern –«

      »Ich warte«, fällt er ihr rasch ins Wort und setzt sich auf einen der Stühle, die an der Wand aufgereiht sind.

      Das Mädchen hat hinter seinem Schreibtisch Platz genommen. Karsten sinnt vor sich hin und merkt nicht die Nervosität des Mädchens. Es schiebt Papiere auf der Schreibtischplatte hin und her, ohne etwas damit anfangen zu können. Als der Fernsprecher anschlägt, faßt sie nur zögernd danach. Zögernd legt sie den Hörer in die Gabel zurück.

      »Wollen Sie nicht noch eine Besorgung machen?« wendet sie sich an den ganz in sich versunkenen wartenden Mann. »Es wird doch noch länger dauern, als Herr Meinhardt glaubte.«

      »Eine Besorgung?« Karsten erwacht zur Wirklichkeit. Ich habe nichts zu besorgen, denkt er. »Lassen Sie nur, ich warte«, setzt er aus seinen Gedanken heraus hinzu.

      »Wie Sie wünschen!«

      Und Karsten wartet geduldig. Er hat soviel zu denken und zu überlegen.

      Marion Wendland, die Arbeit, die Vergangenheit, mit der er glaubt, gebrochen zu haben und die Wünsche an die Zukunft.

      »Herr Meinhardt ist abgerufen worden«, reißt ihn die Stimme des Mäd­chens aus der Wirrnis von Gedanken.

      Im Nu ist er hellwach. »Aber – ich sah ihn gar nicht durch das Zimmer gehen.«

      »Er hat sein Zimmer durch den zweiten Ausgang verlassen.«

      Schwerfällig erhebt er sich. »Ach so«, sagt er nur, und in den zwei Worten liegt so viel Bitternis, daß das Mädchen rasch zur Seite sieht.

      Er geht zur Tür. Auf einmal ist das Hoffnungsvolle von ihm gefallen. Seine Schultern neigen sich nach vorn wie unter einer schweren Last.

      »Wenn Sie vielleicht morgen wiederkommen könnten?« Die Stimme ist voll Mitleid, und das kann er am allerwenigsten vertragen.

      »Danke schön für Ihre Bemühung«, sagt er steif.

      Die Tür sinkt hinter ihm ins Schloß. Er steht im Sonnenlicht auf der Straße. Er blickt nicht zurück auf die Hausfront. Er würde sonst den Kopf Meinhardts hinter der Scheibe erspähen, der vorsichtig auf die Straße blickt.

      Als die hohe Männergestalt zwischen den Passanten verschwindet, geht er ins Vorzimmer.

      »Damit Sie Bescheid wissen: Ich bin für Herrn Karsten nicht zu sprechen«, befiehlt er, und das Mädchen nickt gehorsam. Als die Tür mit einem Knall hinter dem Chef zuschlägt, kräuseln sich ihre Lippen. Einmal war das anders. Da kam Meinhardt mit vorgestreckten Händen aus seinem Büro geschossen. »Großartig, Karsten, daß Sie da sind. Kommen Sie, trinken wir ein Gläschen zusammen. Das Material für den Neubau rollt bereits…«

      Und dann war Meinhardt für niemanden mehr zu sprechen. Karsten hat Meinhardt so viel Aufträge zugeführt. Und heute?

      Sie ist nur eine Angestellte, aber ihr ist elend zumute und sie könnte weinen. –

      Karsten geht weiter Er hat soviel Bekannte. Er will nicht an eine gewisse Dankbarkeit appellieren. Er will Arbeit haben. Viele von diesen Leuten sind ihm irgendwie verpflichtet. Taktvoll übergeht er es.

      Er läuft bis in den Nachmittag hinein. Allmählich kann er unterscheiden, ob einer wirklich da ist, oder ob man ihn nicht empfangen will.

      Nur Oswald Römer kommt ihm mit einer lärmenden Fröhlichkeit entgegen und nimmt ihn mit in sein Büro.

      Karsten hat sich müde gelaufen. Aufmerksam betrachtet er aus der Tiefe eines weichen Sessels sein Gegen­über.

      »Schön, Karsten, daß Sie wieder da sind«, unterbricht er die peinlich wirkende Stille. »Geht die Arbeit wieder los? Wollen Sie ein neues Büro eröffnen? Geld haben Sie doch genügend.«

      »Eigentlich wollte ich Sie fragen, ob Sie mich unterbringen können?«

      Das freundliche, wohlwollende Gesicht Römers verändert sich schlagartig, wird kühl, abwehrend.

      »Arbeit bei mir, Karsten? Ich bitte Sie, mein Lieber. Wollen Sie etwa auf dem Bau arbeiten, Sie als Architekt?«

      »Warum nicht? Arbeit ist keine Schande.«

      Römer windet sich förmlich. »Gewiß nicht. Aber bedenken Sie, Karsten. Sie würden sich kaum wohl fühlen. Man hat den Prozeß noch nicht vergessen –«

      »Ach so«, fällt Karsten ihm ins Wort, und auch hier spricht grenzenlose Bitterkeit aus den beiden Worten.

      »Ich meine es doch nur gut mit Ihnen, Karsten«, läßt Römer sich wieder vernehmen. »Sie mit Ihrem Können.« Er lacht. Es ist ein unnatürliches Lachen und es fährt Karsten erschreckt durch die Glieder. »Sie machen Witze, Karsten.«

      »Vielleicht könnten wir einen Versuch machen«, schlägt Karsten noch einmal vor.

      Römer erhebt sich. »Ersparen Sie sich doch diese Demütigung, Karsten. Wir kennen doch beide die Menschen. Sie würden sich bestimmt nicht wohl fühlen, glauben Sie mir das.«

      Karsten taumelt empor. Jetzt hat er endlich begriffen. Man schämt sich seiner Bekanntschaft. Man will ihn loswerden.

      »Entschuldigen Sie die Störung«, stammelt er und verläßt auch dieses Haus hoffnungslos, wie er gekommen ist.

      Unschlüssig, ziellos geht er weiter. Wieder läuft er kreuz und quer. Er hätte doch einige Tage vergehen lassen sollen. Sicher hat er nicht die richtigen Worte gefunden. Er hat Hemmungen, und das spürt man. Er muß ganz anders auftreten.

      Plötzlich stockt sein Fuß. Er muß lachen. Ein Büro eröffnen! Mit hundert Mark? Man hält ihn für wohlhabend, was er eigentlich auch wäre, wenn eine Frau ihn nicht um die Früchte seiner Arbeit gebracht hätte.

      Hundert Mark! Davon kann er nicht einmal Milli Bothe bezahlen, wenn er länger dort wohnen bleibt. Er muß Arbeit finden, keiner soll wissen, daß er jetzt arm ist.

      Aber er muß Marion Wendland finden. Sie kann nicht einfach verschwinden. Irgendwo muß sie wohnen, leben, gemeldet sein.

      Also geht er auf das Einwohnermeldeamt. Die Antwort ist niederschmetternd. »Auf Reisen.«

      Wohin ist sie gereist? Wo soll er sie suchen?

      Er ist wie zerschlagen, als er die Pension Bothe erreicht hat. Er sieht nicht die Frau mit dem kastanienbraunen, glänzenden Haar, dem zarten Antlitz und den schönen tiefblauen Augen, die ihn hinter der Zeitung versteckt beobachtet.

      Wie zufällig erhebt sie sich und steigt neben ihm die Stufen zu seinem Zimmer empor. Erst auf dem Flur bemerkt er sie und läßt ihr mit einer kurzen Verbeugung den Vortritt.

      Er sieht sekundenlang in diese leuchtenden Augen und grübelt, wo er diese Frau schon einmal gesehen hat. Dann nimmt ihn sein Zimmer auf. Wie eine schützende Insel erscheint ihm dieses Zimmer mit seiner Behaglichkeit, seiner Gemütlichkeit. An dem kleinen Tisch nahe beim Fenster läßt er sich nieder. Er fährt empor, als eine Hand seine Schulter berührt.

      »Frau Bothe?«

      »Haben Sie schon gegessen?«

      Nein – will er antworten, denn er spürt, wie der Hunger

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